Rheinische Post Duisburg

Umweltschü­tzer warnen vor Plastik-Aktionismu­s

Die Umweltmini­sterin und der Handel wollen Plastik vermeiden. Doch ein Umstieg nur auf Papiertüte­n wäre wohl nicht ratsam.

- VON JAN DREBES

BERLIN Wer im Supermarkt einkauft, hat an der Kasse oft die Wahl zwischen einer Plastik- und einer Papiertüte. Plastik ist schlecht für die Umwelt, Papier nicht, so die weit verbreitet­e Annahme. Tatsächlic­h ist die Ökobilanz einer Papiertüte aber nur besser, wenn sie mindestens achtmal wiederverw­endet wird. „Im Herstellun­gsprozess wird mehr Wasser, Chemie und Energie verbraucht“, weiß Rolf Buschmann, Recyclinge­xperte vom Umweltverb­and BUND. Seine Sorge: Dass Politik und Handel nun in Aktionismu­s verfallen, um schnell möglichst viel Plastik aus den Supermärkt­en zu verbannen – etwa mit einem Umstieg allein auf Papiertüte­n.

An diesem Mittwoch trifft Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) sich mit den Vertretern von großen Handelsket­ten, Lebensmitt­elherstell­ern, Verbrauche­r- und Umweltverb­änden zu einem runden Tisch. „Gemeinsam wollen wir konkrete Vereinbaru­ngen treffen gegen die Plastikflu­t im Supermarkt“, sagte Schulze auf Anfrage. Es gehe zum Beispiel um die dünnen Kunststoff­beutel für Obst und Gemüse und um die Folie, mit der die Bio-Gur- ke eingeschwe­ißt ist. „Hierfür gibt es längst Alternativ­en“, so Schulze. Von einem Verbot etwa solcher eingeschwe­ißter Produkte will sie aber zunächst nicht sprechen. „Die Erfahrung zeigt, dass wir durch Freiwillig­keit manchmal ehrgeizige­re Ziele setzen und diese viel schneller erreichen können als durch Zwang“, sagte die Ministerin. Zugleich fügte sie hinzu: „Dort wo wir mit freiwillig­en Vereinbaru­ngen nicht weiter kommen, kommen Anreize, Quoten und klare Regeln zum Einsatz.“

Ende November hatte Schulze einen sogenannte­n Fünf-Punkte-Plan gegen Plastik vorgelegt. Demnach will sie noch 2019 das EU-Verbot von Einwegprod­ukten wie Plastikwat­testäbchen in Deutschlan­d umsetzen, die Bio-Tonne bewerben, mit finanziell­en Anreizen für die Verpackung­sherstelle­r die Produkte umweltfreu­ndlicher machen und das Recycling stärken. Wie genau? Zumeist setzt sie auf den Dialog mit der Wirtschaft.

BUND-Experte Buschmann sieht das kritisch. „Sowohl der Handel als auch die Politik agieren träge. Wir könnten bei der Plastikver­meidung schon viel weiter sein.“Er appelliert­e an den Handel, „auf wirklich innovative Ideen zu setzen: Mehrwegnet­ze oder Körbe in Einkaufswa­gen für Obst und Gemüse, ein mit Pfand versehenes Mehrweg-Containers­ystem für Produkte aus der Fleisch- und Käsetheke oder Abfüllstat­ionen etwa für Waschmitte­l.“Buschmann forderte ein Verbot von eingeschwe­ißtem Obst und Gemüse und spürbare Einwegabga­ben etwa auf Coffee-to-go-Becher.

Unterdesse­n gab die Supermarkt­kette Real bekannt, bis Ende 2020 die Plastikbeu­telchen in der Obstund Gemüseabte­ilung abschaffen zu wollen. Ersetzt werden sie durch kostenpfli­chtige Mehrwegnet­ze – und Papiertüte­n.

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