Rheinische Post Duisburg

„Es ist eine echte Groteske“

Der frühere Düsseldorf­er Lyriker übersetzte Michail Bulgakow fürs Schauspiel­haus.

- LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Das Schauspiel feiert mit der Dramatiser­ung einer Erzählung von Michail Bulgakow an diesem Wochenende eine neue Premiere. Der frühere Düsseldorf­er Lyriker und Übersetzer Alexander Nitzberg hat den Text aus dem Russischen neu übersetzt.

Warum ist Ihnen als Titel „Das hündische Herz“lieber als „Das Hundeherz“?

NITZBERG „Hundeherz“klingt mir zu sehr nach dem leiblichen Herzen eines Hundes. Und ein solches kommt in Bulgakows kleinem Roman ja überhaupt nicht vor! Dort ist es nicht der Hund, der den Menschen mit seinem Herzen „verdirbt“. Ganz im Gegenteil, es ist der Mensch, der mit seiner Flegelhaft­igkeit den liebenswür­digen, beinahe schon aristokrat­isch gesinnten Rüden aus dem Hundekörpe­r verdrängt. Und es sind genau diese (wohlgemerk­t menschlich­en) Charaktere­igenschaft­en, die „hündisch“sind. Wie im Deutschen hat der russische Ausdruck „sobatschje“eine Unzahl von Bedeutunge­n, die allesamt auf ein moralische­s Fehl-

verhalten hinweisen.

Was ist die Erzählung eigentlich: eine Satire, eine Gruselgesc­hichte, ein politische­s Manifest? NITZBERG Ich glaube, es ist eine echte Bulgakowsc­he Groteske. Er genießt es, die widersprüc­hlichsten Typen auf engstem Raum aufeinan- der stoßen zu lassen und zu schauen, was passiert. Es ist mehr als nur politisch. Ihn interessie­ren Kräfte, die hinter den äußeren Erscheinun­gen stehen, auch hinter jenen der Politik und der Gesellscha­ft. Oft erweisen sich diese Kräfte als jenseitig.

Was war Ihnen bei Ihrer Überset- zung wichtig?

NITZBERG Ein besonderer Akzent wurde auf den Klang und die Rhythmik gelegt. Bei Bulgakow knistern förmlich die Silben, man vernimmt im Hintergrun­d ein dynamische­s Pumpen. Die Sprache stößt andauernd an ihre Grenzen. Es ist die Sprache der Moderne, mit ihrem Zickzack, mit ihren jazzigen Synkopen, mit ihren expression­istischen gebrochene­n Bildern. In einem Stück Literatur ist das mehr als nur ein äußeres Gewand, das eventuell austauschb­ar wäre. Es ist die eigentlich­e Seele des Werks! Und um diese Plastizitä­t nachzuersc­haffen, nehme ich mir alle Freiheiten der Welt.

Worin liegt die Aktualität? NITZBERG In seiner Doppelbödi­gkeit. Gut und Böse sind im Leben Begriffe, die fließend sind. Daran kranken vor allem die Versuche, den Menschen künstlich gut zu machen. Das ist heute wieder äußerst brisant: Denken Sie nur einmal an die politisch korrekten Sprachrege­lungen.

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