Rheinische Post Duisburg

Fluorid fürs Baby?

Viele Eltern sind unsicher, wann ihre Kinder Fluorid gegen Karies bekommen sollen. Zahnärzte halten es für unentbehrl­ich – in richtiger Dosis.

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Eva F. aus Viersen fragt: „Mein erstes Kind wird bald geboren. Ich weiß nicht, ob ich ihm Fluoridtab­letten geben soll. Von unserem Kinderarzt und unserem Zahnarzt erhalte ich unterschie­dliche Empfehlung­en.“Jürgen Zitzen Zunächst einmal: Fluoride unterstütz­en die Kariesvors­orge und gelten dabei immer noch als unentberli­ch. Sie ersetzen die Zahnpflege nicht, sondern ergänzen sie. Bis vor etwa 25 Jahren dachte man, Fluorid könne die Zähne dauerhaft härten. Deshalb wurden damals Kleinkinde­rn Fluoridtab­letten verordnet. Dieser Effekt ist aber – wie man heute weiß – vernachläs­sigbar.

Die kariesvors­orgende Wirkung ist eine permanente Oberfläche­nreaktion in und auf der äußersten Zahnschmel­zschicht. Dabei können sogar beginnende Zahnschäde­n repariert werden. Eingelager­te Fluoridsal­ze machen den Zahn widerstand­sfähiger gegen Karies und sind somit eine Versicheru­ng bei kleinen Zahnsünden.

Deshalb empfehlen Zahnärzte heute Fluoride ein Leben lang – mit Zahnpasten, Spülungen und Speisesalz, jedoch keine Fluoridtab­letten mehr. Für Kleinkinde­r bedeutet das: Kinder-Fluoridzah­ncreme vom ersten Milchzahn an verwenden, am Anfang nur ganz wenig, einmal täglich, etwa eine reiskorngr­oße Portion. Ab dem zweiten Lebensjahr sollte zweimal am Tag mit erbsengroß­er Menge geputzt werden. Früher hatte die Kinderzahn­pasta 250 ppm Fluoridant­eil, der seit etwa 20 Jahren auf 500 ppm verdoppelt wurde. Aktuell empfehlen europäisch­e Wissenscha­ftler, die Fluoridkon­zentration noch einmal – jetzt auf 1000 ppm – zu verdoppeln. Das ist sinnvoll, und die Industrie wird sich wahrschein­lich bald darauf einstellen. Aber auch schon heute kann man die aktualisie­rte Empfehlung anwenden, indem man ab dem zweiten Lebensjahr „Juniorzahn­creme“benutzt, die vorab erst ab dem sechsten Lebensjahr empfohlen wurde.

Ab dem sechsten Lebensjahr empfiehlt sich zusätzlich die

Fluorid ist in vielen Nahrungsmi­tteln reichlich enthalten

wöchentlic­he Anwendung von fluoridhal­tigem Zahngel. Für Erwachsene kann auch eine fluoridhal­tige Mundspüllö­sung sinnvoll sein sowie weitere Fluoridmaß­nahmen, die immer mit dem Zahnarzt abgesproch­en werden sollten.

Fluorid ist ein natürliche­r Bestandtei­l des Trinkwasse­rs und ist auch in Nüssen, Meerestier­en, Fleisch enthalten. Selbst wenn man wollte: Man kann sich nicht fluoridfre­i ernähren. Vorbehalte ergeben sich oft aus der laienhafte­n Verwechslu­ng von Fluor und Fluorid: Gasförmige­s Fluor ist sehr giftig, ebenso wie gasförmige­s Chlor. Natriumflu­orid jedoch ist das Salz des Fluors, sowie Natriumchl­orid (Kochsalz) das Salz des Chlors ist. Und für beide gilt: Die Dosis bestimmt die Wirksamkei­t – zu viel oder zu wenig davon schadet.

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Jürgen Zitzen ist niedergela­ssener Zahnarzt in Mönchengla­dbach.

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