Hochschulgesetz in der Kritik
Die Novelle will die Universitäten autonomer machen, erlaubt aber Anwesenheitspf lichten für Studierende.
DÜSSELDORF In NRW formiert sich parteiübergreifend Kritik am neuen Hochschulgesetz. Insbesondere die Jugendorganisationen der Parteien wie die Jungen Liberalen ( Julis) und die Jungsozialisten ( Jusos) bemängeln, dass Hochschulen künftig eine Anwesenheitspflicht der Studierenden einfordern können.
„Wir sind gegen eine Ausweitung der Anwesenheitspflichten“, sagte der Juli-Landesvorsitzende Jens Teutrine unserer Redaktion. Die Studierenden seien mündig genug, um selbst zu entscheiden, ob sie an einer Veranstaltung teilnähmen oder nicht. „Hier steht die Hochschulfreiheit gegen die Freiheit der Studierenden“, so Teutrine. Außerdem gebe es mittlerweile genug digitale Lernmethoden, die eine dauerhafte physische Präsenz überflüssig machten.
Die Julis stellen sich damit gegen ein Gesetzesvorhaben der Landesregierung, das die eigene Mutterpartei FDP unterstützt. Am Vortag hatte das Kabinett das neue Hochschulgesetz von Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) auf den Weg gebracht, das 2019 verabschiedet werden soll. „Die Autonomie und die eigene Gestaltungskraft der nordrhein-westfälischen Hochschulen werden durch ein weiterentwickeltes Hochschulfreiheitsgesetz in den Mittelpunkt gerückt“, hatte Pfeiffer-Poensgen angekündigt. Am Mittwoch kam es zu Protesten Studierender vor dem Landtag.
Der Deutsche Hochschulverband begrüßte die Novelle im Grundsatz, weil sie die Autonomie der Hochschulen stärke. Die Einrichtungen sollten aber davon absehen, Anwesenheitspflichten für Vorlesungen einzuführen, weil es die akademische Freiheit zu stark einschränke. Sinnvoll könne dies aber bei Übungen und Seminaren sein, sagte ein Sprecher.
Jusos und Grüne wehren sich vehement gegen die Anwesenheitspflichten. Die Grünen weisen daraufhin, dass 70 Prozent der Studierenden arbeiten müssten. Zehn Prozent hätten Kinder und weitere zehn Prozent müssten Angehörige pflegen. Für sie bedeute eine Anwesenheitspflicht eine große Erschwernis.
Neben der Abschaffung des Verbots von Anwesenheitspflichten sieht das neue Hochschulgesetz eine Reihe weiterer Neuerungen vor, mit denen Änderungen der Vorgängerregierung zum Teil rückgängig gemacht werden. So hatte RotGrün die Anwesenheitspflicht in Hochschulen erst 2014 grundsätzlich verboten.
Künftig soll das Landesministerium den Hochschulen keine Vorgaben mehr für die Entwicklungsplanung machen können. Außerdem soll es den Universitäten erlaubt sein, beim Hochschulbau selbst als Bauherr aktiv zu werden – eine No- velle, die einhellig begrüßt wird.
Um die Studienabbrecherquote zu senken, sollen die Hochschulen künftig zudem konkrete Studienverlaufsvereinbarungen mit den Studierenden abschließen können. Dieser Punkt ruft insbesondere die Juso-Hochschulgruppen auf den Plan: Dies widerspreche dem Bildungsideal und reduziere Studierende auf ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit.
Weit auseinander gehen die Auffassungen über die geplante Abschaffung der Zivilklausel, die Universitäten bisher dazu verpflichtet, in ihrer Forschung ausschließlich friedliche Ziele zu verfolgen. „Wir begrüßen das, weil militärische Forschung häufig auch zivilen Nutzen mit sich bringt“, sagte der Juli-Landesvorsitzende Teutrine. Die SPD setzt sich hingegen für eine Beibehaltung ein: „Die Landesregierung bleibt einen Beleg dafür schuldig, inwiefern ein Bekenntnis zu Demokratie, Frieden und Nachhaltigkeit bei der Forschung hinderlich sein soll.“
Ungeklärt bleibt in dem neuen Gesetzentwurf weiterhin die Frage von Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer. In Baden-Württemberg etwa müssen Studenten aus Nicht-EULändern 1500 Euro pro Semester zahlen. Die Erfahrungen dort würden in Nordrhein-Westfalen beobachtet, sagte Isabel Pfeiffer-Poensgen. Ein abschließendes Bild hat sich die Wissenschaftsministerin aber bisher noch nicht gemacht. So ist unklar, ob es noch in dieser Legislaturperiode tatsächlich dazu kommt.