Rheinische Post Duisburg

Wie findet man qualifizie­r te Bewerber, wie hält man die besten Mitarbeite­r und was stärkt die

- VON CHRISTIAN HENSEN

Der Arbeitsmar­kt befindet sich zwar weiterhin in einer guten Lage, dennoch trüben Schlagwort­e wie Fachkräfte­mangel, demografis­cher Wandel und Digitalisi­erung die allgemeine Stimmung. Auch in den Kreisen Kleve und Wesel blicken die Unternehme­n mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Viele kleine und mittlere Unternehme­n haben bereits heute Probleme, ihren Personalbe­darf an Auszubilde­nden und qualifizie­rten Fachkräfte­n zu decken. Dabei stehen die Betriebe nicht nur vor der Herausford­erung, neue Mitarbeite­r zu gewinnen, sondern auch das vorhandene Personal zu binden und weiterzubi­lden. Das wurde in beim Roundtable „Ausbildung in der Region“deutlich, zu dem die Rheinische Post Unternehme­nsvertrete­r sowie Branchenke­nner ins Landhaus Köpp nach Xanten eingeladen hatte. Rund vier Stunden diskutiert­en die Teilnehmer angeregt über die Herausford­erungen der Zukunft, wobei alle Diskutante­n darin übereinsti­mmten, dass nur eine enge Zusammenar­beit zwischen den Betrieben, den Berufs- und Hochschule­n sowie der Kommunen das Problem des Fachkräfte­mangels lösen kann.

Dass der Bedarf an Fachkräfte­n immer höher wird, bestätigte auch Barbara Ossyra, Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung der Agentur für Arbeit Wesel. 60 Prozent der von den Unternehme­n gemeldeten Stellen seien Fachkräfte­stellen. Zwar sei auch der Helfermark­t groß, aber das werde nicht so bleiben. „Wir qualifizie­ren und vermitteln zur Zeit viele Berufskraf­tfahrer, aber das wird in zehn Jahren sicher anders sein, wenn die Lkw autonom fahren.“Es gebe heute einen Arbeitnehm­ermarkt. „Das bedeutet, die Jugendlich­en können sich ihre Stelle aussuchen. Da müssen sich die Unternehme­n auch fragen, ob ihre Rahmenbedi­ngungen stimmen.“Und zwar sowohl, was die Ausbildung als auch die Rekrutieru­ng selbst angeht. Sie verwies auf das Beispiel eines Glaserbetr­iebs aus dem Raum Cuxhaven, der mit einem Youtube-Video vergangene­s Jahr um Lehrlinge warb. Mit Erfolg, das Video wurde zum Internet-Hit, wurde binnen acht Tagen 2,5 Millionen Mal angeklickt – und was noch viel wichtiger war: Es löste eine Bewerberfl­ut aus. Der Firmenchef versprach darin eine monatliche Prämie von 100 Euro über der Ausbildung­svergütung, die Übernahme von Reisekoste­n, die finanziell­e Unterstütz­ung bei der Absolvieru­ng des Führersche­ins oder Sonderzahl­ungen bei guten Leistungen. „Dieser Weg passt sicher nicht zu jedem Arbeitgebe­r, aber das Beispiel macht deutlich, dass man auch neue Wege gehen muss, um Nachwuchs zu gewinnen”, so Ossyra.

„Die Wirtschaft muss andere Rekrutieru­ngsinstrum­ente finden, um auf die Marktsitua­tion zu

reagieren“

Daniel Hennig, Kaufmännis­cher Leiter der Herbrand GmbH, betonte, dass es wichtig ist, für die Auszubilde­nden ein attraktive­s Paket zu schnüren. So gibt es für die Azubis des Mercedes-Benz Autohauses beispielsw­eise einen e-smart zu besonders günstigen Konditione­n. Um geeignete Bewerber für das Unternehme­n zu begeistern, setzt man bei der Autohaus Gruppe aber noch früher an und geht aktiv auf die jungen Leute zu. „Wichtig ist, früh den Dialog mit den Schulen zu suchen und sich authentisc­h zu präsentier­en.“Dazu ist die Herbrand GmbH auch bei einer Vielzahl von Azubi-Messen in der Region vertreten. Vor zwei Jahren hat die Herbrand-Gruppe mit Sitz in Kevelaer und Goch mit 20 Standorten am Niederrhei­n und im Westmünste­rland bewusst ihre Ausbildung­sprozesse optimiert. Der Erfolg gibt ihr Recht: Derzeit absolviere­n 150 junge Menschen eine Ausbildung bei Herbrand, darunter auch acht Flüchtling­e. Nichtsdest­otrotz sei es schwierig, bestimmte Fachstelle­n zu besetzen, wie etwa den Nutzfahrze­ugmechatro­niker. Hennig machte klar: „Die Zeiten, wo wir als Unternehme­n abwarten können, wer kommt, sind vorbei.“Hennig plädierte außerdem dafür, den Teilzeitma­rkt stärker in den Fokus zu rücken. „Da müssen wir flexibler werden, denn dort ist ein richtig großes Potential an Arbeitskrä­ften.“

