Der Bahn-Chef wird angezählt
Bei einem Bahn-Krisentreffen bleibt der Vorstand befriedigende Ergebnisse schuldig. Bereits zwei weitere Treffen sind verabredet. Der Druck auf Richard Lutz nimmt zu.
BERLIN Für die Opposition war es ausgemachte Sache, dass beim Krisentreffen des Bahn-Vorstandes mit Vertretern des Bundesverkehrsministeriums und Verkehrsexperten der Regierungsparteien nichts Verwertbares herauskommen würde. „Der Versuch innerhalb eines eineinhalbstündigen Frühstückstermins tiefgreifende Probleme zu lösen, ist komplett unrealistisch“, sagte der FDP-Verkehrspolitiker Torsten Herbst. Tatsächlich lief es nicht gerade rosig für Bahnchef Richard Lutz. Der hätte der Politik Wege skizzieren sollen, wie der Staatskonzern sein Problem mit der Unpünktlichkeit im Fernverkehr in den Griff bekommen will. Bereits am Wochenende war bekannt geworden, dass Infrastruktur-Vorstand Ronald Pofalla zu einer Art Krisenmanager ernannt wurde. Wie es in Bahnkreisen hieß, soll er stärker im Wirkungsbereich des glücklos agierenden Fernverkehrsvorstands Berthold Huber tätig werden.
Doch das Management präsentierte zunächst Grundlegendes und offenbar zu wenig Konkretes. Die Runde vertagte sich und setzte zwei weitere Treffen an, eines bereits am Donnerstag in gleicher Besetzung, ein weiteres mit Vertretern der Bahn und des Ministeriums am 30. Januar. Säuerlich sagte Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann (CDU) anschließend: „Dass man sich in zwei Tagen wieder trifft, sagt doch vieles.“Die präsentierten Lösungen hätten nicht gereicht.
Ferlemann ist der Bahnbeauftragte von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Auf den Cuxhavener Politiker sind sie im Berliner Bahntower derzeit nicht gut zu sprechen. Ferlemann betreibe eine Verspätungs-Kampagne, heißt es dort hinter vorgehaltener Hand. Auch der Minister beobachte argwöhnisch die scharfe Rhetorik seines Staatssekretärs. Tatsächlich war Scheuers Wortwahl nach dem Treffen weitaus diplomatischer als Ferlemanns. Doch auch er machte deutlich, dass er bis Sommer spürbare Verbesserungen für die Bahnkunden erwarte. „Uns bleiben dafür jetzt noch fünfeinhalb Monate“, so der CSU-Politiker. Er wolle vor allem Kapazitätsengpässe beseitigen und mehr Pünktlichkeit erreichen. Als Problemstellen nannte Scheuer das Netz um Hamburg, Würzburg und die Strecke zwischen Köln und Dortmund. An seinem Ziel eines Deutschlandtaktes hält er trotz der aktuellen Probleme fest. Bis spätestens 2030 soll es damit gelingen, die Fahrpläne bundesweit besser aufeinander abzustimmen und so den Bahnverkehr pünktlicher und zuverlässiger zu machen.
Doch gerade Bauprojekte an Brücken und Schienen sowie die Umstellung auf digitale Stellwerke rauben viel Zeit. Scheuer betonte, man müsse jetzt einen „großen Schritt“voran- kommen. Gleichzeitig muss der Minister für mehr Ausgaben werben. Er sei bereits auf die Haushaltspolitiker der Koalition zugegangen und suche weitere Gespräche, sagte Scheuer. Für einen Verkauf der Auslands-Tochter Arriva zeigte er sich offen, verlangte jedoch zuvor eine ausreichende Prüfung, um nicht leichtfertig zu handeln. Um die Reformen anzustoßen, wäre eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung nötig. Regulär tagen die Kontrolleure erst wieder am 27. März. Realistisch ist deshalb eine außerordentliche Sitzung Mitte bis Ende Februar.
„Die Verantwortung für das Bahnchaos tragen zuerst die Verkehrsminister der vergangenen 15 Jahre“, sagte der Ehrenvorsitzende des Fahrgast-Verbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, unserer Redaktion. „So lange wurde es versäumt, massiv in den Ausbau des Gleisnetzes und in die Stellwerkstechnik zu investieren.“Scheuer müsse sich fragen, ob er es ernst meine mit Verbesserungen bei der Bahn. „Wenn das so ist, reden wir über einen massiven finanziellen Mehrbedarf für die nächsten 20 Jahre“, so Naumann. Es brauche mehr Gleise, vor allem an Engpässen. „Für Störungsfälle brauchen wir zudem bessere Backup-Techniken, wie es sie etwa in der Schweiz gibt. Fällt dort mal ein Stellwerk aus, übernimmt ein anderes und die Züge rollen weiter“, so der Bahn-Experte. Er warnte Scheuer davor, die Erwartungen zu hoch zu schrauben. „Der Deutschlandtakt braucht noch 20 Jahre, da darf der Minister den Bahnkunden keine falschen Versprechungen machen. Bis dahin müssen die Menschen wohl leider weiter viele Verspätungen in Kauf nehmen.“