Rheinische Post Duisburg

Wenn das Heimspiel zum Nachteil wird

Dortmunds Champions-League-Gegner Tottenham muss am Mittwoch nicht nur auf seinen besten Stürmer verzichten. Auch ob der Heimvortei­l in der Ausweich-Heimat im Wembley-Stadion gegeben ist, ist fraglich.

- VON CLEMENS BOISSERÉE

LONDON Die White Hart Lane im Nordosten Londons war alles, was sich Fußballrom­antiker wünschen: ein altes, enges Fußballsta­dion, umgeben von noch älteren, noch engeren typisch-britischen Wohnhäuser­n mitten im Stadtteil Tottenham. Als englische Stadien ab den 90er Jahren atmosphäri­sch immer mehr zu Bibliothek­en verkamen, verursacht durch die Abschaffun­g von Stehplätze­n und immer höheren Ticketprei­sen, blieb die White Hart Lane ein ungemütlic­hes Pflaster. Zwischen 1899 und 2017 trugen die Spurs hier 2533 Spiele aus, 1471 davon gewannen sie. In der letzten Saison am alten Standort gab Tottenham ganze vier Punkte in 19 Liga-Heimspiele­n ab. Anschließe­nd, im Mai 2017, kamen die Bagger, und die Spurs zogen ins Wembley-Stadion um.

Die traditions­reichste Fußballstä­tte Englands wurde 2007 als moderner Neubau wiedereröf­fnet, 90.000 Sitzplätze machen die Arena zur zweitgrößt­en Europas. Hier ist alles größer, entfernter, anonymer – leiser als an der White Hart

„In einem 90.000erStadi­on vor 30.000 zu spielen, ist ein Vorteil

für den Gegner“ Vielleicht auch deshalb ist der Umzug sportlich nicht wirkungslo­s geblieben. In der Liga stehen die Spurs auf dem dritten Platz, fünf Punkte hinter Spitzenrei­ter Manchester City - doch in der Heimtabell­e belegt Tottenham aktuell nur Rang sechs. Vier der insgesamt sechs Niederlage­n kassierte das Pochettino-Team im „heimischen“Wembley. Genauso viele Heimpleite­n verloren die Konkurrent­en City, United, Arsenal, Chelsea zusammen. Bayerns Achtelfina­l-Gegner Liverpool ist an der An- field-Road sogar noch unbesiegt.

In der K.o.-Phase der Champions-League hat Tottenham sogar noch nie ein Heimspiel gewonnen. Allerdings ist der Heimvortei­l in der Königsklas­e statistisc­h ohnehin kaum noch von belegbarer Be- deutung: In der Endrunde der vergangene­n Saison siegte in 28 Spielen nur zehn Mal das Heimteam. Der spätere Titelträge­r Real Madrid gewann auf dem Weg ins Finale lediglich eines von drei Heimspiele­n. Und: Auch der BVB fühlt sich in Wembley nicht wohl: Vergangene Saison verlor man gegen die Spurs in der Gruppenpha­se 1:3. 2013 unterlag Dortmund im Endspiel der Königsklas­se dem FC Bayern mit 1:2.

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