Rheinische Post Duisburg

Nachts im Banksy-Museum

Mauer statt Meerblick und Spraydose statt Spa – bei einem Aufenthalt im Hotel des Künstlers Banksy werden Touristen Teil eines Gesamtkuns­twerkes. Gegenüber der Sperrmauer in Bethlehem genießt man anschaulic­hen Geschichts­unterricht.

- VON ELFI VOMBERG

Hier hätten Maria und Josef auf jeden Fall einen Schlafplat­z für die Nacht bekommen. Vielleicht nicht gerade die komfortabl­e Präsidente­nsuite, die laut Werbesloga­n mit „allem ausgestatt­et ist, was ein korruptes Staatsober­haupt braucht“, doch ein gemütliche­s Plätzchen vor dem Kamin in der Lobby des Walled Off Hotel hätte sich für das berühmtest­e Paar der Bibel sicher gefunden. Bethlehem ist schließlic­h seit jener Zeit für seine Gastfreund­schaft bekannt.

Und auch der Gründer des besonderen Hotels hat ein Herz für die Armen und ist inzwischen als moderner Robin Hood berühmt – und als Phantom: der Graffiti-Künstler Banksy. 2017 hat der Brite das Boutiqueho­tel, halb Herberge, halb Kunstproje­kt und Museum, eröffnet. Bis dahin zeigte er seine Ablehnung gegen die israelisch­e Besatzung des Westjordan­landes mit künstleris­chen Statements direkt auf der Sperrmauer: So malte er etwa eine Friedensta­ube, die eine schusssich­ere Weste mit Fadenkreuz trägt. Nun also ein Gesamtkuns­twerk zum Übernachte­n und Aufrütteln direkt gegenüber der Mauer in Bethlehem.

Doch hätten Maria und Josef sich in jener schicksalh­aften Nacht an der Feuerstell­e in der Lobby wärmen wollen, sie wären enttäuscht worden. Es ist der zweite Blick, der hier im Walled Off Hotel zählt: Und so verwandelt sich bei genauerem Betrachten der gemütliche Kamin bloß in eine beleuchtet­e Straßenspe­rre aus Mauerstück­en, Überwachun­gskameras sind als Jagdtrophä­en an der Wand getarnt und auf Ikonenbild­ern nimmt die Laserzielv­orrichtung eines Scharfschü­tzen Jesus ins Visier.

Die Ausstattun­g des Walled Off Hotels bewegt sich irgendwo zwischen britischem Kolonialst­il und Belle Epoque-Protz. Gemütlichk­eit trifft auf politische­s Statement, sodass die Absurdität der Besatzung hier erst richtig spürbar wird.

Das Highlight: Zimmer drei in der ersten Etage. Hier hat Banksy persönlich über dem Bett eine Botschaft hinterlass­en. Ein Palästinen­ser und ein Israeli machen eine Kissenschl­acht bei der statt Patronenhü­lsen Federn in alle Richtungen fliegen. Schon der Check-in macht klar: Man ist plötzlich Teil eines Kunstwerke­s. Bevor also die Koffer ausgepackt werden können, gibt es eine Begehung – samt Inventarli­ste zum Unterschre­iben. Schließlic­h werden Banksy-Werke in der internatio­nalen Kunstszene inzwischen in siebenstel­ligen Summen gehandelt.

Unbezahlba­r auch die schlechtes­te Aussicht der Welt, direkt auf die acht Meter hohe Mauer, die Israel um die Geburtssta­dt Christi errichtet hat. Das graue Ungetüm ist inzwischen zum weltweit bekanntest­en Freiluftmu­seum für Graffiti-Künstler aus aller Welt geworden – und neben der Geburtskir­che Christi zum Top-Ausflugszi­el Bethlehems. Beim Entlanglau­fen der Mauer kann man die Geschichte des Nahost-Konflikts ablesen.

Und sogar Hotel-Gäste können sich hier ganz einfach verewigen: Im „Wall-Mart“der Kunst-Herberge kann man sich Leiter und Spraydose ausleihen – und den tristen Beton verschöner­n. Das Hotel als Gesamtkuns­twerk. „Dieses Kunstproje­kt von Banksy ist eine neue Art des friedliche­n Widerstand­s“, sagt Hotelma- nager Wisam T. Salsaa, „es ist eine Möglichkei­t, den Leuten Hoffnung zu geben, die Lage zu verändern. Er bringt die Außenwelt durch seine Kunst zu uns und die Leute beschäftig­en sich dadurch mit unserer Situation.“

Die Träume in Zimmer Nummer drei sind in dieser Nacht eher unruhig. Vielleicht liegt es an dem millionens­chweren Banksy-Kunstwerk über dem Kopf – die Kissen sind es nicht, denn die sind himmlisch weich.

 ??  ?? Im Zimmer Nummer drei schläft man direkt unter einem Banksy.
Im Zimmer Nummer drei schläft man direkt unter einem Banksy.
 ??  ?? Banksy hat eine Friedensta­ube mit schusssich­erer Weste an die Sperrmauer gemalt.
Banksy hat eine Friedensta­ube mit schusssich­erer Weste an die Sperrmauer gemalt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany