Wie findet man qualifizier te Bewerber, wie hält man die besten Mitarbeiter und was stärkt die
Der Arbeitsmarkt befindet sich zwar weiterhin in einer guten Lage, dennoch trüben Schlagworte wie Fachkräftemangel, demografischer Wandel und Digitalisierung die allgemeine Stimmung. Auch in den Kreisen Kleve und Wesel blicken die Unternehmen mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Viele kleine und mittlere Unternehmen haben bereits heute Probleme, ihren Personalbedarf an Auszubildenden und qualifizierten Fachkräften zu decken. Dabei stehen die Betriebe nicht nur vor der Herausforderung, neue Mitarbeiter zu gewinnen, sondern auch das vorhandene Personal zu binden und weiterzubilden. Das wurde in beim Roundtable „Ausbildung in der Region“deutlich, zu dem die Rheinische Post Unternehmensvertreter sowie Branchenkenner ins Landhaus Köpp nach Xanten eingeladen hatte. Rund vier Stunden diskutierten die Teilnehmer angeregt über die Herausforderungen der Zukunft, wobei alle Diskutanten darin übereinstimmten, dass nur eine enge Zusammenarbeit zwischen den Betrieben, den Berufs- und Hochschulen sowie der Kommunen das Problem des Fachkräftemangels lösen kann.
Dass der Bedarf an Fachkräften immer höher wird, bestätigte auch Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Wesel. 60 Prozent der von den Unternehmen gemeldeten Stellen seien Fachkräftestellen. Zwar sei auch der Helfermarkt groß, aber das werde nicht so bleiben. „Wir qualifizieren und vermitteln zur Zeit viele Berufskraftfahrer, aber das wird in zehn Jahren sicher anders sein, wenn die Lkw autonom fahren.“Es gebe heute einen Arbeitnehmermarkt. „Das bedeutet, die Jugendlichen können sich ihre Stelle aussuchen. Da müssen sich die Unternehmen auch fragen, ob ihre Rahmenbedingungen stimmen.“Und zwar sowohl, was die Ausbildung als auch die Rekrutierung selbst angeht. Sie verwies auf das Beispiel eines Glaserbetriebs aus dem Raum Cuxhaven, der mit einem Youtube-Video vergangenes Jahr um Lehrlinge warb. Mit Erfolg, das Video wurde zum Internet-Hit, wurde binnen acht Tagen 2,5 Millionen Mal angeklickt – und was noch viel wichtiger war: Es löste eine Bewerberflut aus. Der Firmenchef versprach darin eine monatliche Prämie von 100 Euro über der Ausbildungsvergütung, die Übernahme von Reisekosten, die finanzielle Unterstützung bei der Absolvierung des Führerscheins oder Sonderzahlungen bei guten Leistungen. „Dieser Weg passt sicher nicht zu jedem Arbeitgeber, aber das Beispiel macht deutlich, dass man auch neue Wege gehen muss, um Nachwuchs zu gewinnen”, so Ossyra.
