Ungelsheimer fühlen sich abgehängt
Die Bürgerversammlung zum neuen Nahverkehrsplan verlief emotional. Erkenntnis des Abends: Die Anwohner sind mächtig sauer auf die Planer.
UNGELSHEIM Die Stimmung aufgeheizt zu nennen wäre stark untertrieben. Der Saal kochte – und zwar vor Wut. Etwa 160 Menschen tummelten sich am Donnerstagabend im vollen Gemeindesaal der katholischen Kirche in Ungelsheim zur Versammlung, zu der die Bürgervereine Ehingen, Mündelheim, Serm, Hüttenheim und Ungelsheim sowie der SPD-Ortsverein und der Stadtverband der Bürgervereine eingeladen hatten.
Die Menschen standen dicht gedrängt bis zum Ausgang im Flur, wollten hören, was die Männer auf dem Podium zu sagen hatten. Für Ralf Zigan, Sachgebietsleiter für strategische Mobilitätsplanung, war es ein Tanz im Hexenkessel. Seine Nachbarn, Bruno Sagurna, SPD-Ratsherr, und Thomas Susen, CDU-Ratsherr, hüllten sich zunächst in Schweigen. Es ging um den Nahverkehrsplan, der ab 11. Juni umgesetzt werden soll.
Grund für die Wut im Saal: Den Ungelsheimern wird eine Busverbindung gestrichen. Die meisten fühlen sich nun einfach abgehängt. Es geht um die Linie 940 mit der Verbindung von Ungelsheim zur Mündelheimer Straße. Dort gibt es ein gut sortiertes Nahversorgungszentrum mit Rewe, DM, Aldi und Lidl, das Dreh- und Angelpunkt vor allem für die älteren Ungelsheimer ist. Die meisten sind nicht mehr motorisiert, viele brauchen einen Rollator und müssen mit einer bescheidenen Rente auskommen.
Roswitha Gerharz, die einen Seniorenkreis leitet: „Meine 24 älteren Damen sind immer mit dem Bus zu Rewe gefahren, um sich da zu tref- fen. Nun drohen die sozialen Kontakte verloren zu gehen, weil die Busverbindung wegfällt.“Und Claudia Sosnierz, die seit 40 Jahren in Ungelsheim wohnt, fügt hinzu: „Bei uns im Dorf gibt es keine Infrastruktur mehr. Wir haben keinen Supermarkt, keine Post, keine Stadtsparkasse, keinen Drogeriemarkt. Alle haben geschlossen, die Gebäude sind wohl zu marode, als dass sich neue Investoren da heranwagen und neue Geschäfte eröffnen. Das macht es schwierig für uns.“
Dass am Nahverkehrsplan 18 Jahre nichts gemacht wurde, sieht Ralf Zigan ein: „Wir haben hier so viel nachzubessern, und viele politische Entscheidungen ärgern mich auch. So mussten wir vier längst überfällige Planungen in einen Plan packen, und es ist schwer, das den Bürgern zu vermitteln.“Schwer vermittelbar war an diesem emotionalen Abend auch, warum ein Gutachter aus Hilden, das Büro Stadtverkehr, mit dem Nahverkehr für Duisburg beauftragt wurde. „Die haben sich schon um den Nahverkehrsplan in Mülheim gekümmert, der weit und breit der schlechteste ist. Die scheinen überhaupt keine Ortskenntnisse von Ungelsheim und Serm zu haben“, kritisierte der Ungelsheimer Michael Schmidt. Jeden Morgen nimmt er das Auto, um pünktlich um 6 Uhr seinen Job in Düsseldorf anzutreten. „Das gelingt mir um diese Zeit mit dem ÖPNV nicht,“fügt er hinzu. Doch als sogenannter Freizeitfahrer nutzt er an den Wochenenden regelmäßig Bus und Bahn Richtung Düsseldorf. „Durch den neuen Verkehrsplan haben wir und auch die Menschen in Serm samstags und sonntags den Anschluss an die U 79 und somit an Düsseldorf verloren, weil der Bus nicht mehr an der Haltestelle hält.“
Den neuen Taxibus, der Ersatz für die gestrichene Busverbindung
der Linie 940 sein soll und über eine Hotline der Duisburger Verkehrsbetriebe (DVG) oder eine App gerufen werden kann und durch den normalen Ticketpreis abgedeckt ist, sieht Schmidt kritisch. Nicht nur, weil die meisten der älteren Damen in Ungelsheim eher keine App installieren können. „Die Linienführung des Taxibusses macht keinen Sinn. Er fährt nicht wie gewohnt über Mündelheim und Serm Richtung Ungelsheim, sondern am XXL vorbei bis zur Endhaltestelle Tor 2, wo die Leute gar nicht hinwollen.“
Auf dem Podium saß auch noch Hans-Georg Hellebrand, CDU-Ratsmitglied und Mitarbeiter der DVG in der Angebotsplanung Verkehrsmanagement. Er hatte der Diskussion eher nichts hinzuzufügen. Thomas Susen, CDU-Rathsherr, versprach: „Wir werden nachbessern.“Dasselbe sagte der SPD-Ratsherr Bruno Sagurna zu. Dass Nachbesserungen enorm viel Geld kosten und damit Steuermittel verschwendet werden, wie die Bürgerschaft beklagte, dürfte so lautstark gewesen sein wie überhaupt der Protest an diesem Abend.