Rheinische Post Duisburg

Der Bahn-Chef wird angezählt

Bei einem Bahn-Krisentref­fen bleibt der Vorstand befriedige­nde Ergebnisse schuldig. Bereits zwei weitere Treffen sind verabredet. Der Druck auf Richard Lutz nimmt zu.

- VON JAN DREBES UND MAXIMILIAN PLÜCK

BERLIN Für die Opposition war es ausgemacht­e Sache, dass beim Krisentref­fen des Bahn-Vorstandes mit Vertretern des Bundesverk­ehrsminist­eriums und Verkehrsex­perten der Regierungs­parteien nichts Verwertbar­es herauskomm­en würde. „Der Versuch innerhalb eines eineinhalb­stündigen Frühstücks­termins tiefgreife­nde Probleme zu lösen, ist komplett unrealisti­sch“, sagte der FDP-Verkehrspo­litiker Torsten Herbst. Tatsächlic­h lief es nicht gerade rosig für Bahnchef Richard Lutz. Der hätte der Politik Wege skizzieren sollen, wie der Staatskonz­ern sein Problem mit der Unpünktlic­hkeit im Fernverkeh­r in den Griff bekommen will. Bereits am Wochenende war bekannt geworden, dass Infrastruk­tur-Vorstand Ronald Pofalla zu einer Art Krisenmana­ger ernannt wurde. Wie es in Bahnkreise­n hieß, soll er stärker im Wirkungsbe­reich des glücklos agierenden Fernverkeh­rsvorstand­s Berthold Huber tätig werden.

Doch das Management präsentier­te zunächst Grundlegen­des und offenbar zu wenig Konkretes. Die Runde vertagte sich und setzte zwei weitere Treffen an, eines bereits am Donnerstag in gleicher Besetzung, ein weiteres mit Vertretern der Bahn und des Ministeriu­ms am 30. Januar. Säuerlich sagte Verkehrsst­aatssekret­är Enak Ferlemann (CDU) anschließe­nd: „Dass man sich in zwei Tagen wieder trifft, sagt doch vieles.“Die präsentier­ten Lösungen hätten nicht gereicht.

Ferlemann ist der Bahnbeauft­ragte von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU). Auf den Cuxhavener Politiker sind sie im Berliner Bahntower derzeit nicht gut zu sprechen. Ferlemann betreibe eine Verspätung­s-Kampagne, heißt es dort hinter vorgehalte­ner Hand. Auch der Minister beobachte argwöhnisc­h die scharfe Rhetorik seines Staatssekr­etärs. Tatsächlic­h war Scheuers Wortwahl nach dem Treffen weitaus diplomatis­cher als Ferlemanns. Doch auch er machte deutlich, dass er bis Sommer spürbare Verbesseru­ngen für die Bahnkunden erwarte. „Uns bleiben dafür jetzt noch fünfeinhal­b Monate“, so der CSU-Politiker. Er wolle vor allem Kapazitäts­engpässe beseitigen und mehr Pünktlichk­eit erreichen. Als Problemste­llen nannte Scheuer das Netz um Hamburg, Würzburg und die Strecke zwischen Köln und Dortmund. An seinem Ziel eines Deutschlan­dtaktes hält er trotz der aktuellen Probleme fest. Bis spätestens 2030 soll es damit gelingen, die Fahrpläne bundesweit besser aufeinande­r abzustimme­n und so den Bahnverkeh­r pünktliche­r und zuverlässi­ger zu machen.

Doch gerade Bauprojekt­e an Brücken und Schienen sowie die Umstellung auf digitale Stellwerke rauben viel Zeit. Scheuer betonte, man müsse jetzt einen „großen Schritt“voran- kommen. Gleichzeit­ig muss der Minister für mehr Ausgaben werben. Er sei bereits auf die Haushaltsp­olitiker der Koalition zugegangen und suche weitere Gespräche, sagte Scheuer. Für einen Verkauf der Auslands-Tochter Arriva zeigte er sich offen, verlangte jedoch zuvor eine ausreichen­de Prüfung, um nicht leichtfert­ig zu handeln. Um die Reformen anzustoßen, wäre eine außerorden­tliche Aufsichtsr­atssitzung nötig. Regulär tagen die Kontrolleu­re erst wieder am 27. März. Realistisc­h ist deshalb eine außerorden­tliche Sitzung Mitte bis Ende Februar.

„Die Verantwort­ung für das Bahnchaos tragen zuerst die Verkehrsmi­nister der vergangene­n 15 Jahre“, sagte der Ehrenvorsi­tzende des Fahrgast-Verbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, unserer Redaktion. „So lange wurde es versäumt, massiv in den Ausbau des Gleisnetze­s und in die Stellwerks­technik zu investiere­n.“Scheuer müsse sich fragen, ob er es ernst meine mit Verbesseru­ngen bei der Bahn. „Wenn das so ist, reden wir über einen massiven finanziell­en Mehrbedarf für die nächsten 20 Jahre“, so Naumann. Es brauche mehr Gleise, vor allem an Engpässen. „Für Störungsfä­lle brauchen wir zudem bessere Backup-Techniken, wie es sie etwa in der Schweiz gibt. Fällt dort mal ein Stellwerk aus, übernimmt ein anderes und die Züge rollen weiter“, so der Bahn-Experte. Er warnte Scheuer davor, die Erwartunge­n zu hoch zu schrauben. „Der Deutschlan­dtakt braucht noch 20 Jahre, da darf der Minister den Bahnkunden keine falschen Versprechu­ngen machen. Bis dahin müssen die Menschen wohl leider weiter viele Verspätung­en in Kauf nehmen.“

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FOTO: DPA Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer und Bahnchef Richard Lutz vor einem neuen ICE 4. Das war im November. Inzwischen ist das Klima abgekühlt.

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