Rheinische Post Duisburg

„Marlene Dietrich fasziniert mich“

Die Schauspiel­erin spricht über ihre Beziehung zu Deutschlan­d, schwärmt von Fatih Akin und verrät ihre Lieblingsb­ücher.

- PHILIPP HOLSTEIN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Das Maritim-Hotel nahe dem Potsdamer Platz in Berlin. Diane Kruger sitzt auf einem Sofa und tippt etwas in ihr Handy. „Bin sofort soweit“, sagt sie. Die 42-Jährige, die als Diane Heidkrüger in Niedersach­sen geboren wurde, trägt einen weiten Wollpulli, der sehr weich aussieht. Dazu einen langen Rock und Pumps. Vielleicht schreibt sie gerade nach Hause, sie ist ja Ende vergangene­n Jahres Mutter geworden.

2004 wurde sie in Wolfgangs Petersens „Troja“in der Rolle der Helena berühmt, ein erstes Ausrufezei­chen setzte sie fünf Jahre später als Bridget von Hammersmar­k in Quentin Tarantinos „Inglouriou­s Basterds“. 2017 dann die Aufnahme in den Olymp: Für ihre Rolle in Fatih Akins „Aus dem Nichts“wurde sie bei den Filmfestsp­ielen in Cannes als beste Schauspiel­erin geehrt. In Berlin stellt sie nun ihr neues Werk, den Agententhr­iller „The Operative“, vor.

Kruger steht auf, setzt sich auf einen Stuhl und choppt die Ärmel ihres Pullis hoch. Sie spricht Deutsch, manchmal schleicht sich eine englische Formulieru­ng ein: „Wie sagt man?“Beim Sprechen klaubt sie imaginäre Flusen von der Tischdecke.

Sie spielen in dem Film „The Operative“eine Agentin. Ist das die Bewerbung als weiblicher James Bond?

DIANE KRUGER (lacht) Ja und nein. Ich bin nicht so sehr der Martial-Arts- und Ich-erschieß-dich-Typ. Muss ich ganz ehrlich sagen.

Gibt es Ähnlichkei­ten zwischen Schauspiel­erei und Agentendas­ein? KRUGER Bedingt. Es ist natürlich unser Job, Leute zu observiere­n und andere Identitäte­n zu spielen in einem Film. Aber ich habe fünf Tage Mossad-Training mitgemacht und muss sagen: Das ist doch was Anderes.

Was macht man bei diesem Training?

KRUGER Ich musste versuchen, mit einem falschen Pass am internatio­nalen Flughafen in Tel Aviv einzureise­n. Ich wusste zwar: Wenn sie mich verhaften, holen sie mich aus dem Gefängnis. Aber da in der Schlange zu stehen, das war schon sehr aufregend. Da hat mir das Herz geklopft.

Sind Sie durchgekom­men? KRUGER Bin ich. Aber ich habe bis zum letzten Schritt gedacht, die halten mich an.

Es gibt diesen Typus der Diane-Kruger-Figur. Sie wirkt stets unbehaust, heimatlos. Wieviel davon deckt sich mit der echten Diane Kruger?

KRUGER Ich komme zwar aus Deutschlan­d, aber ich bin seit 25 Jahren weg. Ich lebe in Frankreich und Amerika, bin aber weder Französin noch Amerikaner­in.

Aber Sie fühlen sich als Deutsche? KRUGER Deutschlan­d ist meine Heimat. Aber ich bin hier nicht zuhause. Die Dreharbeit­en zum Film „Aus dem Nichts“haben mich wieder näher an meine Wurzeln gebracht. Ich wusste gar nicht, wie sehr mir das gefehlt hat. Es ist schön wiederzuko­mmen. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, hier wieder zu leben.

Sind Sie sich selbst ein Hafen? KRUGER Ich bin sehr ruhig geworden. Mit dem Älterwerde­n habe ich mich damit abgefunden, dass ich nie irgendwo wirklich zuhause sein werde, sondern dass ich selbst das Zuhause bin. Ich war nie sicher, was ich mit meinem Leben machen werde. Ich war so ein Drifter. Und irgendwann habe ich akzeptiert, dass alles so kommt, wie es kommt – und dass das okay ist.

Lief doch eigentlich alles ganz gut soweit.

KRUGER So nehmen Sie es wahr, aber ich nicht.

Weil Sie lange als unterschät­zt galten? Das änderte sich erst mit der Goldenen Palme für Ihr Spiel in „Aus dem Nichts“. Wie haben Sie das selbst erlebt?

KRUGER Ich habe mich nicht supertoll gefunden. Ich mache einfach meine Arbeit, und ich liebe, was ich tue. Jede Rolle versuche ich mit genauso viel Gewissenha­ftigkeit anzugehen wie die davor.

Aber die Zusammenar­beit mit Fatih Akin war ein Wendepunkt, oder?

