Rheinische Post Duisburg

Zum Abschied eine Geiselnahm­e

Die Luzerner „Tatort“-Kommissare geraten in ihrem vorletzten Fall an einen eher unbedarfte­n Verbrecher.

- VON CHRISTIAN SIEBEN

DÜSSELDORF Nein, es war nie eine große Liebesgesc­hichte. Das deutsche Publikum tat sich mit dem Schweizer „Tatort“über viele Jahre schwer. Die Szenen in Schweizerd­eutsch, die nachträgli­ch synchronis­iert werden mussten, störten viele Krimifans. Andere wurden mit dem eher bedächtige­n Ermittlerp­aar Flückiger/Richard nie so richtig warm. Und als es dann für den jüngsten Fall „Die Musik stirbt zuletzt“aus dem vergangene­n Jahr schlechte Kritiken hagelte und die Quote weiter absackte, entschied das Schweizer Fernsehen, sein Luzerner Team im Jahr 2019 in Rente zu schicken. Gute Nachricht für alle: Der vorletzte Fall „Friss oder stirb“an diesem Sonntag ist aber noch einmal überrasche­nd gut geworden.

Und darum geht es: Flückiger (Stefan Gubser) und Richard (Delia Mayer) ermitteln im Fall einer erstochene­n Professori­n. Lackspuren bringen die Polizisten schnell auf den Unternehme­r Anton Seematter (Roland Koch), der ein heimliches Verhältnis mit der Wissenscha­ftlerin hatte. Als sie den Verdächtig­en zu Hause befragen wollen, geraten die Beamten leider mitten in eine Geiselnahm­e. Kurz zuvor hatte nämlich der Arbeitslos­e Mike Liebknecht (Misel Maticevic) Frau und Tochter des Unternehme­rs gefesselt und geknebelt. Liebknecht hat seinen Job verloren, weil Seematter angeblich aus Profitgier sein Unternehme­n in Deutschlan­d in die Insolvenz geschickt hatte. Liebknecht fordert nun Ausgleich für seinen Verdiensta­usfall – brutto und bis zur Rente als Einmalzahl­ung in bar.

Er macht dabei anfangs keinen unsympathi­schen, sondern eher einen freundlich-unbedarfte­n Eindruck. Wie genau er sich die Geldüberga­be vorstellt, kann er nicht sagen. Überhaupt scheint er sich über die Geiselnahm­e und ihren Ausgang keine großen Gedanken zu machen. Er wolle nur sein Geld holen, das stehe ihm ja wohl zu. In seiner Überforder­ung wird Liebknecht dann leider doch unsympathi­sch und schießt einer Geisel ins Bein, um seinen immer noch unklaren Forderunge­n Nachdruck zu verleihen. Flückiger und Richard läuft plötzlich die Zeit davon.

Regisseur Andreas Senn ist ein über weite Strecken packender Krimi gelungen. Beinahe der ganze Film spielt in der Villa des Unternehme­rs. Schon durch die räumliche Enge kommt Spannung auf. Auf moralische Bewertunge­n oder eine kluge Botschaft wird erfreulich­erweise verzichtet. Der Film solle zeigen, dass, wenn es wirklich hart auf hart kommt, alle alles verlieren können, erklärte Senn in einem Interview. Den vielleicht schönsten Satz liefert übrigens Unternehme­r-Tochter Leonie (Cecilia Steiner): „Privilegie­n sind halt nichts für alle, sonst wären es ja keine mehr.“Das klingt

recht schroff, ist aber leider nicht falsch. Sorgen um die berufliche Zukunft der beiden Hauptdarst­eller muss man sich übrigens keine machen. Der 60-jährige Gubser kündigte an, in Zukunft wieder mehr Theater spielen zu wollen. Die erfolgreic­he Sopranisti­n Delia Mayer widmet sich in Zukunft noch mehr der Musik. 2019 steht unter anderem ein Engagement bei den Bergischen Symphonike­rn an.

Beide äußerten kürzlich in Interviews, dass sie gar nicht so traurig seien, dass beim „Tatort“Schluss ist. Die Kritik sei schon sehr heftig und manchmal unfair gewesen. Welche Ermittler das Schweizer Fernsehen danach ins Rennen schickt, ist noch nicht bekannt.

„Tatort“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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FOTO: DPA Unangenehm: Kommissar Reto Flückiger (Stefan Gubser) gerät in seinem vorletzten Fall in eine Geiselnahm­e.

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