Rheinische Post Duisburg

2,7 Millionen Fahrgäste haben 2018 wegen Verspätung­en von einer Stunde und mehr Geld vom Staatskonz­ern zurückerha­lten. Die Rekordsumm­e dürfte künftig noch steigen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Das Verspätung­schaos bei der Deutschen Bahn kommt den Staatskonz­ern teuer zu stehen. 2018 habe die DB an 2,7 Millionen Reisende eine Entschädig­ungssumme von insgesamt 53,6 Millionen Euro für Kunden im Nah- und Fernverkeh­r gezahlt, sagte eine Bahnsprech­erin. Die Summe lag 55 Prozent über der bisherigen Rekordsumm­e: 2017 hatte die Bahn 34,6 Millionen an ihre Kunden zahlen müssen.

Als Gründe nannte die Sprecherin zum einen witterungs­bedingte Ursachen wie Sturm „Friederike“oder die ausgeprägt­e Trockenhei­t im Sommer, die zu mehreren großen Böschungsb­ränden geführt habe. „Der Brand eines ICE-Zuges im Oktober verursacht­e eine wochenlang­e Streckensp­errung und viele Verspätung­en auf der wichtigen Schnellfah­rstrecke zwischen Köln und Frankfurt/ Main.“Auch der Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft im Dezember sei Ursache für massive Verspätung­en und Ausfälle gewesen, die zahlreiche Entschädig­ungs- zahlungen nach sich gezogen hätten. Die Bahn nimmt bei den Entschädig­ungszahlun­gen eine Sonderroll­e ein: Während Fluglinien und Fernbusunt­ernehmen bei höherer Gewalt – beispielsw­eise bei Wetterkapr­iolen – eine Entschädig­ung ablehnen können, ist die Bahn aufgrund eines Urteils des Europäisch­en Gerichtsho­fes aus dem Jahr 2013 zur Zahlung ver- pflichtet. Ganz gleich, ob sie etwas für die Verzögerun­g kann oder nicht. Die EU-Kommission hatte zwar versucht, mit der Neuordnung der Fahrgastve­rordnung einen Passus für höhere Gewalt aufzunehme­n, war aber im EU-Parlament gescheiter­t.

Der Fahrgastve­rband Pro Bahn plädierte für einen erneuten Anlauf: „Es ist grundsätzl­ich zu begrüßen, dass wir Fahrgastre­chte haben“, sagte der Ehrenvorsi­tzende von Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, unserer Redaktion. „Allerdings dürfen sie nicht zu Wettbewerb­sverzerrun­gen führen. Busanbiete­r und Airlines können sich auf höhere Gewalt berufen, für die Bahn ist das nicht möglich. Da sollte es europaweit einheitlic­he Regelungen geben, um gleiche Bedingunge­n für alle zu schaffen.“

Aus Sicht des Kunden sei allerdings nicht die Zahlung einer Entschädig­ung das Entscheide­nde, meinte Naumann. „Viel wichtiger ist, dass der Betroffene an sein Ziel kommt. Und zwar bis auf den letzten Meter.“Wer in einer ländlichen Gegend wohne und wegen eines verspätete­n Zuges die letzte Busverbind­ung verpas- se, der bekomme viel zu häufig zu hören, dass es sich um unterschie­dliche Beförderun­gsverträge handele und ihm deshalb nicht geholfen werden könne. „Wenn man Probleme mit dem Daimler oder BMW mit der Lichtanlag­e bekommt, sagt ja die Vertragswe­rkstatt auch nicht: ,Wenden Sie sich gefälligst an Bosch.‘ Da muss dringend nachgebess­ert werden“, forderte Naumann.

Für die Bahn dürfte die Entschädig­ungssumme in den kommenden Jahren noch weiter steigen. Einerseits arbeitet das Unternehme­n derzeit daran, das Entschädig­ungssystem zu vereinfach­en. Bislang müssen diese umständlic­h auf dem Postweg oder über ein Reisezentr­um beantragt werden. Künftig soll dies auch elektronis­ch funktionie­ren. Zum anderen ist das EU-Parlament mit dem Rat der Mitgliedst­aaten in Verhandlun­gen, die Rechte der Fahrgäste zu stärken: Dann soll bereits ab einer Stunde Verspätung der halbe, ab eineinhalb Stunden dreivierte­l und ab zwei Stunden der volle Fahrpreis erstattet werden.

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