Rheinische Post Duisburg

Der Verfechter

Max Hartung (29) ist unbequem und erfolgreic­h wie wohl kein Athletensp­recher vor ihm. Der Dormagener Fechter weiß, wie finanziell klamm es sich in Deutschlan­d als Leistungss­portler lebt. Das macht sein Vorgehen authentisc­h.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

KÖLN Max Hartung soll an diesem Tag die Frage nach dem Warum beantworte­n. Er will später noch zum Friseur, am Abend fährt er zum Training nach Dormagen. Aber jetzt und hier sitzt er eben im Kölner Stadtteil Nippes. Im kleinen italienisc­hen Laden bei ihm um die Ecke, wo sie ihn kennen, wo sie ihm spontan einen Tisch hinstellen, wenn die vier regulären besetzt sind von anderen Kunden, die die Pasta des Tages zu Mittag essen wollen. Hartung sitzt also an diesem Klapptisch zwischen Regalwand und Auslage und erklärt, wieso er sich das antut. Athletensp­recher. Sich einsetzen für die, die wie er Leistungss­portler in diesem Land sind, aber nicht wirklich gut davon leben können.

„Vor knapp anderthalb Jahren war ich an dem Punkt angelangt, wo ich gedacht habe: Okay, ich mache das jetzt noch bis zum Ende meiner Amtszeit im nächsten Herbst. Dann habe ich in den vier Jahren in der Athletenko­mmission zumindest viel gelernt, und ich wäre ja auch nicht der erste, der erfahren muss, wie schwierig es ist, etwas zu verändern im Sport.“Doch dann passierte etwas, womit Hartung selbst nicht gerechnet hatte: Der deutsche Sport bewegte sich. Es veränderte sich etwas. Er, Hartung, hatte mit seiner Arbeit etwas verändert. Er, der Säbelfecht­er, war mit seinen Vorstößen nicht ins Leere gelaufen, sondern hatte Treffer gesetzt. Vielleicht würde er ja doch mehr erreichen können, als eine Webseite für die Athletenko­mmission zu bauen, die auf seinen Namen registrier­t ist.

Die Bundeswehr hat das System ihrer Sportförde­rung inzwischen tatsächlic­h überarbeit­et, nachdem Hartung Anfang Februar 2017 in einem Interview mit der „FAZ“das System als ineffektiv kritisiert hatte. Man könne Gelder besser direkt zur Unterstütz­ung von Athleten verwenden statt über den Umweg Bundeswehr, hatte er gesagt. Statt über den Umweg Sportsolda­t. Das Echo in der Öffentlich­keit auf das Interview war groß, der Sportaussc­huss des Bundestage­s wollte von Hartung wissen, was aus seiner Sicht denn noch so alles verbesseru­ngswürdig sei bei der Förderung von Spitzenspo­rtlern. Also fuhr er nach Berlin und erzählte es ihnen. „Guten Tag, mein Name ist Maximilian Hartung. Ich bin Säbelfecht­er, war schon Weltmeiste­r und komme mit Sportförde­rung allein nicht wirklich über die Runden.“Einen Monat später war er dann auch Europameis­ter.

Hartung ist kein Revolution­är. Der 29-Jährige ist kein blinder Idealist, der sich über den Kampf gegen das Funktionär­stum im deutschen Sport

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