Umweltschützer warnen vor Plastik-Aktionismus
Die Umweltministerin und der Handel wollen Plastik vermeiden. Doch ein Umstieg nur auf Papiertüten wäre wohl nicht ratsam.
BERLIN Wer im Supermarkt einkauft, hat an der Kasse oft die Wahl zwischen einer Plastik- und einer Papiertüte. Plastik ist schlecht für die Umwelt, Papier nicht, so die weit verbreitete Annahme. Tatsächlich ist die Ökobilanz einer Papiertüte aber nur besser, wenn sie mindestens achtmal wiederverwendet wird. „Im Herstellungsprozess wird mehr Wasser, Chemie und Energie verbraucht“, weiß Rolf Buschmann, Recyclingexperte vom Umweltverband BUND. Seine Sorge: Dass Politik und Handel nun in Aktionismus verfallen, um schnell möglichst viel Plastik aus den Supermärkten zu verbannen – etwa mit einem Umstieg allein auf Papiertüten.
An diesem Mittwoch trifft Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sich mit den Vertretern von großen Handelsketten, Lebensmittelherstellern, Verbraucher- und Umweltverbänden zu einem runden Tisch. „Gemeinsam wollen wir konkrete Vereinbarungen treffen gegen die Plastikflut im Supermarkt“, sagte Schulze auf Anfrage. Es gehe zum Beispiel um die dünnen Kunststoffbeutel für Obst und Gemüse und um die Folie, mit der die Bio-Gur- ke eingeschweißt ist. „Hierfür gibt es längst Alternativen“, so Schulze. Von einem Verbot etwa solcher eingeschweißter Produkte will sie aber zunächst nicht sprechen. „Die Erfahrung zeigt, dass wir durch Freiwilligkeit manchmal ehrgeizigere Ziele setzen und diese viel schneller erreichen können als durch Zwang“, sagte die Ministerin. Zugleich fügte sie hinzu: „Dort wo wir mit freiwilligen Vereinbarungen nicht weiter kommen, kommen Anreize, Quoten und klare Regeln zum Einsatz.“
Ende November hatte Schulze einen sogenannten Fünf-Punkte-Plan gegen Plastik vorgelegt. Demnach will sie noch 2019 das EU-Verbot von Einwegprodukten wie Plastikwattestäbchen in Deutschland umsetzen, die Bio-Tonne bewerben, mit finanziellen Anreizen für die Verpackungshersteller die Produkte umweltfreundlicher machen und das Recycling stärken. Wie genau? Zumeist setzt sie auf den Dialog mit der Wirtschaft.
BUND-Experte Buschmann sieht das kritisch. „Sowohl der Handel als auch die Politik agieren träge. Wir könnten bei der Plastikvermeidung schon viel weiter sein.“Er appellierte an den Handel, „auf wirklich innovative Ideen zu setzen: Mehrwegnetze oder Körbe in Einkaufswagen für Obst und Gemüse, ein mit Pfand versehenes Mehrweg-Containersystem für Produkte aus der Fleisch- und Käsetheke oder Abfüllstationen etwa für Waschmittel.“Buschmann forderte ein Verbot von eingeschweißtem Obst und Gemüse und spürbare Einwegabgaben etwa auf Coffee-to-go-Becher.
Unterdessen gab die Supermarktkette Real bekannt, bis Ende 2020 die Plastikbeutelchen in der Obstund Gemüseabteilung abschaffen zu wollen. Ersetzt werden sie durch kostenpflichtige Mehrwegnetze – und Papiertüten.