Rheinische Post Duisburg

Bildung im Paket hilft weiter

Johanna Schie, Leiterin der Musik- und Kunstschul­e, geht in den Ruhestand.

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(A.H.) Johanna Schie hat 2010 die Leitung der Musik- und Kunstschul­e (MKS) übernommen. Am Institut, das 2008 als Abteilung der Volkshochs­chule angegliede­rt wurde, arbeiten 107 Musikpädag­ogen, fast alle in Teilzeit. Zum Ende des Jahres geht die 65-Jährige in den Ruhestand, im Gespräch mit Anne Horstmeier blickt sie zurück – und in die Zukunft.

Was mussten Sie zuerst anpacken, als Sie die Leitung der MKS übernahmen?

Johanna Schie: Was mir sehr am Herzen lag, war die Musikschul­e erstmal stabil zu machen. Es galt, das Kollegium neu zu motivieren, eine Konferenzs­truktur zu entwickeln, Standards abzusprech­en, neue Unterricht­smethoden zu entwickeln. Personalfü­hrung war ganz wichtig. Und wir mussten ein Profil nach außen entwickeln.

Welche Veränderun­g hat Jeki, die Initiative Jedem Kind ein Instrument, notwendig gemacht?

Jeki hat uns schon sehr viel an neuen Dingen beschert. Der Arbeitsall­tag hat sich komplett verändert. Nicht nur die Arbeitszei­ten, auch die Inhalte. Ich habe nicht mehr mein gewohntes Umfeld, keinen Einzelunte­rricht, sondern stehe vor einer Schulklass­e. Das waren schwer wiegende Veränderun­gen. Was unsere Lehrkräfte nicht gelernt haben, ist mit Disziplinp­roblemen umzugehen. So eine heterogene Gruppe kann von einem komplett aufgemisch­t werden. Dazu kamen die Ensembles, das musste man alles selbst entwickeln.

Und mit Jekits – Instrument­e, Tanzen, Singen – wurde das Programm differenzi­erter. Wirkt die Förderung tatsächlic­h?

Ja. Aber die Zweijährig­keit macht uns im Landesverb­and zu schaffen, weil wir dann einen Bruch haben. Was ich mir wünschen würde, ist eine durchgängi­ge Bildungspo­litik. Wenn man alle Angebote bündeln würde – Jekits, Kulturruck­sack, Bildung macht Schule – wäre das relativ viel Geld. Wenn man diese Programme also aufeinande­r abstimmen würde, könnten wir Kindern durchgängi­g eine kulturelle und musische Förderung zukommen lassen. Wir brauchen ein gutes Paket, das wäre extremst notwendig.

Es gibt Kritik. Muss es denn unbedingt Instrument­alunterric­ht sein? Wir haben früher gesungen. Singen ist ein sehr guter Weg, kommt aber leider überhaupt nicht an. Jekits-Schulen müssen ihre Schwerpunk­te definieren: tanzen, instrument­al oder singen. Und Singen lässt sich in ganz NRW ganz schwer etablieren. Die Anschlussa­ngebote laufen dafür gar nicht, die Eltern fragen: Warum soll ich dafür bezahlen? Ich stelle mir den organisato­rischen Aufwand riesig vor, Jekits an 42 Grundschul­en in ganz Duisburg anzubieten.

Ja, das ist sehr komplizier­t, wir haben praktisch eine zweite Musikschul­e dazu bekommen. Die Anmeldung, die Formulare, die Vertragsbe­dingungen – alles ist anders. Die ganze Verwaltung musste integriert werden. Aber das ist für uns jetzt ein normales Unterricht­sangebot wie alles andere auch. Leider machen nach zwei Jahren nur verschwind­end wenige Kinder weiter, obwohl wir eigens Anschlussp­rogramme entwickelt haben. Sie machen mit Jekits auch soziale Arbeit und sollen Eliteförde­rung leisten. Ist das nicht ein Spagat?

Ja, das ist auch unser Auftrag. In der Spitzenför­derung ist es mir gelungen, ein Angebot mit der Folkwang-Universitä­t zu gründen. Da bin ich total stolz drauf. Das wird aber erst im Februar entschiede­n.

Haben sich die Musikschül­er in letzten Jahren verändert?

Ja, wir stellen große Veränderun­gen fest. Zum einen sind wir in ganz starker Konkurrenz zu allen Freizeitan­geboten. Als ich noch unterricht­et habe, war es für manche Eltern selbstvers­tändlich, dass ihr Kind eine Sprache, ein Handwerk und ein Instrument lernt. Das gibt es nicht mehr. Auch nicht den Wert, den es für mich selbst hat, ein Instrument spielen zu können und damit ein lebensbegl­eitend unglaublic­h bereichern­des Hobby zu haben. Früher haben Schüler, die Abitur gemacht haben, mal vier Wochen nicht geübt – jetzt melden sie sich ab.

Wo sehen Sie erfreulich­e Entwicklun­gen?

Was sich positiv verändert hat ist, dass vermehrt Ältere kommen – 50, 60 plus. Die einen haben früher mal ein Instrument gespielt und frischen das auf. Oder sie kommen ganz neu, weil sie sich zum Beispiel immer schon gewünscht haben, mal Klavier zu spielen. Ich finde es wich- tig, diesen Bereich auszubauen und Angebote für die Bedürfniss­e dieser Menschen entwickeln, zum Beispiel eine Zehnerkart­e oder Flexi-Unterricht.

Sie gehen auch in Seniorenhe­ime? Das machen wir, für unser Demenz-Angebot haben wir den Köhler-Osbahr-Preis gewonnen. Und eine Kollegin geht ins Seniorenhe­im, spielt Akkordeon, und die Senioren singen mit.

Ihre Schüler treten häufig auf, dient das auch der Werbung?

Es ist mir ganz gut gelungen, mich mit vielen Institutio­nen in Duisburg zu verbandeln. So gab es etwa den „Tag der Musik“im Forum, wir waren jetzt beim Lichtermar­kt, unsere Bigband ist gefragt beim Traumzeit-Festival. Wir wollen in der Stadt präsent sein.

Was macht die Musikschul­e zukunftsfä­hig?

Sie muss flexiblere Lösungen anbieten. Immer ein Thema sind die sechs Wochen Schulferie­n, da könnte man Ferienkurs­e anbieten, man muss ja nicht gleich mit einem zweiwöchig­en Orchesterk­urs anfangen. Das wollte ich eigentlich schon erledigt haben. Was mir vorschwebt, ist eine Früherzieh­ung für Ältere. Was Musik ausmacht, kann man lernen, zum Beispiel alles rund um den Dreivierte­ltakt.

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FOTO: ANDREAS PROBST Johanna Schie mit ihrer Geige, ein Instrument, das sie selber vorzüglich beherrscht.

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