May verliert Brexit-Abstimmung – „das ist ein bitterer Tag für Europa“
Niederlage auf ganzer Linie: Es gibt keine Mehrheit für den Brexit-Deal im britischen Unterhaus. Labour stellt Misstrauensantrag gegen May.
LONDON (dpa/RP) Das britische Parlament hat das zwischen Brüssel und London ausgehandelte Brexit-Abkommen abgelehnt. Mit 432 zu 202 Stimmen votierten die Abgeordneten am Dienstagabend in London gegen den Deal von Premierministerin Theresa May. Für die 62-Jährige ist das die wohl größte Niederlage in ihrer politischen Karriere. Die oppositionelle Labour-Partei stellte sofort nach der Abstimmung einen Misstrauensantrag gegen die Regierung. May bot an, sich dem schon an diesem Mittwoch zu stellen.
Der Machtkampf zwischen der Regierung und dem Parlament über den Brexit-Kurs dürfte sich nun noch weiter verschärfen. Großbritannien will die Europäische Union bereits am 29. März verlassen. Gibt es bis dahin keine Einigung, droht ein Austritt aus der Staatengemeinschaft ohne Abkommen. Für diesen Fall wird mit chaotischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche gerechnet. Trotzdem legte das britische Pfund nach der verheerenden Niederlage und dem Misstrauensantrag zu.
„Das Unterhaus hat gesprochen und die Regierung wird zuhören“, kündigte May nach der Abstimmung an. Zuvor hatte sie noch leidenschaftlich für das von ihr ausgehandelte Abkommen mit der EU geworben. „Eine Stimme gegen diesen Deal ist eine Stimme für nichts mehr als Unsicherheit, Spaltung und das sehr reale Risiko eines ‚No Deal’“, sagte sie. Labour-Chef Jeremy Corbyn sprach von einer katastrophalen Niederlage und dem größten Scheitern einer Regierung seit den 1920er Jahren.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sieht nach dem Scheitern des Abkommens im britischen Parlament das wachsende Risiko eines ungeordneten Brexits. „Auch wenn wir eine solche Situation nicht wünschen, wird die Kommission an Maßnahmen für den Ernstfall arbeiten, um dafür zu sorgen, dass die EU vollständig vorbereitet ist“, betonte Juncker in Brüssel. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk bedauerte das Scheitern des Brexit-Vertrags.
Von einem „traurigen Abend“sprach CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Eine solche klare Ablehnung habe man nicht erwartet, sagte sie in Berlin. „Wir müssen jetzt einen kühlen Kopf bewahren, auch wenn das Herz wirklich schwer ist.“Das sei ein „bitterer Tag für Europa“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). „Wir sind vorbereitet. Aber ein ungeregelter Brexit ist die schlechteste aller Möglichkeiten, für die EU, besonders aber für Großbritannien.“
Die gescheiterte Abstimmung beunruhigt auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Düsseldorf. „Mit jedem Tag ohne Entscheidung nimmt die Wahrscheinlichkeit eines ‚harten‘ Brexit zu. Die zusätzlichen Zollerklärungen und Ursprungsprüfungen bei gehandelten Waren und Vorprodukten bedeuten einen gewaltigen Mehraufwand für unsere Unternehmen. Die Bremsspuren des Brexit spüren die Unternehmen bereits in ihren Auftragsbüchern. Politikversagen gefährdet damit das Erreichte“, so IHK-Präsident Andreas Schmitz. Leitartikel, Politik