May stellt späteren Brexit in Aussicht
Die deutsche Wirtschaft fürchtet bei einem ungeordneten Austritt Milliardenverluste.
LONDON (mar/ap) Die britische Premierministerin Theresa May ist nun doch zu einem späteren EU-Austritt bereit. Falls das Parlament den von ihr ausgehandelten Brexitvertrag in zwei Wochen ablehne, werde sie die Abgeordneten darüber abstimmen lassen, ob Großbritannien die EU ohne Vertrag verlassen solle, sagte May am Dienstag. Falls das Unterhaus das ebenfalls ablehne, sollten die Abgeordneten entscheiden, ob die EU um eine Verschiebung des Brexits um maximal drei Monate gebeten werde.
Großbritannien soll die EU am 29. März verlassen. Doch der von Brüssel und London ausgehandelte Scheidungsvertrag ist im britischen Parlament durchgefallen. Seither versucht May, das Abkommen mit der EU nachzuverhandeln. Die EU will den Vertrag jedoch nicht wieder aufschnüren. Dadurch könnte es zu einem Brexit ohne Vertrag kommen, der zu Chaos in Wirtschaft und Verwaltung führen dürfte.
Die führenden deutschen Wirtschaftsverbände warnten eindringlich vor einem ungeordneten Brexit. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet in diesem Fall mit einem Rückschlag für die deutsche Wirtschaft in der Größenordnung von mindestens einem halben Prozent des Bruttoinlandsprodukts. „Das wären rund 17 Milliarden Euro weniger Wirtschaftskraft allein in diesem Jahr“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang in Berlin. Großbritannien werde dann in eine Rezession stürzen. „Knapp einen Monat vor dem Brexit herrscht bei den deutschen Unternehmen große Unsicherheit. Das No-Deal-Szenario mit seinen vielen negativen Konsequenzen ist weiter auf dem Tisch“sagte auch Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Die Exporte von Deutschland ins Vereinigte Königreich seien seit Mitte 2016 um fünf Prozent zurückgegangen. Zwei von drei deutschen Unternehmen im Vereinigten Königreich erwarteten eine Verschlechterung ihrer Geschäfte. „Die Diskussion über ein erneutes Referendum ist einerseits ein kleiner Hoffnungsschimmer, es ist aber auch wieder einmal ein Spiel mit ungewissem Ausgang“, so Wansleben. Leitartikel