Rheinische Post Duisburg

Lang und dicht war gestern: Darauf kommt’s 2019 im Gesicht des Mannes an.

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LONDON (ap, dpa, rtr) Eine Mehrheit von 325 zu 306 der Abgeordnet­en hat der britischen Premiermin­isterin Theresa May und ihrem Kabinett am Mittwochab­end im Parlament in London das Vertrauen ausgesproc­hen. May kündigte an, sie wolle ihre Gespräche mit Opposition­spolitiker­n über den Brexit-Kurs umgehend beginnen. Der britische Opposition­schef Jeremy Corbyn hatte den Misstrauen­santrag gestellt und wollte damit eine Neuwahl erzwingen. Die heftige Niederlage bei der Abstimmung über den Brexit-Deal am Dienstagab­end habe gezeigt, dass die Regierung nicht in der Lage sei, weiterzuma­chen. Die „Zombie-Regierung“, deren „Frankenste­in-Deal“nun offiziell tot sei, solle den Weg frei machen, sagte der Labour-Politiker.

May konterte, eine Neuwahl sei „das Schlechtes­te, was wir machen können“. Sie würde die Spaltung im Land vertiefen, Chaos und Stillstand bringen. Die Premiermin­isterin hat angekündig­t, am kommenden Montag dem Parlament darzulegen, wie es weitergehe­n soll, um einen ungeregelt­en EU-Austritt doch noch zu verhindern. Wenn ein Austritt ohne Abkommen mit drastische­n Folgen für die Wirtschaft und Chaos in vielen Lebensbere­ichen vermieden werden soll, muss es innerhalb weniger Wochen eine Einigung geben, denn der Brexit soll am 29. März stattfinde­n.

Die Europäisch­e Union ist einem Zeitungsbe­richt zufolge bereit, den Brexit bis kommendes Jahr zu verschiebe­n. EU-Vertreter prüften entspreche­nde Pläne, nachdem Deutschlan­d und Frankreich ihre Bereitscha­ft zu längeren Austrittsv­erhandlung­en signalisie­rt hätten, berichtete die Zeitung „The Times“am Mittwoch unter Berufung auf nicht näher bezeichnet­e Quellen. Zunächst sei von einer dreimonati­gen Verschiebu­ng bis Ende Juni die Rede gewesen. Doch nun würden rechtliche Wege geprüft, den Brexit bis 2020 zu verschiebe­n. Sollte das Vereinigte Königreich darum bitten, müssten die 27 EU-Mitglieder einstimmig darüber befinden.

Das britische Parlament hatte am Dienstag mit großer Mehrheit gegen das von Premiermin­isterin Theresa May und der EU ausgehande­lte Brexit-Abkommen gestimmt. Streitpunk­t ist die sogenannte Backstop-Lösung für Irland. Damit will Brüssel verhindern, dass es zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit eine harte Grenze mit Kontrollen gibt – auch, um ein Wiederauff­lammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern.

Die schottisch­e Regierungs­chefin Nicola Sturgeon forderte eine neue Volksabsti­mmung über den EU-Austritt und drohte indirekt mit einem neuen Unabhängig­keitsrefer­endum. „Ein zweites Referendum ist die einzige Möglichkei­t, dass Schottland als Teil des Vereinigte­n Königreich­s in Europa bleibt“, sagte Sturgeon der „Bild“-Zeitung. „Unser Platz in Europa muss geschützt werden.“Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, indes hält nach dem historisch­en „No“zum Brexit-Vertrag einen ungeordnet­en Austritt Großbritan­niens für nahezu unausweich­lich. Er forderte die deutschen Unternehme­n zum sofortigen Handeln auf. „Ich kann den Unternehme­n nur raten: Stellt Euch auf einen harten Brexit ein, löst die Notfallplä­ne aus!“, sagte der Leiter des unternehme­rnahen Instituts dem „Spiegel“. Hüther machte deutlich, dass es in Großbritan­nien derzeit keine absehbare politische Mehrheit für irgendeine andere Möglichkei­t als den Austritt ohne ein Abkommen gebe. Alle Großuntern­ehmer hätten durchdekli­nierte Notfallplä­ne für ihre gesamten Lieferkett­en. Firmen, die darüber nicht verfügten, empfahl NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP), ihre Anstrengun­gen zu verstärken. Zur Unterstütz­ung habe sein Ministeriu­m auf der Homepage (www.wirtschaft. nrw) eine Hotline eingericht­et.

„Bitte, bitte, bitte, sagt uns endlich, was ihr erreichen wollt“, appelliert­e der Fraktionsc­hef der Europäisch­en Volksparte­i, Manfred Weber (CSU), an das britische Parlament. Gleichzeit­ig bekräftigt­en EU-Politiker, dass sie keine Alternativ­e zu dem abgelehnte­n Austrittsa­bkommen sehen und Nachbesser­ungen oder Zugeständn­isse an London ablehnen. Großbritan­nien müsse nun alleine eine Lösungsmög­lichkeit entwickeln, wurde Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch nach einer Sitzung im Auswärtige­n Ausschuss des Bundestage­s von Teilnehmer­n zitiert. Dennoch will Merkel ihre Bemühungen um einen geregelten Brexit fortsetzen. „Wir wollen den Schaden – es wird in jedem Fall einen Schaden geben durch den Austritt Großbritan­niens – so klein wie möglich halten. Deshalb werden wir natürlich versuchen, eine geordnete Lösung weiter zu finden“, sagte sie. Die Bundesregi­erung sei aber auch vorbereite­t, wenn es keine geordnete Lösung gebe.

EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker habe eine gemeinsame Linie mit den europäisch­en Hauptstädt­en abgesteckt, sagte sein Sprecher Margaritis Schinas: Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es nichts, was die EU noch tun könne. „Ein geordneter Austritt bleibt in den nächsten Wochen unsere absolute Priorität“, sagte EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier im Europaparl­ament. Allerdings sei die Gefahr eines „No Deal“-Brexits so groß wie nie. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) forderte die Briten auf, ihre Position schnell zu klären: „Die Zeit der Spielchen ist jetzt vorbei.“Leitartike­l, Politik

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