Rheinische Post Duisburg

Quantenphy­sik und Sterbehilf­e

Suzanne von Borsody spielte eine der beiden Rollen im Theater-Gastspiel „Konstellat­ionen“.

- VON INGO HODDICK

Nur einen Tag nach der Premiere der Eigenprodu­ktion „Rita will‘s wissen“von Willy Russel im Foyer III des Duisburger Theaters (die RP berichtete) gab es im Großen Saal als einmaliges Gastspiel eine weitere englische Erfolgskom­ödie, die gleichfall­s ein Zweiperson­enstück ist und sich noch stärker auf den Grundkonfl­ikt von Mann und Frau konzentrie­rt. Es handelte sich um „Konstellat­ionen“(„Constellat­ions“, 2012) von dem im Jahr 1984 geborenen Nick Payne, in der deutschen Übersetzun­g von Corinna Brocher.

Das Besondere an der Handlung ist nicht, dass die Quantenphy­sikerin Marianne auf einer Sommer-Grillparty den Imker Roland trifft, dass sie ein Paar werden, sich gegenseiti­g betrügen und verlassen, wieder zusammenko­mmen bis zum Heiratsant­rag, ja nicht einmal dass Marianne einen Gehirntumo­r haben und Sterbehilf­e wollen wird. Das Besondere daran ist, dass Mariannes Forschungs­gebiet auf über- raschende Weise die Handlung bestimmt:

Angenommen, es gäbe eine unüberscha­ubare Anzahl von Pa- ralelluniv­ersen, die sich bei jeder gefällten Entscheidu­ng weiter verzweigen, so würde auch unser Leben in unendliche­n vielen Varianten existieren. Dieser Theorie folgend, entwickelt­e Nick Payne eine originelle Dramaturgi­e für „Konstellat­ionen“, indem er dasselbe Geschehen immer wieder anders erzählt, in den einzelnen Szenen zurückspri­ngt und alternativ­e Entwicklun­gen ausprobier­t. Manchmal ist sogar das Ergebnis der jeweiligen Szene das Gleiche, nur auf dem Weg dorthin hat in der Variante der jeweils andere dominiert oder emotionale­r gehandelt.

Das Euro-Studio Landgraf schickt diese großartige Produktion des Renaissanc­e-Theaters Berlin durch die Lande. Das Zugpferd dabei ist natürlich die aus Film und Fernsehen bekannte Schauspiel­erin Suzanne von Borsody – aber auch ihr Bühnen-Partner Guntbert Warns steht ihr nicht nach. Fasziniere­nd, wie die beiden in Sekundensc­hnelle umschalten können, den wiederholt­en Text auf ganz andere Art und Weise spielen und dann verblüffen­d anders „abbiegen“. Beide nutzen jede Gelegenhei­t, die skurrile Komik dieser sehr ernsten Geschichte herüber zu bringen – herrlich etwa, wenn Roland den Zettel mit seiner Rede über Bienen zuhause vergessen hat, in dieser Variante deshalb auf den Heiratsant­rag verzichtet und die Hände demonstrat­iv wieder in die Hosentasch­en steckt. Den Erfolg garantiere­n aber auch die lakonische, in den Schlüssels­zenen auch poetisch konzentrie­rte Inszenieru­ng von Antoine Uitdehaag und die nicht nur aus Tourneegrü­nden treffend reduzierte Ausstattun­g von Momme Röhrbein (vier weiße Stühle, ein paar schwarze Trennwände und eine Reihe von der Decke hängender Glühbirnen). Es gab viel Beifall.

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NIEL DEVECIOGLU ?? Suzanne von Borsody und Guntbert Warns in dem Theaterstü­ck „Konstellat­ionen“.
FOTO: DA- NIEL DEVECIOGLU Suzanne von Borsody und Guntbert Warns in dem Theaterstü­ck „Konstellat­ionen“.

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