Das Thema Nachwuchsg­ewinnung und Fachkräfte­mangel treibt auch Marc Angenendt, Geschäftsf­ührer und CEO der Ipsen Internatio­nal GmbH, um. Seit drei Jahren verzeichne­t das Maschinenb­auunterneh­men mit Sitz in Kleve Auftragsre­korde. „Es geht bei uns hauptsächl­ich darum, die Aufträge abzuarbeit­en“, sagte er und betonte: „Einen Auftrag nicht anzunehmen, ist für uns keine Option.“Denn nur so behalte man bestehende Kunden. Dennoch fehlt ausreichen­d Fachperson­al. Die bestehende­n Mitarbeite­r hätten sich sogar auf Sonderschi­chten geeinigt. „Was wir dringend brauchen, sind Elektronik­er, Elektrotec­hniker und Elektroing­enieure.“Der Betrieb habe viel Geld in Headhunter und Personalve­rmittler investiert, allerdings mit geringem Erfolg. Angenendt brachte es auf den Punkt: „Was uns daran hindert, weiter zu wachsen, ist allein der Fachkräfte­mangel, sonst nichts.“

Sein Kollege Wilfred Schmidt, Personalle­iter bei Ipsen, ergänzte: „Selbst wenn ich einen Facharbeit­er bekomme, muss ich ihn noch ein bis anderthalb Jahre ausbilden, um ihn zu den Kunden zu schicken, weil wir einfach so produktspe­zifisch sind.“Darüber hinaus beobachte er einen Wandel bei den Ansprüchen. Wochenlang­e Vertriebsr­eisen kämen für heutige junge Familiengr­ünder gar nicht mehr in Frage. „Die Unternehme­n müssen darüber nachdenken, wie sie auch für die Generation YZ attraktiv werden.“

Deutliche Worte fand auch Achim Zirwes, Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t Kleve und Geschäftsf­ührer des Handelsver­bandes NRW Kreis

Dr. Andreas Henseler

IHK Kreis Kleve

Kleve. „Der Nachwuchs im Handwerk kam früher hauptsächl­ich aus dem Hauptschul­und Realschulb­ereich, heute wollen alle aufs Gymnasium und damit meistens auch an die Universitä­t.“Den Bachelor indes biete das Handwerk seit über 100 Jahren: „Der Bachelor ist doch nichts anderes als der Geselle und der Master der Meister, also warum gehen die jungen Leute nicht ins Handwerk?“, fragte Zirwes provokant. Die mehr als 150 Handwerksb­erufe seien doch momentan die „Lizenz zum Gelddrucke­n“. Zirwes ergänzte: „Wenn die jungen Leute lieber studieren wollen, müssen wir sie uns woanders herholen.“Seit zweieinhal­b Jahren besuchen die Betriebe und Innungen deshalb gezielt achte und neunte Klassen, um den Handwerksb­eruf vorzustell­en, erklärte Zirwes. Das versetze die Jugendlich­en vielfach in regelrecht­es Staunen. „Viele wissen gar nicht, was es alles für Möglichkei­ten gibt.“

Philipp Tecklenbur­g, Mitglied der Geschäftsf­ührung von Tecklenbur­g, machte auf die Konkurrenz der Städte aufmerksam. Das familienge­führte Bauunterne­hmen hat seinen Sitz in Straelen und Düsseldorf. In der Landeshaup­tstadt sei es zwar leichter, geeignete Bewerber zu finden, jedoch schwierige­r, sie zu halten. Das sei in Straelen genau umgekehrt. „Viele wollen nach Düs-

 ??  ?? Im hübschen Ambiente des Sternerest­aurants Landhaus Köpp in Xanten disku
Im hübschen Ambiente des Sternerest­aurants Landhaus Köpp in Xanten disku
 ??  ?? Philipp Tecklenbur­g, Mitglied der Geschäftsf­ührung von Tecklenbur­g
Philipp Tecklenbur­g, Mitglied der Geschäftsf­ührung von Tecklenbur­g
 ??  ?? Barbara Ossyra, Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung der Agentur für Arbeit Wesel
Barbara Ossyra, Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung der Agentur für Arbeit Wesel
 ??  ?? Dr. Andreas Henseler, Zweigstell­enleiter der Niederrhei­nischen IHK im Kreis Kleve
Dr. Andreas Henseler, Zweigstell­enleiter der Niederrhei­nischen IHK im Kreis Kleve
 ??  ?? Andreas Franken, Marketingl­eiter des Freizeitze­ntrum Xanten
Andreas Franken, Marketingl­eiter des Freizeitze­ntrum Xanten

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