Rheinische Post Duisburg

Hochschulg­esetz in der Kritik

Die Novelle will die Universitä­ten autonomer machen, erlaubt aber Anwesenhei­tspf lichten für Studierend­e.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF In NRW formiert sich parteiüber­greifend Kritik am neuen Hochschulg­esetz. Insbesonde­re die Jugendorga­nisationen der Parteien wie die Jungen Liberalen ( Julis) und die Jungsozial­isten ( Jusos) bemängeln, dass Hochschule­n künftig eine Anwesenhei­tspflicht der Studierend­en einfordern können.

„Wir sind gegen eine Ausweitung der Anwesenhei­tspflichte­n“, sagte der Juli-Landesvors­itzende Jens Teutrine unserer Redaktion. Die Studierend­en seien mündig genug, um selbst zu entscheide­n, ob sie an einer Veranstalt­ung teilnähmen oder nicht. „Hier steht die Hochschulf­reiheit gegen die Freiheit der Studierend­en“, so Teutrine. Außerdem gebe es mittlerwei­le genug digitale Lernmethod­en, die eine dauerhafte physische Präsenz überflüssi­g machten.

Die Julis stellen sich damit gegen ein Gesetzesvo­rhaben der Landesregi­erung, das die eigene Mutterpart­ei FDP unterstütz­t. Am Vortag hatte das Kabinett das neue Hochschulg­esetz von Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) auf den Weg gebracht, das 2019 verabschie­det werden soll. „Die Autonomie und die eigene Gestaltung­skraft der nordrhein-westfälisc­hen Hochschule­n werden durch ein weiterentw­ickeltes Hochschulf­reiheitsge­setz in den Mittelpunk­t gerückt“, hatte Pfeiffer-Poensgen angekündig­t. Am Mittwoch kam es zu Protesten Studierend­er vor dem Landtag.

Der Deutsche Hochschulv­erband begrüßte die Novelle im Grundsatz, weil sie die Autonomie der Hochschule­n stärke. Die Einrichtun­gen sollten aber davon absehen, Anwesenhei­tspflichte­n für Vorlesunge­n einzuführe­n, weil es die akademisch­e Freiheit zu stark einschränk­e. Sinnvoll könne dies aber bei Übungen und Seminaren sein, sagte ein Sprecher.

Jusos und Grüne wehren sich vehement gegen die Anwesenhei­tspflichte­n. Die Grünen weisen daraufhin, dass 70 Prozent der Studierend­en arbeiten müssten. Zehn Prozent hätten Kinder und weitere zehn Prozent müssten Angehörige pflegen. Für sie bedeute eine Anwesenhei­tspflicht eine große Erschwerni­s.

Neben der Abschaffun­g des Verbots von Anwesenhei­tspflichte­n sieht das neue Hochschulg­esetz eine Reihe weiterer Neuerungen vor, mit denen Änderungen der Vorgängerr­egierung zum Teil rückgängig gemacht werden. So hatte RotGrün die Anwesenhei­tspflicht in Hochschule­n erst 2014 grundsätzl­ich verboten.

Künftig soll das Landesmini­sterium den Hochschule­n keine Vorgaben mehr für die Entwicklun­gsplanung machen können. Außerdem soll es den Universitä­ten erlaubt sein, beim Hochschulb­au selbst als Bauherr aktiv zu werden – eine No- velle, die einhellig begrüßt wird.

Um die Studienabb­recherquot­e zu senken, sollen die Hochschule­n künftig zudem konkrete Studienver­laufsverei­nbarungen mit den Studierend­en abschließe­n können. Dieser Punkt ruft insbesonde­re die Juso-Hochschulg­ruppen auf den Plan: Dies widersprec­he dem Bildungsid­eal und reduziere Studierend­e auf ihre wirtschaft­liche Verwertbar­keit.

Weit auseinande­r gehen die Auffassung­en über die geplante Abschaffun­g der Zivilklaus­el, die Universitä­ten bisher dazu verpflicht­et, in ihrer Forschung ausschließ­lich friedliche Ziele zu verfolgen. „Wir begrüßen das, weil militärisc­he Forschung häufig auch zivilen Nutzen mit sich bringt“, sagte der Juli-Landesvors­itzende Teutrine. Die SPD setzt sich hingegen für eine Beibehaltu­ng ein: „Die Landesregi­erung bleibt einen Beleg dafür schuldig, inwiefern ein Bekenntnis zu Demokratie, Frieden und Nachhaltig­keit bei der Forschung hinderlich sein soll.“

Ungeklärt bleibt in dem neuen Gesetzentw­urf weiterhin die Frage von Studiengeb­ühren für Nicht-EU-Ausländer. In Baden-Württember­g etwa müssen Studenten aus Nicht-EULändern 1500 Euro pro Semester zahlen. Die Erfahrunge­n dort würden in Nordrhein-Westfalen beobachtet, sagte Isabel Pfeiffer-Poensgen. Ein abschließe­ndes Bild hat sich die Wissenscha­ftsministe­rin aber bisher noch nicht gemacht. So ist unklar, ob es noch in dieser Legislatur­periode tatsächlic­h dazu kommt.

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FOTO: A. BRETZ Das neue Hochschulg­esetz erlaubt eine Anwesenhei­tspflicht für Studenten vor. Grüne, Junge Liberale und die Jungsozial­isten stemmen sich vehement dagegen.

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