Hugh Jackman als strauchelnder „Spitzenkandidat“
(dpa) Im Vergleich zum hysterischen Gekreische unserer Zeit sah die Politik der Vereinigten Staaten im Jahr 1988 ziemlich unschuldig aus: Es gab erste Anzeichen der Annäherung zu Russland, die Arbeitslosigkeit war auf dem niedrigsten Stand seit Anfang der 1970er Jahre, und es sollte noch neun Jahre dauern, bis der krawallige Nachrichtensender „Fox News“auf Sendung geht.
Und doch gab es einen Skandal, der bis heute Politik und Medien der USA für immer verändert hat: Der Fall von Gary Hart brachte lüsterne Berichterstattung auch in seriöse Zeitungen, zum ersten Mal bedienten sie sich auf breiter Front den Mitteln des Boulevard. Regisseur Jason Reitman hat den Skandal in „Der Spitzenkandidat“neu verfilmt. Er stellt die noch immer gültige Frage, ob alles, was interessant ist, auch wirklich wichtig ist. Hugh Jackman verkörpert Hart, einen charismatischen Aufsteiger mit besten Chancen, für die Demokraten als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gehen zu dürfen.
Schon ein Jahr zuvor enthüllte der „Miami Herald“auf Basis der Recherchen eines Privatdetektivs, dass der verheiratete Hart einige Nächte mit einem Model verbracht hat. Derlei Affären waren selbst in den 1980er Jahren nichts Ungewöhnliches: Bei John F. Kennedy oder Lyndon B. Johnson wurde großzügig über Untreue hinweggesehen. Dass seriöse Medien ein solches Thema aufgriffen, war vor 30 Jahren so neu, wie es heute Standard ist. Über Wochen wurde Harts Untreue breitgetreten. Er erklärte im Mai 1987 seine Kandidatur für beendet. Regisseur Reitman verzichtet in seiner eher faktentreuen Aufbereitung auf eine eigene Stellungnahme und verteufelt weder Hart noch die Presse.
Für Harts politische Karriere gab es schließlich zumindest eine winzige Fortsetzung: Unter Barack Obama arbeitete er als Berater. Mit seiner Frau Oletha Lee ist er seit 1958 verheiratet.
Der Spitzenkandidat, USA 2018, von Jason Reitman, mit Hugh Jackman, Vera Farmiga, 112 Minuten