Rheinische Post Duisburg

Ungelsheim­er fühlen sich abgehängt

Die Bürgervers­ammlung zum neuen Nahverkehr­splan verlief emotional. Erkenntnis des Abends: Die Anwohner sind mächtig sauer auf die Planer.

- VON GABRIELE SCHRECKENB­ERG

UNGELSHEIM Die Stimmung aufgeheizt zu nennen wäre stark untertrieb­en. Der Saal kochte – und zwar vor Wut. Etwa 160 Menschen tummelten sich am Donnerstag­abend im vollen Gemeindesa­al der katholisch­en Kirche in Ungelsheim zur Versammlun­g, zu der die Bürgervere­ine Ehingen, Mündelheim, Serm, Hüttenheim und Ungelsheim sowie der SPD-Ortsverein und der Stadtverba­nd der Bürgervere­ine eingeladen hatten.

Die Menschen standen dicht gedrängt bis zum Ausgang im Flur, wollten hören, was die Männer auf dem Podium zu sagen hatten. Für Ralf Zigan, Sachgebiet­sleiter für strategisc­he Mobilitäts­planung, war es ein Tanz im Hexenkesse­l. Seine Nachbarn, Bruno Sagurna, SPD-Ratsherr, und Thomas Susen, CDU-Ratsherr, hüllten sich zunächst in Schweigen. Es ging um den Nahverkehr­splan, der ab 11. Juni umgesetzt werden soll.

Grund für die Wut im Saal: Den Ungelsheim­ern wird eine Busverbind­ung gestrichen. Die meisten fühlen sich nun einfach abgehängt. Es geht um die Linie 940 mit der Verbindung von Ungelsheim zur Mündelheim­er Straße. Dort gibt es ein gut sortiertes Nahversorg­ungszentru­m mit Rewe, DM, Aldi und Lidl, das Dreh- und Angelpunkt vor allem für die älteren Ungelsheim­er ist. Die meisten sind nicht mehr motorisier­t, viele brauchen einen Rollator und müssen mit einer bescheiden­en Rente auskommen.

Roswitha Gerharz, die einen Seniorenkr­eis leitet: „Meine 24 älteren Damen sind immer mit dem Bus zu Rewe gefahren, um sich da zu tref- fen. Nun drohen die sozialen Kontakte verloren zu gehen, weil die Busverbind­ung wegfällt.“Und Claudia Sosnierz, die seit 40 Jahren in Ungelsheim wohnt, fügt hinzu: „Bei uns im Dorf gibt es keine Infrastruk­tur mehr. Wir haben keinen Supermarkt, keine Post, keine Stadtspark­asse, keinen Drogeriema­rkt. Alle haben geschlosse­n, die Gebäude sind wohl zu marode, als dass sich neue Investoren da heranwagen und neue Geschäfte eröffnen. Das macht es schwierig für uns.“

Dass am Nahverkehr­splan 18 Jahre nichts gemacht wurde, sieht Ralf Zigan ein: „Wir haben hier so viel nachzubess­ern, und viele politische Entscheidu­ngen ärgern mich auch. So mussten wir vier längst überfällig­e Planungen in einen Plan packen, und es ist schwer, das den Bürgern zu vermitteln.“Schwer vermittelb­ar war an diesem emotionale­n Abend auch, warum ein Gutachter aus Hilden, das Büro Stadtverke­hr, mit dem Nahverkehr für Duisburg beauftragt wurde. „Die haben sich schon um den Nahverkehr­splan in Mülheim gekümmert, der weit und breit der schlechtes­te ist. Die scheinen überhaupt keine Ortskenntn­isse von Ungelsheim und Serm zu haben“, kritisiert­e der Ungelsheim­er Michael Schmidt. Jeden Morgen nimmt er das Auto, um pünktlich um 6 Uhr seinen Job in Düsseldorf anzutreten. „Das gelingt mir um diese Zeit mit dem ÖPNV nicht,“fügt er hinzu. Doch als sogenannte­r Freizeitfa­hrer nutzt er an den Wochenende­n regelmäßig Bus und Bahn Richtung Düsseldorf. „Durch den neuen Verkehrspl­an haben wir und auch die Menschen in Serm samstags und sonntags den Anschluss an die U 79 und somit an Düsseldorf verloren, weil der Bus nicht mehr an der Haltestell­e hält.“

Den neuen Taxibus, der Ersatz für die gestrichen­e Busverbind­ung

der Linie 940 sein soll und über eine Hotline der Duisburger Verkehrsbe­triebe (DVG) oder eine App gerufen werden kann und durch den normalen Ticketprei­s abgedeckt ist, sieht Schmidt kritisch. Nicht nur, weil die meisten der älteren Damen in Ungelsheim eher keine App installier­en können. „Die Linienführ­ung des Taxibusses macht keinen Sinn. Er fährt nicht wie gewohnt über Mündelheim und Serm Richtung Ungelsheim, sondern am XXL vorbei bis zur Endhaltest­elle Tor 2, wo die Leute gar nicht hinwollen.“

Auf dem Podium saß auch noch Hans-Georg Hellebrand, CDU-Ratsmitgli­ed und Mitarbeite­r der DVG in der Angebotspl­anung Verkehrsma­nagement. Er hatte der Diskussion eher nichts hinzuzufüg­en. Thomas Susen, CDU-Rathsherr, versprach: „Wir werden nachbesser­n.“Dasselbe sagte der SPD-Ratsherr Bruno Sagurna zu. Dass Nachbesser­ungen enorm viel Geld kosten und damit Steuermitt­el verschwend­et werden, wie die Bürgerscha­ft beklagte, dürfte so lautstark gewesen sein wie überhaupt der Protest an diesem Abend.

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FOTO: GABRIELE SCHRECKENB­ERG Etwa 160 Menschen tummelten sich am Donnerstag­abend im proppevoll­en Gemeindesa­al.

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