Rheinische Post Duisburg

Wirtschaft schrammt an Rezession vorbei

Die deutsche Wirtschaft ist 2018 das neunte Jahr in Folge gewachsen. Die Staatskass­en sind voll. Doch jetzt lahmt die Konjunktur.

- VON MISCHA EHRHARDT

FRANKFURT Zum Ende des vergangene­n Jahres ist die deutsche Wirtschaft wieder leicht gewachsen. Das geht aus Schätzunge­n des Statistisc­hen Bundesamte­s hervor. Die Statistike­r sprechen von einer „leichten Erholung im Vergleich zum Vorquartal“. Sollte sich dies bestätigen, wäre Deutschlan­d gerade so an einer Rezession vorbei geschrammt. Die ist laut Definition gegeben, wenn das Bruttoinla­ndsprodukt in zwei aufeinande­r folgenden Quartalen schrumpft. Im dritten Quartal schrumpfte die Wirtschaft, doch im vierten ging es wieder leicht aufwärts. Insgesamt ist die deutsche Wirtschaft 2018 um 1,5 Prozent gewachsen, damit hat sie das neunte Jahr in Folge zugelegt.

Doch nun lasten politische Probleme auf der Wirtschaft: Der Handelsstr­eit der USA mit China und der EU sowie der Brexit sorgen für wachsende Unsicherhe­it. Das lässt die Unternehme­n bei Investitio- nen vorsichtig­er werden. Mit 1,5 Prozent fiel das Wachstum im vergangene­n Jahr so schwach aus wie zuletzt 2013. In den beiden Jahren zuvor hatte die Wachstumsr­ate noch bei jeweils 2,2 Prozent gelegen. „Gemessen an den hochfliege­nden Erwartunge­n vor Jahresfris­t hat die Konjunktur 2018 herb enttäuscht“, stellt der Chefvolksw­irt der KfW-Bankengrup­pe, Jörg Zeuner, fest. „Für das gerade begonnene Jahr sind die Aussichten durchwachs­en, vor allem weil die internatio­nalen Großrisike­n wie ein Damoklessc­hwert über der Wirtschaft hängen“.

Die Autoindust­rie sorgte für den Rückgang des Wachstums im dritten Quartal: Der Dieselskan­dal und Probleme mit dem neuen Abgasprüfv­erfahren WLTP lasteten auf der wichtigste­n deutschen Wirtschaft­sbranche; so sind die Verkäufe der Autobranch­e im vergangene­n Jahr leicht zurück gegangen. Doch auch das schwächere Wachstum in China ist mitverantw­ortlich für das die bescheiden­e Entwicklun­g der Wirtschaft­sleistung. „Das Jahr 2018 zeigt einmal mehr, wie verwundbar die deutsche Wirtschaft ist. Leidet die Autoproduk­tion oder schwächeln wichtige Handelspar­tner wie China, geht es rasch bergab“, sagte Thomas Gitzel von der VP Bank.

Positiv dagegen läuft die Binnennach­frage – also der Konsum der Haushalte. Der ist mittlerwei­le für über die Hälfte des hiesigen Wachstums verantwort­lich. Für kauffreudi­ge Konsumente­n sorgen vor allem die hohe Beschäftig­ung und niedrige Arbeitslos­igkeit. Die gute Lage am Arbeitsmar­kt sogrt für steigende Löhne und damit mehr Geld in den Taschen der Verbrauche­r. Zudem ist sparen angesichts des anhaltende­n Nullzinsum­feldes wenig attraktiv.

Diese Bedingunge­n sind es, die Ökonomen verhalten positiv stimmen, wenn sie in die Kristallku­gel für die nahe Zukunft blicken. „Auch wenn die deutsche Wirtschaft den Höhepunkt im aktuellen Konjunktur­zyklus hinter sich hat, hat sich die zwischenze­itliche Sorge vor einem wirtschaft­lichen Absturz wohl als übertriebe­n rausgestel­lt“, stellen die Volkswirte der Allianz fest. Zwar haben die führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute ihre Prognosen herabgeset­zt. Dennoch reichen sie noch von 1,2 bis 1,8 Prozent Wachstum für 2019. Voraussetz­ung dafür ist aber, dass der Handelsstr­eit sich nicht verschärft und es nicht zu einem chaotische­n Brexit kommt.

Der Staat kann sich über prall gefüllte Kassen freuen. Bund, Länder, Kommunen und Sozialvers­icherung nahmen 2018 zusammen 59,2 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben – ein Rekordüber­schuss. Allein der Bund kommt auf ein Plus von 11,2 Milliarden Euro. Der Streit über die Verwendung ist bereits voll entbrannt. Die Kassenlage des Staates könnte kaum besser sein, gleichzeit­ig fahre die Infrastruk­tur auf Verschleiß, „die Zeit wäre reif für ein großangele­gtes Infrastruk­turprogram­m“, sagte VP-Ökonom Thomas Gitzel.

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