Mord verjährt nicht
Die sogenannten Cold-Cases-Profiler des Landeskriminalamts haben bislang erst wenige alte Ermittlungen wieder aufnehmen können. Eine Datenbank mit ungelösten Fällen befindet sich bereits seit einem Jahr im Auf bau.
DÜSSELDORF Claudia Ruf aus Hemmerden in Grevenbroich wurde 1996 umgebracht. Die damaligen Ermittler erhielten zwar viele Zeugenhinweise, der Mörder des elfjährigen Mädchens konnte aber bis heute nicht gefasst werden. Doch nun, fast 23 Jahre nach dem Mord, kommt noch einmal Bewegung in die Ermittlungen. Mordermittler und Profiler des Landeskriminalamtes (LKA) knöpfen sich den Fall noch einmal vor, nachdem ein neuer Ermittlungsansatz vorliegt, über den man sich aber aus taktischen Gründen noch nicht äußern will.
Vor einem Jahr hat man beim LKA damit begonnen, eine Datenbank mit ungelösten Mord- und besonderen Vermisstenfällen aufzubauen, den sogenannten Cold-Cases, den „kalten Fällen“, die bis in die 1970 Jahre zurückreichen. Eine offenbar ziemlich zeitintensive Arbeit. „Die Einrichtung dieser Cold-Cases-Datenbank befindet sich auch derzeit noch im Aufbau“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen.
Die Täter von damals können auch heute noch ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Denn im Gegensatz zu Totschlag verjährt Mord nicht. Und deswegen werden die Mordakten nun auch vermehrt wieder hervorgeholt. „Man hat heute ganz andere technische Möglichkeiten, um einen Täter zu überführen“, sagt Erich Rettinghaus, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in NRW. „Und der Einsatz dieser Instrumente kann nun zum Erfolg führen, der den Ermittlern vor 30 oder 40 Jahren verwehrt blieb“, so Rettinghaus.
Die alten Ermittlungsakten aus den Archiven der Kreispolizeibehörden müssen dafür digitalisiert werden. Bis zu 900 Fälle sollen schon gespeichert sein. „Bereits in der Aufbauphase der Cold-Cases-Datenbank konnten in einigen wenigen Fällen Tatzusammenhänge erkannt und Wiederaufnahmen von Ermittlungen initiiert werden“, sagt Scheulen. Neben dem Fall Claudia Ruf gilt das unter anderem für die Ermittlungen in der Vermisstensache Deborah Sassen, die ebenfalls vor fast 23 Jahren auf dem Heimweg von einer Grundschule in Düsseldorf verschwand, und der vor 40 Jahren in Velbert nach einem Discobesuch ermordeten Regina Neudorf. Aber die Arbeit der NRW-Profiler geht auch über die Ländergrenzen hinaus. So haben sie zum Beispiel bei der Aufklärung des Mordes an der zehnjährigen Stephanie in Thüringen mitgewirkt.
Mit der Arbeit der Profiler, die man aus Fernsehserien kennt, hat die Realität nichts zu tun. Sie sind weder Einzelkämpfer noch lösen sie ihre Fälle innerhalb weniger Tage. Und auch die Aufklärungsquote liegt nicht – wie im TV – bei 100 Prozent.
Das Profiler-Team des LKA besteht aus elf Ermittlern, bei denen es sich ausschließlich um erfahrene Kriminalbeamte handelt, die zuvor über viele Jahre hinweg in Tötungs- und Sexualdelikten ermittelt und in Mordkommissionen eingesetzt gewesen sind. Eine Vorerfahrung, die zwingend notwendig sei, um die „kalten Fälle“wieder öffnen