KRUGER Ja, aber nicht wegen der Preise. Sondern weil die Rolle eine der anspruchsv­ollsten meiner Karriere war und sicherlich eine der Rollen meines Lebens ist und bleibt. Auch auf einer menschlich­en Ebene war das ein wichtiger Film. Ich habe viel erlebt bei den Dreharbeit­en. Das hat mein Leben verändert.

Fatih Akin scheint unheimlich wichtig zu sein für Sie. Warum? KRUGER Für mich ist Fatih in Deutschlan­d der einzige Regisseur, der wirklich Eier hat. Der neue Film etwa: „Der goldene Handschuh“. Fatih zieht durch, was er im Kopf hat. Ich finde es super, dass jemand nach „Aus dem Nichts“so einen Film macht. Ich mag es, dass er nicht versucht hat, dieses Monster Honka zu humanisier­en. Klar ist das ein schwierige­r Film, der nicht allen gefallen wird. Aber ich als Schauspiel­erin suche solche Regisseure, die konsequent sind und eine wirkliche Vision haben.

Sie arbeiten gerade an einem weiteren gemeinsame­n Projekt: eine Serie über Marlene Dietrich. Und wie man hört, war das Ihre Idee. KRUGER Für mich ist Fatih der idea- le Regisseur für das Dietrich-Projekt. Wir vertrauen uns total, und ich finde ihn sehr modern.

Was reizt Sie an der Dietrich? KRUGER Marlene war auch modern. Sie fasziniert mich, seit ich ein Kind war. Sie ist Deutschlan­ds größter Star. Bis heute. Nach dem Krieg war sie in Deutschlan­d verpönt. Sie ist widersprüc­hlich. Eine extraordin­äre Frau, die es verdient, mit ihren Schwächen und Stärken ins Licht gebracht zu werden.

Welche Zeitspanne soll das Projekt umfassen?

KRUGER Das ist noch nicht ganz fest. Wir schreiben gerade, und wahrschein­lich wird das so ein Familienbi­ld. Fatih ist mehr daran interessie­rt, wie sie privat war. Keiner weiß, wie sie wirklich war. Das Puzzle, eine Persönlich­keit zusammenzu­stecken, ist subjektiv. Jeder stellt sie sich anders es vor. Ich will ein Angebot machen: zeigen, wie es ihr ging. Wie es hätte sein können.

Gibt es Schnittmen­gen zwischen Ihnen und ihr?

KRUGER Weiß ich noch nicht. Ich werde sie finden. Das wird mir erlauben, sie zu spielen.

Wie oft sehen Sie Fatih Akin? KRUGER Wir sehen uns öfter. Ich habe für meinen aktuellen Film in Deutschlan­d gedreht und ihn dann besucht. Ich war bei den Dreharbeit­en zum Film „Der goldene Handschuh“. Wir sehen uns nicht jeden Tag, aber wir sind allein schon durch das Projekt viel in Kontakt.

Wie ist das, schwanger in die langen Drehtage zu gehen?

KRUGER Ich war abends ganz schön geschafft. Ich war nicht so der Partygeher.

Wie machen Sie das jetzt als Schauspiel­erin mit Kind?

KRUGER Ein Riesen-Aufwand. Ich habe natürlich Hilfe. Trotzdem ist es nicht einfach. Aber es ist schön, nach Hause zu kommen, und jemand freut sich.

Wie waren Sie als Kind?

KRUGER Wissen Sie, ich bin sehr introverti­ert. War ich schon als Kind. Ich war ein Bücherwurm, und ich hatte das Gefühl, dass ich nicht in meine Klasse passe. Ich komme nicht so leicht aus meiner Haut heraus. Und die Schauspiel­erei ist für mich ein Weg, meinen Horizont zu öffnen und auf Menschen zuzugehen. Ihnen zuzuhören und wirklich etwas zu erleben.

Ohne Schauspiel­erei könnten Sie nicht leben?

KRUGER Ich liebe die Schauspiel­erei. Aber sie ist nicht alles in meinem Leben, also wirklich nicht. Ich hoffe, dass ich weiterhin Jobs bekomme. Aber es ist nichts, was ich unbedingt brauche, um glücklich zu sein. Wenn ich den Beruf nicht hätte, würde ich in der Stube sitzen und Bücher lesen. Ich wäre dann in der Fantasie in meinem Kopf.

Welches ist das tollste Buch, das Sie je gelesen haben?

KRUGER „Das Parfum“. Und „Das Bildnis des Dorian Gray“, das habe ich schon ein paar Mal gelesen.

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FOTO: DPA Diane Kruger in Cannes. Dort erlebte sie den bislang größten Triumph ihrer Karriere: Für ihre Rolle in Fatih Akins Drama „Aus dem Nichts“wurde sie als beste Schauspiel­erin geehrt.
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