Spahn will kürzere Wartezeiten für Patienten
Oft warten gesetzlich Versicherte monatelang auf einen Arzttermin. Ein neues Gesetz soll helfen.
BERLIN Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ist das bislang umfangreichste Projekt von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. An diesem Mittwoch wird es in erster Lesung im Bundestag behandelt und soll am 1. April in Kraft treten. Doch an Spahns Entwurf regt sich großer Widerstand. Das sind die strittigsten Passagen.
Sprechstunden Niedergelassene Ärzte sollen mit dem neuen Gesetz verpflichtet werden, mehr Sprechstunden anzubieten. Statt bisher 20 Stunden pro Woche sollen es künftig mindestens 25 Stunden sein, die für Kassenpatienten freigehalten werden. Bestimmte Facharztgruppen wie Orthopäden, Frauen- und Augenärzte müssen fünf Stunden als offene Sprechstunde – also ohne Termin – anbieten. Hausbesuche werden auf die Sprechzeiten angerechnet. Eine aktuelle Umfrage der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ergab indes, dass niedergelassene Ärzte schon heute rund 32 Stunden pro Woche für Sprechstunden aufwenden.
Terminservicestellen Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen seit 2016 sogenannte Terminservicestellen bereitstellen. Diese haben die Aufgabe, den Patienten zeitnah einen Termin bei einem Facharzt zu besorgen. Der Termin muss binnen einer Woche vermittelt sein, die Wartezeit darf vier Wochen nicht übersteigen. Nach Spahns Gesetzentwurf sollen die Terminservicestellen demnächst auch zeitnahe Termine zu Haus- und Kinderärzten vermitteln sowie bei der Suche nach einem dauerhaft behandelnden Arzt helfen.
Psychotherapie Eine der weitreichendsten Änderungen in Spahns Gesetzentwurf betrifft die Behandlung seitens der Psychotherapeuten. Patienten mit psychischen Erkrankungen sollen sich, bevor sie eine Psychotherapie beginnen können, mit speziellen Ärzten oder Therapeuten treffen, die die Dringlichkeit einer Therapie einschätzen sollen. Eine Petition gegen dieses Modell erzielte mehr als 200.000 Unterschriften. „Damit beschränkt der Gesetzgeber nicht nur die Wahlfreiheit der Patienten“, kritisierte der Chef der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Eine solche Regelung speziell für Menschen mit psychischen Erkrankungen diskriminiere diese Patientengruppen auch.
Kontrolle Ende vergangener Woche wurde Spahns Änderungsantrag Nummer 28 für das TSVG bekannt. Er könnte das deutsche Gesundheitssystem nachhaltig verändern. Spahn möchte dem Bundesgesundheitsministerium in Ausnahmefällen erlauben, über den Nutzen von Behandlungen zu entscheiden. Im Moment ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dafür zuständig. Er besteht aus Vertretern von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen. Spahn will den G-BA nun in Teilen entmachten und selbst über manche Untersuchungs- sowie Behandlungsmethoden entscheiden. Kritiker sehen die Gefahr, dass die Kassen künftig auch für Therapien bezahlen müssen, deren Nutzen nicht wissenschaftlich belegt ist.