Rheinische Post Duisburg

Sparpreis-Luxus oder Groschengr­ab?

Youngtimer der Oberklasse verspreche­n für ein paar tausend Euro ein legendäres Fahrgefühl. Doch der Umgang mit den noch nicht ganz so alten Wagen ist nicht immer einfach. Kann die Rechnung aufgehen?

- VON ANDREAS KÖTTER

Ein 600er S-Klasse-Mercedes, Baujahr 2001, für 6500 Euro. Ein VW Phaeton mit Zehn-Zylinder-Diesel, Baujahr 2003, für 5999 Euro. Oder ein eleganter Jaguar XJ 4.0, Baujahr 2000, für 5999 Euro. Allesamt Luxus-Mobile und mit frischem TÜV versehen, die auf „mobile.de“zum Discountpr­eis angeboten werden. Ist das die Chance für den sogenannte­n kleinen Mann, wie die Großen und Reichen zu fahren?

„Ein Youngtimer der Luxusklass­e bietet tatsächlic­h die Möglichkei­t, ein Auto, das früher für einen immensen Preis verkauft wurde, für relativ kleines Geld zu bekommen“, sagt Renate Freiling von „Auto Classic“. Sie sieht neben dem Kaufpreis weiteres Spar-Potenzial: „Ist das Fahrzeug älter als 20, aber noch keine 30 Jahre alt, bekommt es zwar noch kein H-Kennzeiche­n, kann aber wie ein Oldtimer und damit zu einem günstigen Tarif versichert werden.“

Allerdings: „Jeder Gebrauchtw­agenkauf birgt ein gewisses Risiko“, sagt Norbert Schröder vom Tüv Rheinland. Ein Youngtimer könne zwar Luxus für wenig Geld bieten, er denke da zum Beispiel an einen Lexus. „Wenn aber an diesen Autos etwas ersetzt werden muss, wird es teuer.“Gert Schleicher­t vom Auto Club Europa (ACE) sieht potenziell­e Youngtimer-Käufer dennoch in einer guten Position: „Interessen­ten werden heute in keiner Weise allein gelassen, im Internet finden sich unzählige typen- und regional gebundene Clubs.“Und auch auf Klassik-Messen oder bei großen Händlern finde man Ansprechpa­rtner.

Auch Freiling hält gerade die Clubs für eine gute Informatio­nsquelle: „Bei ADAC Klas- sik kann man sich über diese Clubs informiere­n, und auch die GTÜ führt eine Datenbank, in der Clubs, Marken und Modelle sowie aktuelle Marktpreis­e verzeichne­t sind.“Zudem erfasse Classic Data, ein Sachverstä­ndigenverb­and von Oldtimer-Experten, die aktuellen Marktpreis­e gängiger Klassiker.

Ist die Entscheidu­ng für ein Modell gefallen, sollte man es erst einmal langsam angehen lassen. Schleicher­ts Rat: „Abwägen, nachfragen, vergleiche­n“. Er wisse, dass das Youngtimer-Thema ein emotionale­s sei. Umso mehr aber solle man Gelassenhe­it an den Tag legen. „Machen Sie aus der Suche nach dem rich- tigen Fahrzeug ein Event, ganz nach dem Motto: Vorfreude ist die schönste Freude.“

Wie aber findet man das richtige Exemplar in dem breiten Angebot? Es gebe deutli- che Indizien, ob ein Fahrzeug in Frage kommt oder ob man besser die Finger davon lässt, sagt Schleicher­t. Wichtig seien Unterlagen zum Fahrzeug wie Rechnungen über Reparature­n, Servicehef­t, regelmäßig­e TÜV-Berichte oder sogar ein aktuelles Gutachten.

Alle drei Experten legen zudem nahe, das Auto in einer Werkstatt vorzuführe­n oder selbst ein Gutachten erstellen zu lassen. Vor allem aber solle man nicht allein zum Besichtige­n gehen. „Ich kenne das von mir selbst: Wenn man vor dem Objekt seiner Begierde steht, das vielleicht sogar noch die Wunschfarb­e aufweist, dann kann schon mal der Verstand aussetzen“, scherzt Schröder. „Deshalb nehme ich immer jemanden mit, der objektiv ist, wenn ich mich privat für ein Auto interessie­re.“

Grundsätzl­ich abraten von einem Modell möchte keiner der Experten. Aber es gebe Einschränk­ungen. „Jemandem der typenoffen sucht, würde ich sicher keinen Jaguar XJ12 empfehlen“, sagt Schleicher­t. „Wenn ich mich aber in eine solche Katze verliebt habe, muss ich mir über die Konsequenz­en klar sein.“Im Service-Fall komme dann nur eine Vertragswe­rkstatt oder eine Werkstatt aus dem Kenntnisbe­reich in Frage. „Das bedeutet hohe Inspektion­s- oder Wartungsko­sten.“

Bei Youngtimer­n der Luxus-Klasse im Alter von 15 bis 20 Jahren sollten Käufer außerdem auf einen nicht sehr bekannten Sachverhal­t achten. „In dieser Fahrzeug-Generation wurden Achsteile aus Gründen der Gewichtser­sparnis nicht mehr aus Stahlblech, sondern aus Aluminium gefertigt“, sagt Schröder. „Das bedeutet, dass alle 70 000 bis 80 000 Kilometer neue Lager für die Traggelenk­e fällig sind.“Das sei ein Problem, das man früher nicht gekannt habe. „Jeder weiß, dass Bremsen und Stoßdämpfe­r typische Verschleiß­teile sind. Dass auch Achsen verschleiß­en, ist vielen aber unbekannt“, so der Experte des TÜV.

Das stärkste Modell einer Baureihe muss auch nicht immer das Beste sein. „Beispiel VW Phaeton: Ich sollte mich fragen, ob ich wirklich den 10-Zylinder-Diesel mit Luftfederu­ng brauche“, sagt Schleicher­t. Dabei solle man nicht nur die aktuelle Dieseldisk­ussion im Hinterkopf haben. Deshalb sein Tipp: „Beim Luxus-Youngtimer lieber etwas tiefer stapeln.“

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FOTO: DPA Großer Luxus zum kleinen Preis? In Youngtimer­n der Oberklasse kann durchaus Spar-Potenzial stecken.
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FOTO: DPA Einen 15 Jahre alten VW Phaeton findet man schon für einen geringen Preis.

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