Schottland ist nicht genug
Neuverfilmung eines Klassikers: „Maria Stuart“kommt ins Kino. Das Drehbuch stammt vom „House Of Cards“-Schöpfer.
Dass im 16. Jahrhundert neben Elisabeth I. mit Maria Stuart noch eine zweite Frau ihren Anspruch auf den englischen Thron anmeldete, ist ein historisches Faszinosum, das in Literatur und Film gründlich ausgelotet wurde. Von Friedrich Schiller über Stefan Zweig bis zu Elfriede Jelinek reichen die dramatischen und biografischen Bearbeitungen von Maria Stuarts Leben, das 1587 mit ihrer Enthauptung sein vorzeitiges Ende nahm. Auf der Leinwand waren bereits Katharine Hepburn, Zarah Leander und Vanessa Redgrave in die Rolle der schottischen Königin zu sehen. Nun wagt sich Regisseurin Josie Rourke an eine gründliche Neubewertung des historischen Stoffes. In ihrem Kinodebüt „Maria Stuart, Königin von Schottland“sind Elisabeth I. und Maria Stuart nicht nur Rivalinnen im Thronfolgekonflikt, sondern auch zwei Frauen, die ihre Machtpositionen in einer männerdominierten Umgebung verteidigen müssen.
Gerade einmal 18 Jahre alt ist Maria Stuart (Saoirse Ronan), als sie in Schottland 1561 landet. In Frankreich wuchs sie als gläubige Katholikin auf, heiratete mit 16 den französischen König Franz II., der jedoch schon zwei Jahre später starb. Zurück in Schottland will sie nicht nur ihre durch die Reformation zerrissene Heimat regieren, sondern sieht sich auch als Erbin der englischen Krone. Den Konflikt mit ihrer Cousine Elisbeth (Margot Robbie), die nur wenig älter vor drei Jahren inthronisiert wurde, steuert Maria jedoch nicht auf konfrontative, sondern diplomatische Weise an. Schließlich hat die schottische Königin genug damit zu tun, sich gegen die Intrigen und protestantischen Hetzkampagnen am eigenen Hof zur Wehr zu setzen.
Depeschen und Botschafter wandern rege zwischen den beiden Herrscherinnen hin und her. Elisabeth geht in ihrem diplomatischen Kalkül sogar soweit, dass sie ihren engen Vertrauten Robert Dudley als potenziellen Gemahl für die Cousine nach Norden entsendet. Aber Maria verliebt sich Hals über Kopf in den schmucken Lord Darn- ley ( Jack Lowden), der sich als Ehemann jedoch nur widerwillig zur Stammhalter-Produktion heranziehen lässt und eher den jungen Herren im Hofstaat zugetan ist. Regisseurin Rourke zeigt die beiden jungen Frauen mit konventioneller Montagetechnik in ihre jeweiligen höfischen Welten, wo sie von Beratern und manipulativen Einflüsterern umgeben sind, die sie für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren versuchen und in bewaffnete Konflikte hineintreiben.
Das Drehbuch stammt vom „House Of Cards“-Schöpfer Beau Willimon, und das zerstörerische, männerdominierte Machtgerangel steht hier Francis Underwoods Intrigen im Weißen Haus in nichts nach. An manchen Stellen kommt der moderne Blick des 21. Jahrhunderts mit seinen Gender-Debatten etwas zu gewollt daher. Aber insgesamt liefert der Film ein vielschichtiges feministisches Update des historischen Stoffes, indem er die Gemeinsamkeiten der beiden jungen Herrscherinnen herausarbeitet, die nur punktuell aus dem vorgefundenen Machtstrukturen ausbrechen können.
Im Kern des Filmes steht die interessante, wenn auch unbeantwortbare Frage: Was wäre, wenn sich diese beiden Frauen zusammengetan hätten? Rourke und Willimon gehen sehr frei mit der historischen Faktenlage um, bis hin zu einem Zusammentreffen der beiden Herrscherinnen, das – glaubt man der Geschichtsschreibung – nie stattgefunden hat.
Aber gerade in diesem kunstvoll zwischen wehenden Tüchern choreographierten Gipfeltreffen kulminiert der Widerstreit zwischen Rivalität und Verschwesterung in brillanter Ambivalenz. Die 24-jährige Saoirse Ronan („Lady Bird“) verkörpert äußerst glaubwürdig die Zerrissenheit der schottischen Herrscherin zwischen Idealismus, Besonnenheit und jugendlichem Elan. Ihr gegenüber steht nicht weniger überzeugend Margot Robbie als Elisabeth I., die sich zunehmend dem politischen Pragmatismus ergibt und irgendwann ernüchtert feststellen muss: „Ich bin jetzt mehr Mann als Frau – das hat der Thron aus mir gemacht.“
Maria Stuart, Großbritannien 2018, von Josie Rourke, mit Saoirse Ronan, Margot Robbie, David Tennant, 124 Minuten
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