Rheinische Post Duisburg

Keine Angst vor der Wahrheit

In der Reihe „Kunst trifft...“sprach der bekannte Publizist, Arzt und Theologe Manfred Lütz im Museum Küppersmüh­le. Sein Vortrag knüpfte an sein Buch „Der Skandal der Skandale. Die geheime Geschichte des Christentu­ms“an.

- VON OLAF REIFEGERST­E

Nach dem erfolgreic­hen Start der Gesprächsr­eihe „Kunst trifft...“Ende vergangene­n Jahres setzte das Museum Küppersmüh­le (MKM) diese nun fort. Zu Gast war der Publizist, Arzt und Theologe Manfred Lütz, zugleich einer der meistgeles­enen Sachbuchau­toren Deutschlan­ds, der sich im Gespräch mit MKM-Direktor Walter Smerling dessen Fragen zum Christentu­m stellte. Anlass für die Einladung war die Veröffentl­ichung seines höchst umstritten­en Buches „Der Skandal der Skandale. Die geheime Geschichte des Christentu­ms“im vergangene­n Jahr.

Kreuzzüge, Inquisitio­n und Hexenverfo­lgung, das sind nur drei von mehreren Skandalthe­men, die das Christentu­m in seiner über 2000-jährigen Kirchenges­chichte – vor allem die der katholisch­en – hervorgebr­acht hat. So jedenfalls lautete bis Anfang dieses Jahrtausen­ds die fast unwiderspr­ochene wissenscha­ftliche Erkenntnis. Doch hat sich alles wirklich so auch zugetragen? Das und mehr hinterfrag­te der bekannte Bestseller­autor Lütz auf der Grundlage neuerer historisch-wissenscha­ftlicher Forschungs­ergebnisse, die Arnold Angenendt, ein Kirchenhis­toriker aus Münster, in seiner 2006 erschienen­en Studie „Toleranz und Gewalt. Das Christentu­m zwischen Bibel und Schwert“auf rund 800 Textseiten zusammenge­tragen hat, und kommt in besagtem 2018 veröffentl­ichten Buch zu teils ganz anderen Ergebnisse­n.

Vor diesem Hintergrun­d und verbunden mit der eher „unverfängl­ichen“Einstiegsf­rage „Was sagen Sie den Menschen, die aus der Kirche austreten?“– so hatte es sich Smerling ausgemalt – wollte er den Dialog mit seinem äußerst redegewand­ten und schnell sprechende­n Gast beginnen, um diesen dann anschließe­nd seinen vorbereite­ten Vortrag halten zu lassen. Doch weit gefehlt: Lütz wäre nicht Lütz, hätte er diese Chance nicht für sich genutzt, um das MKM-Podium zu seiner Bühne werden zu lassen. Soll heißen: Der öffentlich­keitsgewie­fte Medienprof­i Lütz hat Smerlings Moderation elegant durchbroch­en und der Veranstalt­ung seinen eigenen Stempel aufgedrück­t. Dem zahlreich erschienen­en Publikum jedenfalls hat diese seine Rolle und Vorstellun­g sichtlich gefallen, egal ob es inhaltlich dem äußerst unterhalts­am und pointiert vortragend­en Populärwis­senschaftl­er folgen konnte oder nicht.

Lütz, geboren 1954 in Bonn, ist Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie, Nervenarzt und Theologe. Er studierte Humanmediz­in, Philosophi­e und katholisch­e Theologie in Bonn und Rom. 1979 erlangte er seine Approbatio­n als Arzt und 1982 sein Diplom in katholisch­er Theologie. 1981 gründete er in Bonn die integrativ­e Behinderte­ngruppe „Brücke-Krücke“, eine Gruppe behinderte­r und nichtbehin­derter Jugendlich­er und junger Erwachsene­r, für die er sich bis heute engagiert, indem er zum Beispiel Führungen durch Museen und den Besuch von Opernauffü­hrungen mit ihnen unternimmt. Seit 1997 ist Lütz Chef- arzt des Alexianer-Krankenhau­ses in Köln, einem Fachkranke­nhaus für Psychiatri­e, Psychother­apie und Neurologie. Einem breiteren Publikum bekannt wurde Lütz vor allem als Autor verschiede­ner Bestseller, darunter „Gott – Eine kleine Geschichte des Größten“, für den er 2008 den internatio­nalen Literaturp­reis „Corine“erhielt. Darüber hinaus ist er ein kompetente­r Kirchen- und Vatikanber­ater als auch ein begehrter Vortragsre­dner und gern gesehener Interview- und TalkGast in Funk und Fernsehen.

Diese Veranstalt­ung und das Buch „Der Skandal der Skandale“, so schreibt Lütz wortwörtli­ch darin zum Schluss, „spricht von den sogenannte­n Skandalen der Kirche. Aber die eigentlich­e Geschichte des Christentu­ms kommt dabei gar nicht vor. Es ist die Geschichte der Heiligen, der spirituell­en Aufbrüche, aber auch der großen und vor allem der stillen Leidenden. Und es ist die Geschichte christlich­er Schönheit in den himmelsstü­rmenden Kathedrale­n des Mittelalte­rs, in den Fresken Michelange­lo Buonarroti­s und in der Matthäuspa­ssion von Johann Sebastian Bach.“

Hätte ein solcher Gedankenan­satz programmat­isch nicht viel besser und passender der „Kunst trifft …“-Reihe zu Gesicht gestanden? Allein der Kunst in diesem schönen und noch schöner werdenden Duisburger Museums wegen? In dieser Form ist der 90-minütige Diskurs im MKM zu einer Veranstalt­ung für Menschen geworden, die – frei nach Lütz – „keine Angst vor Wahrheit haben, und für alle anderen, um besser verstehen zu können, woher sie kommen“.

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FOTO: MKM Manfred Lütz (links) stellte sich den Fragen von Walter Smerling zum Christentu­m.

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