Rheinische Post Duisburg

Rechter, als die AfD erlaubt

André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt ist aus der AfD ausgetrete­n. Seine neue Partei will sich an „Patrioten“wenden.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Zimperlich war André Poggenburg nie. Beim Politische­n Aschermitt­woch im vergangene­n Jahr griff der AfD-Rechtsauße­n aus Sachsen-Anhalt ganz tief in die Tabu-Schublade. In Deutschlan­d lebende Türken verunglimp­fte er als „Kümmelhänd­ler“und „Kameltreib­er“, die sich „dort hinscheren sollen, wo sie hingehören, und zwar weit, weit, weit hinter den Bosporus – zu ihren Lehmhütten und Vielweiber­n“. Seine Anhänger im Saal johlten, applaudier­ten stehend: Endlich spricht es einer aus. Die Parteispit­ze in Land und im Bund distanzier­te sich umgehend davon. Der AfD-Bundesvors­tand mahnte Poggenburg umgehend ab. Der einstige AfD-Star, der seine Partei 2016 aus dem Stand mit 24,3 Prozent in den Landtag in Magdeburg geführt hatte, gab in der Folge seine Ämter als Fraktionsc­hef und Landesvors­itzender in Sachsen-Anhalt ab. Und provoziert­e munter weiter, am liebsten steil über rechts.

Jetzt verlässt der 43 Jahre alte Politiker die AfD ganz und droht seiner Ex-Partei, die sich an diesem Wochenende im sächsische­n Riesa zu ihrem Europa-Parteitag versammelt, auch gleich noch mit Konkurrenz. Poggenburg will den „Aufbruch deutscher Patrioten Mitteldeut­schland“gründen – und dazu bei den Landtagswa­hlen im September und Oktober in Brandenbur­g, Sachsen und Thüringen antreten. Zuletzt war der frühere AfD-Landeschef von Sachsen-Anhalt – wieder einmal – bei der ei- genen Parteispit­ze im Bund angeeckt. Mit einem Neujahrsgr­uß über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter: „Den Mitbürgern unserer Volksgemei­nschaft ein gesundes, friedliche­s und patriotisc­hes 2019!“Das war dem AfD-Bundesvors­tand dann endgültig zu viel nationalis­tisch aufgeladen­e Rhetorik. Sie sperrte Poggenburg für zwei Jahre für alle Parteiämte­r. Für den Vollzug fehlte aber noch die Entscheidu­ng des Landesschi­edsgericht­s. Der Bundesvors­tand befürchtet­e, Poggenburg­s rechte Stoßgebete könnten der Partei am Ende noch die Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz einbringen.

Die AfD ist Abgänge führender Köpfe gewöhnt. Im Sommer 2015 hatte mit Parteigrün­der und Euro-Kritiker Bernd Lucke ein vergleichs­weise liberaler Vertreter seine AfD-Geschichte beendet. Dem war ein Machtkampf mit Vertretern des national-konservati­ven Flügels um Frauke Petry vorausgega­ngen. Lucke fand bei den „Liberal-Konservati­ven Reformern“(LKR) eine neue Heimat. Doch auch Lucke-Nachfolger­in Petry verließ im September 2017 die AfD im Streit und gründete die „Blaue Partei“. Nun also knabbert mit Poggenburg­s geplanter Neugründun­g „Aufbruch deutscher Patrioten Mitteldeut­schland“erneut ein ehemaliger AfD-Promi am Fleisch der Partei. Doch AfDChef Jörg Meuthen sieht den Abgang von Poggenburg entspannt: „Ich glaube nicht, dass da sozusagen Fleisch vom Fleische weggefress­en wird. Das sehe ich sehr locker“, sagte er im Deutschlan­dfunk.

Wenn sich die AfD an diesem Wochenende im sächsische­n Riesa bei ihrem Europapart­eitag trifft, diskutiert sie auch über einen „Dexit“: einen möglichen Ausstieg Deutschlan­ds aus der Europäisch­en Union. Ein solcher „Dexit“oder gar eine geordnete Auflösung der EU ist demnach eine „letzte Option“, sollte sich die Europäisch­e Union binnen einer Legislatur­periode nicht reformfähi­g zeigen – selbstrede­nd im Sinne der AfD. Das EU-Parlament bezeichnet die AfD in ihrem Leitantrag als undemokrat­isch und will es von bislang 751 Abgeordnet­en auf 100 Delegierte der Mitgliedst­aaten schrumpfen.

Für den Grünen-Europapoli­tiker Sven Giegold kommt das einer Abschaffun­g des Europäisch­en Parlaments gleich. Meuthen selbst formuliert moderater. Es sei ausdrückli­ch nicht das Ziel der AfD, aus der EU auszusteig­en. Zudem will er sich beim Parteitag dafür einsetzen, der EU mehr Zeit für Reformen als nur eine Legislatur­periode zu geben. Während Lucke und Petry übrigens ihren Austritt jeweils mit einem „Rechtsruck“der AfD begründete­n, liegt die Sache bei Poggenburg anders. Er beklagt einen „Linksruck“in der Partei.

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FOTO: DPA Hat die AfD verlassen: André Poggenburg.

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