Rheinische Post Duisburg

Theater in der Gedenkstät­te

Die Inszenieru­ng „Schwarze-Helle Nacht“behandelt am Sonntag die Pogromnach­t 1938 in Düsseldorf.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

Als Christof Seeger-Zurmühlen vor vier Jahren die Inszenieru­ng „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns blickte“für das Junge Schauspiel entwickelt­e, lernte er die Arbeit der Mahnund Gedenkstät­te kennen. Das Theaterstü­ck behandelt die grausamen Geschehnis­se während der Zeit des Nationalso­zialismus. Seeger-Zurmühlen vertiefte sein Wissen um die Forschungs- und Recherchee­rgebnisse, die Gedenkstät­ten-Leiter Bastian Fleermann und seine Kollegen zur Verfügung stellten. Seither sind der Historiker und der Theaterman­n einander verbunden: Einig in dem Bedürfnis, über die Vergehen von damals aufzukläre­n und dem Antisemiti­smus von heute den Weg zu versperren. Jeder auf seine Weise. Eine Idee davon, wie das gehen kann, gibt die Veranstalt­ung am Sonntag, 24. Februar.

Die Stereotype­n der vergangene­n Jahrhunder­te waren nie weg, sagt Bastian Fleermann, wann immer man ihn danach fragt, wie es sein kann, dass die Gegenwart vor lauter zündelnder Parolen erneut zu brennen scheint.

Mit dem Entsetzen hält sich der Historiker indes nicht lange auf. Er pocht auf die Überzeugun­gskraft der Fakten. Es gelte, die wahren Begebenhei­ten zu berichten, sagt auch Seeger-Zurmühlen. Er leitet seit drei Jahren die Bürgerbühn­e des Schauspiel­hauses, außerdem das Theaterkol­lektiv Pièrre.Vers sowie das Asphalt Festival für Musik, Tanz und Theater.

In diesem Wirkungsfe­ld, in dem sonst die Fiktion kräftig mitmischt, entstand das jüngste Projekt „Schwarze-Helle Nacht“, das die Morde und Überfälle der Pogromnach­t 1938 in Düsseldorf zum Thema hat. Grundlage bildet das sorgfältig zusammenge­tragene Archiv der Mahn- und Gedenkstät­te mit zahlreiche­n Zeitzeugen­berichten. „Ein halbes Jahr lang haben wir uns in das Material eingegrabe­n“, sagt Seeger-Zurmühlen. Die Theaterleu­te folgen den verzweifel­ten jüdischen Menschen, die in den vertrauten Straßen, in ihren Geschäftsr­äumen und ihren Schlafzimm­ern gedemütigt oder zu Tode geprügelt wurden. Jeder einzelne Fall ein Name, eine Biografie, ein Düsseldorf­er.

„Wir legen die Geschichte­n auf den Tisch und geben den Männern und Frauen eine Stimme.“Sie werden nicht psychologi­sch gespielt, sondern sprechen als reale Personen. „Wenigstens dieses eine Mal sollen sie anklagen können, was ihnen widerfuhr“, erklärt Seeger-Zur- „Wir legen die Geschich

ten auf den Tisch und geben den Männern und

Frauen eine Stimme“

Christof Seeger-Zurmühlen

Leiter der Bürgerbühn­e

mühlen das Konzept der szenischen Installati­on mit vier Theaterleu­ten am kommenden Sonntag. Dabei denkt er an den Lehrer Kurt Bergel, der die Besuche der Düsseldorf­er Oper so sehr liebte und an das Mädchen Liesl Heilbronne­r, das in nur einer Nacht erwachsen wurde. Und er denkt an Menschen wie Hedwig und Paul Marcus, die einst das Café Ka- rema an der Ecke Kreuzstraß­e/Marienstra­ße führten. Während der Novemberpo­grome wurde das Ehepaar verfolgt und flüchtete in die Praxis eines jüdischen Arztes. SS-Männer stürmten die Räume und schossen. Paul Marcus war sofort tot, seine Frau wurde schwer verletzt. Eine Reinigungs­kraft fand sie am anderen Morgen. Die ganze Nacht über hatte Hedwig Marcus neben ihrem ermordeten Ehemann gelegen. Den Holocaust überlebte sie.

„Die Pogromnach­t markiert einen Wendepunkt“, sagt Seeger-Zurmühlen. „Von dort aus brach sich die Barbarei Bahn. Es war eine Schwelle überschrit­ten. Man hatte die Juden zuvor schon aus dem Alltagsleb­en in ihre Häuser und Wohnungen zurückgedr­ängt. In dieser Nacht jedoch stürmten die Horden die privaten Räume der Menschen. Es gab keinerlei Schutz mehr.“

Dies wiedererzä­hlen zu können, sei die Chance des Theaters. Gut möglich, dass aus der Installati­on noch eine Inszenieru­ng wird. Mal sehen, genug Stoff und Ideen gibt es, sagt der Regisseur.

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MAHN- UND GEDENK-
STÄTTE ?? Dieses historisch­e Foto zeigt die Spuren der Zerstörung der Pogromnach­t vom 9. auf den 10. November 1938 in Düsseldorf. Die Überfälle auf jüdische Mitbürger dauerten weiter an.
FOTO: SAMMLUNG MAHN- UND GEDENK- STÄTTE Dieses historisch­e Foto zeigt die Spuren der Zerstörung der Pogromnach­t vom 9. auf den 10. November 1938 in Düsseldorf. Die Überfälle auf jüdische Mitbürger dauerten weiter an.
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