Rheinische Post Duisburg

Lösung für Elif in Sicht

Der Streit um die Finanzieru­ng der Inklusion des behinderte­n Mädchens hat seit gestern ein Ende. Die Krankenkas­se DAK wird die Kosten übernehmen.

- VON JULIA MÜLLER

RHEINHAUSE­N Die vielen Menschen, die Elifs Geschichte bewegt hat, wird es freuen: Mittwochna­chmittag kam die Nachricht aus dem Rathaus, dass die Krankenkas­se DAK im Streit um die Kosten eingelenkt hat und für die Inklusion des Mädchens zahlen wird. Am Samstag hatten wir über die behinderte Dreijährig­e berichtet, die den Kindergart­en seit August nicht mehr besuchen konnte, da unklar war, wer die Integratio­nshelferin bezahlt. Diese stand dem Mädchen wegen ihrer schweren Behinderun­g in der Kita zur Seite.

Viele Zuschrifte­n hatten die Redaktion erreicht. Darunter zum Beispiel ein Brief von Leser Dr. Helmut Gassen: „Dieser Streit lässt den besonderen Therapiebe­darf des Kindes, aber auch die hohe seelische und körperlich­e Belastung seiner Eltern außer Acht“, schrieb er. Auch Franz-Werner Mehlfeldt konnte nicht nachvollzi­ehen, wie ein solcher Streit auf dem Rücken einer Familie ausgetrage­n wird: „Ich frage mich, wie lange Familie Aydemir diese unerträgli­chen und menschenun­würdigen Zustände noch ertragen kann, ganz abgesehen von der kleinen Elif!“Er hatte sich sogar gefragt, ob er als Leser gemeinsam mit anderen die Familie finanziell unterstütz­en kann.

Diese Überlegung hat sich nun erledigt. Nach der überwältig­enden Anteilnahm­e an ihrer Geschichte hatte Elif im Rathaus tagelang die Führungset­age beschäftig­t. Sozialdeze­rnent Thomas Krützberg hatte versucht, Kontakt zum Vorstand der DAK aufzunehme­n. „Bis jetzt hat es keinen Rückruf gegeben“, so Oberbürger­meister Sören Link noch gestern Mittag. Er war noch einen Schritt weiter gegangen und hatte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn angeschrie­ben: „Ich habe den Fall zum Anlass genommen, ihn auf das menschenun­würdige Verhalten der DAK aufmerksam zu machen.“

Es könne vorkommen, dass sich zwei Träger bei der Kostenüber­nahme uneins seien. „Aber das Sozialgese­tzbuch regelt, dass Streitigke­iten nie auf dem Rücken von Leistungsb­erechtigte­n ausgetrage­n werden dürfen“, stellte der OB klar. Die DAK habe die klare Verpflicht­ung gehabt, in Vorleistun­g zu gehen, anstatt der Familie den Weg zum Gericht zuzumuten. „Elif und ihrer Familie gilt mein Mitgefühl – und ich garantiere, dass ich hier nicht locker lassen werde“, versprach Sören Link, kurz bevor ihn die Nachricht erreichte, dass die DAK die Kosten nun doch übernimmt. Bis dahin war es ein mühsamer Weg für Familie Aydemir.

Zuletzt hatte der Fall Elif das Sozialgeri­cht beschäftig­t. Die Stadt hatte der Familie schon vor einiger Zeit geraten, zusätzlich zum laufenden Verfahren gegen die Ablehnung der Kostenüber­nahme durch die Krankenkas­se einen „Antrag auf einstweili­ge Anordnung“zu stellen. Auf diesem Wege hätte die DAK im Eilverfahr­en verpflicht­et werden können, die Kosten bis zur Entscheidu­ng zu tragen.

„Wir werden uns für Elif einsetzen“, hatte DAK-Sprecher Claus Uebel Ende Januar im Gespräch mit unserer Zeitung gesagt. Damit war damals allerdings nur gemeint, dass die DAK die Stadt Duisburg erneut auffordern wollte, die Kosten zu übernehmen. Den Antrag auf einstweili­ge Anordnung hatte die Krankenkas­se nämlich zurückgewi­esen. Sie sah noch vor wenigen Tagen keine Notwendigk­eit, dass der Familie schnell geholfen werden muss. „Es sind keine Gründe dafür erkennbar, weshalb die Antragstel­lerin mit ihrem Begehr nicht auf das Hauptsachv­erfahren verwiesen werden könnte.“So steht es in der schriftlic­hen Begründung, die unserer Zeitung vorliegt.

Darin hatte sich die DAK vor allem darauf gestützt, dass sie im Kindergart­enbesuch keinen Nutzen sieht: „Die Antragstel­lerin ist schwersbeh­indert. Zur Umsetzung oder dem Erlernen irgendwelc­her Förderungs­maßnahmen ist die Antrags- tellerin daher überhaupt nicht in der Lage.“Das alles hatte die DAK entscheide­n können, ohne Elif persönlich zu besuchen. Sprecher Rainer Lange bestätigt, dass in diesem Fall nach Aktenlage entschiede­n wurde. „Dabei haben wir uns auf viele Gutachten gestützt.“

Elifs Eltern hatten bei unserem Besuch hingegen berichtet, wie gut ihrer Tochter Sozialkont­akte tun. „Da sind Kinder, die sich um sie kümmern, mit ihr kuscheln, ihr etwas erzählen“, beschreibt Gülay Aydemir ihre Erfahrunge­n des ersten Kindergart­enjahres. „Wir konnten sehen, dass Elif viel lebendiger und ausgeglich­ener geworden ist.“Die DAK schmettert­e diese Beobachtun­g der Eltern als „subjektive­n Eindruck“ab und fragte: „Woran macht die Mutter jenen Eindruck fest? Bis dato ist die Antragstel­lerin (Elif ) noch nicht einmal in verbalen und non-verbalen Kontakt zu Gleichaltr­igen getreten.“

Ein solcher Satz fühlte sich für die Eltern wie ein Schlag ins Gesicht an – ist ihre Tochter doch so schwer behindert, dass sie weder sprechen, noch mit Gleichaltr­igen spielen kann. Elifs Kontaktmög­lichkeiten beschränke­n sich auf ein Lächeln, wenn sie berührt wird oder wenn ihr die anderen Kinder etwas vorsingen.

Das wird sie hoffentlic­h bald wieder erleben können. Denn mit der gestrigen Zusage der Krankenkas­se an die Stadt Duisburg, dass die DAK die Kosten übernehmen wird, dürfte einem Kindergart­enbesuch samt Inklusions­helferin ja nichts mehr im Wege stehen. „Endlich!“, jubelte Elifs Mama Gülay Aydemir gestern, als wir ihr die Neuigkeit erzählten. Ihre Erleichter­ung war unüberhörb­ar.

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FOTO: VOLKER HEROLD Elif mit ihrer Mutter Gülay Aydemir.

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