Von der Außenwelt abgeschnitten
Früher lebten die Menschen gern in der alten Zechensiedlung. Das hat sich nach der Sperrung der Brücke An der Cölve geändert. Vor allem die ÖPNV-Nutzer sind sauer. Ein ganzes Viertel sei unterversorgt.
RHEINHAUSEN (kui) Ingrid Rehwinkel hat immer gern in Trompet gewohnt. Die alte Bergheimer Zechensiedlung ist pittoresk und gut gelegen; am Rande der Stadt und doch mittendrin. Ein Auto hat sie nie gebraucht. Mit dem Bus ließ sich alles erledigen, vom Einkaufen bis zum Konzertbesuch. Das hat sich mit der Sperrung der Cölve-Brücke geändert. Seit Juni 2017 dürfen Fahrzeuge nicht mehr passieren. Ein Dauerzustand, der Busund Bahnkunden auf eine Geduldsprobe stellt. Sie fühlen sich von der Außenwelt abgeschnitten. „Alle reden von den Problemen der Autofahrer und der Geschäftsleute. Aber hier geht es um ein ganzes Viertel, das nicht mehr versorgt wird“, empört sich Rehwinkel. „Wir können doch nicht alle warten, bis die Cölve-Brücke repariert ist.“
Mit der Linie 924 fiel für Anwohner von Straßen wie Ufer-, Ritter-, Roland- und Lohstraße die einzige brauchbare Verbindung in die Innenstadt weg. Früher fuhr der Bus alle 20 Minuten über die Cölve-Brücke, stoppte „An der Cölve“und an „Trompet Friedhof“– beide Haltestellen wurden nach der Sperrung gestrichen, da die dicken Gelenkbusse nicht durch die schmalen Umleitungs-Straßen passten. Stattdessen verweisen die Verkehrsbetriebe (DVG) auf nahegelegene Stationen wie Impelmann, Trompeter Bahnhof oder Moerser Straße. Ersatzweise, heißt es, könne man bis dahin den Schnellbus SB42 benutzen, der nach wie vor über die Trompeter Straße fährt.
Praktikabel sind diese Vorschläge aber nicht. Zwischen Zechensiedlung und Trompeter Bahnhof oder Impelmann-Kreuzung liegt locker ein Kilometer Fußweg. Und der Schnellbus 42 ist ein Pendler-Angebot. Er verkehrt montags bis freitags stündlich bis 20 Uhr. Folge für Anwohner: Abends, samstags und sonntags müssen sie laufen, auch, wenn sie nur zum großen Supermarkt am Kreisverkehr wollen. Und das fällt vielen schwer. „Das ist hier ein Wohnviertel mit überwiegend älteren Menschen“, sagt Rehwinkel. Ein Mobilitätsproblem mitten in der Stadt also, das ebenso Gehbehinderte trifft. Rehwinkel erzählt von einem Nachbarn, der an Morbus-Bechterew erkrankt ist und sich abgeschnitten fühlt von der Welt. Probleme gibt es auch in umgekehrter Richtung: Rheinhauser klagen, dass sie nicht mehr ohne Fußmarsch oder Wartezeiten zum Trompeter Friedhof gelangen.
Rehwinkel ärgert sich darüber, dass sich die Probleme lange angekündigt hätten. Bereits vor der Sperrung war die Cölve-Brücke nur eingeschränkt befahrbar: „Die heißt hier nur die ,Bastel-Brücke’.“Ab Juni, fürchtet sie nun, wird sich die Situation noch verschärfen. Denn im neuen Nahverkehrsplan, der ab Jahresmitte gelten soll, kommt der Schnellbus 42 nicht mehr vor. Die Linie fällt weg, da kaum angefragt: kein Profit, kein Angebot. Rehwinkel fordert von Stadt, Politik und Verkehrsbetrieben ein zügiges Handeln. „Das ist ein Unding, dass niemand über Alternativen nachdenkt. Denkbar ist ein Shuttle. Oder ein Sammeltaxi, in das man zusteigen kann.“
Wer von der Lohstraße über die Uferstraße geht, weiß, was sie meint. Die Wege ziehen sich. Selbst zum Schnellbus an der Trompeter Straße ist man ein Stück unterwegs – ungleich weiter ist es von dort aus bis zur Impelmann-Kreuzung. Dazu kommt die Angst, die Straßen im Dunkeln zurücklegen zu müssen. Ingrid Rehwinkel wirkt nicht furchtsam. Aber ein längerer nächtlicher Fußmarsch über spärlich beleuchtete Wege macht ihr dann doch Angst. Und den Trompeter Bahnhof empfindet sie ohnehin als „grauenhaft“. Hier halten zwar die Züge der für ihre Ausfälle berüchtigten Nordwestbahn, die ein Verlassen der Siedlung Richtung Duisburg Hbf zumindest ermöglichen. Wer hier allerdings aus der City ankommt, muss durch die Unterführung, Treppen steigen. Kein barrierefreier Zugang. Wieder keine Chance für Gehbehinderte oder Menschen mit Kinderwagen.
Bei der DVG kann man die Probleme nachvollziehen. Verantwortlich sei man jedoch nicht. Kurz nach der Brückensperrung, für die man ja nichts könne, sei der Bus 924 erst via Lohstraße verkehrt. Dann hätten sich Anwohner beschwert. Deshalb führe die aktuelle Route nun über die Lange Straße. Eine höhere Schnellbus-Taktung und eine Betriebsverlängerung bis 22 Uhr seien ebenfalls nicht möglich. „Das ist“, so ein Sprecher, „eine Kostenfrage. Und: Das neue Nahverkehrskonzept, das den Schnellbus nicht mehr vorsieht, wurde von Planern der Stadt formuliert: „Wir erbringen nur die Leistungen, die sie beauftragt.“ „Das ist ein Unding, dass niemand über Alternativen nachdenkt. Denkbar ist ein Shuttle. Oder ein Sammeltaxi, in das man zusteigen kann.“
Ingrid Rehwinkel
Anwohnerin