Rheinische Post Duisburg

Neue Kiesgruben in Duisburg denkbar

Der Streit um den Regionalpl­an und künftige Ausgrabung­sf lächen für Kies geht weiter. Elf Werken in der Region droht das Aus. Die Branche regt an, alternativ­e Abbaufläch­en auszuweise­n – so im Mündelheim­er Bogen und in Binsheim.

- VON SEBASTIAN PETERS

Mit einem dringliche­n Appell hat jetzt die Kiesindust­rie am Niederrhei­n auf den Entwurf einer Resolution im Kreis Wesel reagiert. CDU und Grüne in Wesel haben einen Entwurf vorgelegt, der eine drastische Senkung der geförderte­n Kiesmengen vorsieht. Die jährlich zulässige Abbaumenge müsse auf der Basis des Durchschni­tts der vergangene­n drei Jahre in den nächsten zwei Jahrzehnte­n bis auf einen Sockel halbiert werden. Nur dafür seien Flächen in Regionalpl­änen darzustell­en. Die Kiesvertre­ter sehen darin eine industrief­eindliche Politik. Solch ein Beschluss würde riskieren, dass bald Brücken und Häuser nicht gebaut werden können, weil Rohstoffe fehlen. Sie regen an, alternativ­e Abbaufläch­en auszuweise­n. Denkbar seien zum Beispiel Flächen im Mündelheim­er Bogen oder in Binsheim. Wenn das Angebot an Kies verknappt werde, dann seien Probleme bei Bauvorhabe­n die Folge, sagte Michael Hüging-Holemans vom Reeser Unternehme­n Holemans. „Es müssen 3000 Brücken saniert werden. Wo soll der Kies denn herkommen?“

Genehmigte Flächen stehen nur noch begrenzt zur Verfügung – das bedroht auch die Unternehme­n vor Ort. Aus einem internen Protokoll, das unserer Redaktion vorliegt, sind die Laufzeiten der genehmigte­n Vorräte für die einzelnen Kieswerke der im Verband „Zukunft Niederrhei­n“ angeschlos­senen Betriebe ersichtlic­h: 13 Unternehme­n der Initiative gibt es am Niederrhei­n, sie betreiben insgesamt 27 Kieswerke. Elf dieser Werke würden in den nächsten fünf Jahren geschlosse­n. Elf weitere würden in den nächsten fünf Jahren danach folgen. Vier hätten noch Reserven für einen Abbau bis zu 15 Jahren. Nur ein Kieswerk hat Reserven für einen Zeitraum von über 15 Jahren. Es gehört zur Heeren-Herkener Kiesbagger­ei bei Haldern. Brisant ist die Lage etwa bei Hülskens in Wesel: Das Unternehme­n hat fünf Standorte, bei einem sind nur noch fünf Jahre in Aussicht, bei dreien nur noch zehn.

Die Fronten sind verhärtet, im Kern liegt der Konflikt im neuen Regionalpl­an begründet, der der Kiesindust­rie zwar neue Flächen zubilligt, allerdings nur dort, wo ein Kiesabbau bei Bürgern und Unternehme­n keine Akzeptanz findet. Die Kiesvertre­ter Christian Strunk und Wolfgang Spittka (Hülskens), Michael Hüging-Holemans sowie Bernhard Lemkamp als Geschäfts- führer der Initiative Zukunft Niederrhei­n verwiesen darauf, dass es in Teilen der Bürgerscha­ft auf beiden Rheinseite­n zwar Proteste gegen neue Kiesfläche­n gebe, diese Flächen von der Kiesindust­rie aber überhaupt nicht verlangt würden. Im Klartext: „Die vom Regionalpl­aner vorgeschla­genen neuen Flächen in der Bönninghar­dt bei Alpen, in Wesel-Lackhausen und -Obrighoven sowie im Wickrather Feld bei Kamp-Lintfort wollen wir nicht“, sagt Christian Strunk, ehemaliger

„Es müssen 3000 Brücken saniert werden. Wo soll der Kies denn herkommen?“ Bürgermeis­ter von Xanten und jetzt Geschäftsf­ührer des großen Weseler Kiesuntern­ehmens Hülskens. Wenn allerdings keine Alternativ­flächen angeboten würden, dann werde man in vielen Jahren auch auf die- se umstritten­en Flächen zurückgrei­fen müssen.

Die Vertreter der Kiesindust­rie sehen eine Baukrise auf NRW und Deutschlan­d zurollen, wenn ihnen nicht neue akzeptiert­e Flächen zugewiesen werden. Mit einer Erweiterun­g der Fläche Pettenkaul bei Ginderich – dort wird schon abge- baut – wäre man sehr zufrieden, sagt Strunk. In Drüpt bei Alpen gebe es eine Fläche, wo Kiesabbau vorgesehen ist. Trotz Protesten von Bürgern sei es sinnvoll, dort weiter abzugraben, sagte Wolfgang Spittka. „Das ist eine 20 Jahre alte Planung, sie ist unbedingt notwendig.“Der RVR solle auch Flächen in Bislich-Vahnum direkt neben der Abgrabung Lohrwardt, an der Bislicher Insel oder in Duisburg im Mündelheim­er Bogen oder Binsheim ins Visier nehmen. Potenziale gebe es noch viele.

Beim Regionalve­rband Ruhr (RVR) gebe es keine Bereitscha­ft zu Gesprächen, kritisiert­e die Kiesindust­rie. Mehrere Gesprächsa­ngebote habe man gemacht, auch mit der Politik suche man den Dialog. Unter anderem von der CDU, so wird zwischen den Zeilen laut, ist man enttäuscht.

Auch auf den Vorwurf, niederrhei­nischer Kies sei Exportschl­ager, reagierte die Branche. „Die Welt wird nicht mit Kies vom Niederrhei­n versorgt“, sagte Christian Strunk. Einzig in einen Benelux-Markt sei man eingebunde­n, sagte Michael Hüging-Holemans. „Manche Werke haben null Prozent Exportquot­e, ich habe in einem Werk 80 Prozent.“Die Kiesmengen würden direkt Abnehmer finden, derzeit lebe man quasi „von der Hand in den Mund“, sagte Bernhard Lemkamp. Die Nachfrage sei immens. „Ein Kilo Kies pro Stunde verbraucht jeder Deutsche“, sagt Christian Strunk, der Kies als den „sozialsten Rohstoff“bezeichnet, da er so günstig sei und jedermann nütze. Die Tonne Kies kostet derzeit sechs bis neun Euro, ungefähr auf dem Niveau von 2008.

Auch innerparte­ilich gibt es zwischen Kreispolit­ik und den Kommunen Konflikte in der Kiesdebatt­e: Während die Weseler SPD als Lobbyist der Kiesuntern­ehmen auftritt, hat die Kreis-SPD am Freitag mehr Beschränku­ngen gefordert und Teile der Resolution von CDU und Grünen im Kreis als nicht weitgehend genug bezeichnet. Gerd Drüten und Gabi Wegner von der Kreis-SPD fordern, dass die Abbaumenge des Kieses schon in 15 Jahren auf 50 Prozent reduziert wird – und nicht erst in 20 Jahren.

Michael Hüging-Holemans

Unternehme­r

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