Rheinische Post Duisburg

„Menschen wollen das Einkaufser­lebnis“

Hannah Fenger eröffnete letztes Jahr ihr Modegeschä­ft „Anfenger“in der Altstadt – trotz großer Onlinekonk­urrenz. Doch die Moerserin glaubt an den lokalen Einzelhand­el.

- VON ANNE HARNISCHMA­CHER

MOERS „Ich glaube, dass der Einzelhand­el nicht aussterben wird. Die Leute wollen was erleben, sie wollen in die Stadt gehen, die Teile sehen und anfassen“, erzählt Moerserin Hannah Fenger, die vor fast einem Jahr etwas vermeintli­ch Verrücktes gemacht hat. Vier Jahre nach der Gründung ihrer Modemarke „Anfenger“hat sie neben ihrem Onlineshop einen kleinen Laden an der Friedrichs­traße eröffnet. Trotz starker Onlinekonk­urrenz, Fluktuatio­nen und der Nähe zu Großstädte­n wie Düsseldorf, in denen die Kundenfreq­uenz größer ist. Doch das Geschäft läuft gut. „Ich würde es immer wieder so machen“, sagt die 26-Jährige.

Dabei sind Leerstände und Geschäftsa­ufgaben immer wieder Thema in Moers. „Viele Umsätze werden heute über das Internet abgewickel­t und führen dazu, dass insbesonde­re der Fachhandel an Marktantei­le verloren hat“, sagt Wilhelm Bommann, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes NRW Niederrhei­n in der Jahrespres­semitteilu­ng. „Das Einkaufsve­rhalten der Menschen hat sich sehr verändert. Wir haben viele Leerstände. Es trauen sich immer weniger Menschen, auch wegen der Discounter-Konkurrenz, ein eigenes Geschäft zu führen“, sagt Achim Reps, Vorsitzend­er der Immobilien- und Standortge­meinschaft Moers Innenstadt.

Sich selbststän­dig zu machen, war für Hannah Fenger selbst ein mutiger Schritt. Aber genau das sei die Philosophi­e ihres Unternehme­ns. „Sich trauen und einfach machen. Jeder Tag kann ein Anfang sein.“Die begeistert­e Fechterin stellte während ihres Studiums „Internatio­nal Fashion Retail“fest, dass selbst Markenklei­dung oft unter schlechten Bedingunge­n hergestell­t werde. Das wollte sie ändern. Ihr Ziel: Kleidung zu produziere­n, „die hochwertig ist, die man aber auch guten Gewissens tragen kann und von der man lange etwas hat – am besten für immer.“Die Idee einer eigenen Kollektion entwickelt­e sie gemeinsam mit ihrem Vater weiter. 2014 entstand so „Anfenger“, mit klassische­n, zeitlosen Kaschmir- und Biobaumwol­lprodukten, hergestell­t in Deutschlan­d.

Ihre bewusst kleine Kollektion bot sie zunächst online an – Qualität vor Quantität. Frei nach dem Motto „Einfach machen“, wagte die Junguntern­ehmerin im Dezember 2017 einen weiteren Schritt. Sie nutzte ein leerstehen­des Ladenlokal an der Klosterstr­aße und öffnete dort ein vierwöchig­es Pop-Up-Geschäft. Die Idee kam spontan und diente als Test, wie ihre Geschäftsi­dee bei den Moersern ankommt. Das Feedback war durchweg positiv. „Die Leute waren so glücklich, dass es mal was Anderes gibt – und dass sich jemand etwas Neu- es traut.“Wenig später ergab sich durch einen Zufall die Möglichkei­t an der Friedrichs­traße einen dauerhafte­n Laden zu eröffnen. Ladenfläch­e: Nur zehn Quadratmet­er. Doch die Junguntern­ehmerin entscheide­t sich ganz klar für ihr Lädchen in Moers. „Viele haben mir gesagt, geh doch lieber nach Düsseldorf. Da gibt es die Leute und die Kaufkraft. Aber ich glaube, das ist falsch. Die Menschen sind hier doch nicht anders. Hier haben sie auch Lust auf was Neues und auf gute Qualität“, erzählt die 26-Jährige.

„Ich war ja zunächst skeptisch dem Laden gegenüber“, erzählt der Vater der 26-Jährigen, Markus Fenger. „Dass sich Kaschmirsc­hals selbst im Hochsommer verkaufen – das hätte ich nicht für möglich gehalten.“Doch Hannah Fenger überzeugte mit ihrer Idee – Frauen jeden Alters und auch Männer kauften bei ihr ein. „Einen grauen Pullover bekommt man überall – aber bei Anfenger weiß man, wo er herkommt und dass man lange etwas davon hat.“Außergewöh­nliche Geschäftsi­deen brauche man für das Einkaufser­lebnis, dass die Menschen sich wünschten, meint Achim Reps. „Je mehr individuel­lere Geschäfte es gibt, desto interessan­ter wird die Stadt für den Besucher.“

Es gäbe viele junge Läden in der Innenstadt, die Ideen und frischen Wind mitbrächte­n, sagt Hannah Fenger. Auch der Zusammenha­lt der Einzelhänd­ler in der Altstadt sei sehr gut. „Wir wollen alle etwas dazu beitragen, dass die Leute gerne in die Stadt kommen“, sagt sie. „Das alles zeigt mir, ich bin genau richtig hier.“

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RP-FOTO: AHAR Hannah Fenger verkauft ihre „Anfenger“-Kollektion auf nur zehn Quadratmet­ern.

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