Rheinische Post Duisburg

Heil verspricht Änderungen an Hartz-IV-Sanktionen

Mündliche Verhandlun­g vor dem Verfassung­sgericht in Karlsruhe. Ökonomen raten zur Beibehaltu­ng der Strafen.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN/KARLSRUHE Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) hat in einer mündlichen Verhandlun­g vor dem Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe die Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher verteidigt. Zugleich signalisie­rte er vor Journalist­en aber auch die Bereitscha­ft zu Abmilderun­gen. Heil will etwa die scharfen Sanktionen für Unter-25-Jährige und die Kürzungen bei den Wohnkosten abschaffen. „Ich bin der festen Überzeugun­g, dass wir mehr ermutigen sollten als ermahnen“, sagte er. Das oberste deutsche Gericht verhandelt dar- über, ob Kürzungen für Leistungse­mpfänger, die ein Jobangebot verweigern oder nicht zum vereinbart­en Zeitpunkt im Job-Center erscheinen, verfassung­swidrig sind.

Dieser Auffassung ist ein Sozialgeri­cht in Gotha, das den Verfassung­srichtern den Fall eines Erfurters zur Prüfung vorgelegt hatte. In Gotha hatte der Mann geklagt, weil ihm 2014 zweimal die Leistungen gekürzt wurden, weil er eine Stelle als Lagerarbei­ter ablehnte und lieber im Verkauf arbeiten wollte. Dann wollte ihn das Jobcenter im Verkauf testen, aber er ließ den Gutschein fürs Probearbei­ten verfallen. Die Thüringer Richter halten diese Sanktionen für verfassung­swidrig. Sie meinen: Wenn Hartz IV das Existenzmi­nimum sichere, gebe es keinen Spielraum für Kürzungen. Der Staat lasse die Betroffene­n in soziale Isolation, Krankheit, Schulden und Obdachlosi­gkeit abgleiten.

Ein Verfassung­surteil ist erst in einigen Monaten zu erwarten. Gibt es Beanstandu­ngen, müsste das System zumindest in diesen Punkten nachgebess­ert werden. Der neue Vizegerich­tspräsiden­t Stephan Harbarth, der bis November Vize-Chef der Unionsfrak­tion im Bundestag war, hatte zu Verhandlun­gsbeginn klargestel­lt, dass es bei der Bewertung in Karlsruhe nicht darum geht, was politisch für sinnvoll gehalten wird, sondern darum, was verfassung­srechtlich geboten ist.

Der Chef der Wirtschaft­sweisen ermahnte die Bundesregi­erung, an den Sanktionen festzuhalt­en. „Damit das Prinzip des Förderns und Forderns, das unseren Arbeitsmar­kt so widerstand­sfähig macht, effektiv gelebt werden kann, sollte man auf das Instrument der Sanktionen nicht gänzlich verzichten“, sagte Christoph Schmidt. „Die Erfahrung aus früheren Jahren lehrt uns, dass die Arbeitsver­mittlung ihre Aufgabe in der Lebenswirk­lichkeit nur dann gut erfüllen kann, wenn es effektive Anreize gibt, aktiv zu suchen und eine passende neue Beschäftig­ung auch aufzunehme­n. Mit einer Abschaffun­g tut man gerade den Schwächste­n, die besonders viel Unterstütz­ung auf dem Weg zurück in den Arbeitsmar­kt brauchen, keinen Gefallen“, sagte Schmidt.

Aus einer Sonderausw­ertung von Daten der Bundesagen­tur für Arbeit (BA) geht indes hervor, dass von den knapp 4,2 Millionen erwerbsfäh­igen Hartz-IV-Empfängern rund 1,45 Millionen bereits sechs Jahre und länger im Hartz-IV-Bezug sind. Für die Linksfrakt­ion ist dies ein Zeichen dafür, dass Betroffene trotz Beschäftig­ung nicht aus dem Hartz-IVBezug herauskomm­en.

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