„Die Wirtschaft muss andere Rekrutierungsinstrumente finden, um auf die Marktsituation zu
reagieren“
Daniel Hennig, Kaufmännischer Leiter der Herbrand GmbH, betonte, dass es wichtig ist, für die Auszubildenden ein attraktives Paket zu schnüren. So gibt es für die Azubis des Mercedes-Benz Autohauses beispielsweise einen e-smart zu besonders günstigen Konditionen. Um geeignete Bewerber für das Unternehmen zu begeistern, setzt man bei der Autohaus Gruppe aber noch früher an und geht aktiv auf die jungen Leute zu. „Wichtig ist, früh den Dialog mit den Schulen zu suchen und sich authentisch zu präsentieren.“Dazu ist die Herbrand GmbH auch bei einer Vielzahl von Azubi-Messen in der Region vertreten. Vor zwei Jahren hat die Herbrand-Gruppe mit Sitz in Kevelaer und Goch mit 20 Standorten am Niederrhein und im Westmünsterland bewusst ihre Ausbildungsprozesse optimiert. Der Erfolg gibt ihr Recht: Derzeit absolvieren 150 junge Menschen eine Ausbildung bei Herbrand, darunter auch acht Flüchtlinge. Nichtsdestotrotz sei es schwierig, bestimmte Fachstellen zu besetzen, wie etwa den Nutzfahrzeugmechatroniker. Hennig machte klar: „Die Zeiten, wo wir als Unternehmen abwarten können, wer kommt, sind vorbei.“Hennig plädierte außerdem dafür, den Teilzeitmarkt stärker in den Fokus zu rücken. „Da müssen wir flexibler werden, denn dort ist ein richtig großes Potential an Arbeitskräften.“
Das Thema Nachwuchsgewinnung und Fachkräftemangel treibt auch Marc Angenendt, Geschäftsführer und CEO der Ipsen International GmbH, um. Seit drei Jahren verzeichnet das Maschinenbauunternehmen mit Sitz in Kleve Auftragsrekorde. „Es geht bei uns hauptsächlich darum, die Aufträge abzuarbeiten“, sagte er und betonte: „Einen Auftrag nicht anzunehmen, ist für uns keine Option.“Denn nur so behalte man bestehende Kunden. Dennoch fehlt ausreichend Fachpersonal. Die bestehenden Mitarbeiter hätten sich sogar auf Sonderschichten geeinigt. „Was wir dringend brauchen, sind Elektroniker, Elektrotechniker und Elektroingenieure.“Der Betrieb habe viel Geld in Headhunter und Personalvermittler investiert, allerdings mit geringem Erfolg. Angenendt brachte es auf den Punkt: „Was uns daran hindert, weiter zu wachsen, ist allein der Fachkräftemangel, sonst nichts.“
Sein Kollege Wilfred Schmidt, Personalleiter bei Ipsen, ergänzte: „Selbst wenn ich einen Facharbeiter bekomme, muss ich ihn noch ein bis anderthalb Jahre ausbilden, um ihn zu den Kunden zu schicken, weil wir einfach so produktspezifisch sind.“Darüber hinaus beobachte er einen Wandel bei den Ansprüchen. Wochenlange Vertriebsreisen kämen für heutige junge Familiengründer gar nicht mehr in Frage. „Die Unternehmen müssen darüber nachdenken, wie sie auch für die Generation YZ attraktiv werden.“
Deutliche Worte fand auch Achim Zirwes, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Kleve und Geschäftsführer des Handelsverbandes NRW Kreis
Dr. Andreas Henseler
IHK Kreis Kleve
Kleve. „Der Nachwuchs im Handwerk kam früher hauptsächlich aus dem Hauptschulund Realschulbereich, heute wollen alle aufs Gymnasium und damit meistens auch an die Universität.“Den Bachelor indes biete das Handwerk seit über 100 Jahren: „Der Bachelor ist doch nichts anderes als der Geselle und der Master der Meister, also warum gehen die jungen Leute nicht ins Handwerk?“, fragte Zirwes provokant. Die mehr als 150 Handwerksberufe seien doch momentan die „Lizenz zum Gelddrucken“. Zirwes ergänzte: „Wenn die jungen Leute lieber studieren wollen, müssen wir sie uns woanders herholen.“Seit zweieinhalb Jahren besuchen die Betriebe und Innungen deshalb gezielt achte und neunte Klassen, um den Handwerksberuf vorzustellen, erklärte Zirwes. Das versetze die Jugendlichen vielfach in regelrechtes Staunen. „Viele wissen gar nicht, was es alles für Möglichkeiten gibt.“
Philipp Tecklenburg, Mitglied der Geschäftsführung von Tecklenburg, machte auf die Konkurrenz der Städte aufmerksam. Das familiengeführte Bauunternehmen hat seinen Sitz in Straelen und Düsseldorf. In der Landeshauptstadt sei es zwar leichter, geeignete Bewerber zu finden, jedoch schwieriger, sie zu halten. Das sei in Straelen genau umgekehrt. „Viele wollen nach Düs-