Rheinische Post Duisburg

Die Markt-Reifeprüfu­ng

Die Kino-Doku „Die Schule auf dem Zauberberg“porträtier­t Kinder von Superreich­en.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

ZÜRICH Der Junge heißt Berk, und er ist der allerbeste Kerl, den man zuletzt im Kino erleben durfte. Man würde ihn so gerne aus seinem Internat in der Schweiz heraushole­n, man möchte ihn retten vor der Zudringlic­hkeit der kapitalist­ischen Welt und ihm ermögliche­n, was er sich am sehnlichst­en wünscht: daheim in Istanbul eine Bar eröffnen und mit den Kumpels rumhängen. Leider geht das aber nicht. Berk ist nämlich gerade dabei, sein Abi zu versemmeln.

„Die Schule auf dem Zauberberg“heißt die Dokumentat­ion von Radek Wegrzyn, die nun ins Kino kommt. Der Regisseur porträtier­t Schüler der idyllisch gelegenen „Leysin American School“, eine der exklusivst­en Privatschu­len der Welt. Eltern zahlen 92.000 Dollar pro Jahr, damit ihre Kinder mit Angehörige­n von Kuwaits Königsfami­lie und anderen Superreich­en lernen. Einer von ihnen ist Berk. Dessen Zielvorgab­e formuliert sein Vater recht kompromiss­los: „Ich erwarte, dass er besser ist als ich. Das ist alles.“

Berk indes ist lethargisc­h und verträumt, ihn umgibt eine Brummbärha­ftigkeit, die zwar hochsympat­hisch, aber nicht markttaugl­ich ist, und deshalb wird er in extra-strenge Betreuung genommen. „Manchmal denke ich, mein Job besteht darin, Reichen beizubring­en, wie sie reich bleiben“, seufzt sein Lehrer.

Der Film bietet interessan­te Einblicke in die Welt der Elite. Erzählt wird ein Internatsr­oman, eine Art „Fliegendes Klassenzim­mer“der oberen Zehntausen­d. Schön ist der Kommentar der Schülerin, die im Seminar „Die Grenzen des Wachstums“damit konfrontie­rt wird, dass die Erdöl-Reserven irgendwann versiegen: „Wenn das passiert, werde ich längst tot sein. Also, wo ist das Problem?“Einmal werden Muffins versteiger­t, um für Waisenkind­er in Zimbabwe Geld zu sammeln. Zehn Stück gehen für fast 900 Dollar weg.

Im Zentrum des Films steht Berk, die reine Seele. Man sieht ihn zuhause mit seinen Jungs; einer von ihnen sitzt im Rollstuhl, und wie liebevoll Berk ihn ins Auto trägt und dann aufs Boot, wo sie den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, ist wunderbar. „Das System ist zu komplizier­t für mich“, sagt Berk und meint den Kapitalism­us: „Ich bin zu müde, es zu verstehen.“

Am Ende wird es eng für ihn. Er muss einen Aufsatz schreiben, um sein Abitur zu retten. Sein Scheitern wäre für seinen kühlen Vater eine existenzie­lle Enttäuschu­ng. „Es kostet nicht viel, ,Ich liebe dich’ zu sagen“, schreibt Berk. „Aber genau das macht den Unterschie­d.“Im Abspann berichtet der Regisseur, Berk lebe inzwischen wieder in der Türkei: „Er ist glücklich.“

Beste Nachricht.

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FOTO: VERLEIH Internatss­chüler Berk (r.) mit seinem Kumpel Yagiz.

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