Warum Dirk Nowitzki der Größte ist
Max Schmeling, Franz Beckenbauer, Michael Schumacher, Steff i Graf, Boris Becker. Deutschland hat großartige Sportler hervorgebracht. Einer wird dabei regelmäßig unterschätzt: Dirk Nowitzki. Dabei ist er vielleicht der Beste von allen.
LOS ANGELES So etwas hat es in der besten Basketball-Liga der Welt noch nicht gegeben. Kurz vor Ende der 112:121-Niederlage der Dallas Mavericks bei den Los Angeles Clippers beantragt Clippers-Coach Doc Rivers eine Auszeit, schnappt sich das Hallenmikrofon und fordert die Fans in der Halle in Los Angeles auf, einem „der Größten aller Zeiten“zu huldigen, wie Rivers sagt. Er meint Dirk Nowitzki, den deutschen Basketballer, der an diesem Tag sein 1500. Spiel in der US-Profiliga NBA für die Mavericks absolviert und ziemlich überrascht dreinblickt, als sich die Zuschauer in der Halle erheben. Der Applaus für den Mavericks-Spieler ist lange und intensiv. Nowitzki hat Tränen in den Augen. Und dass der gegnerische Trainer ein Spiel in einer Profiliga unterbricht, um einem gegnerischen Spieler zu huldigen, kommt selbst in der mit Emotionen und Pathos reichlich gesegneten NBA nicht vor. Die Zuschauer folgten jedenfalls dem Aufruf, applaudierten lange und stehend. Gegnerische Spieler umarmten den 2,13-Meter-Hünen auf dem Platz. Ein Moment, wie ihn selbst hartgesottene NBA-Experten nicht erlebten.
Dirk Nowitzki ist eine Legende in den USA, einer Basketball-verrückten Nation. Es ist seine 21. Saison, und nach eigener Auskunft die letzte. Das Alter nagt an dem Ausnahmeathleten. Die Auswärtsspiele der Mavericks, denen Nowitzki seit 1998 die Treue hält, geraten so zur Abschiedstournee für den Mann, der 2007 als erster Europäer zum wertvollsten Spieler der NBA gewählt wurde und 2011 als erster Deutscher den NBA-Titel gewann.
Doc Rivers hat Recht. Nowitzki ist einer der Größten des Basketballs. Mit fast 32.000 erzielten Punkten gehört der Würzburger, der erst mit 13 Jahren und nach Stationen beim Handball, Tennis und Turnen zum Basketball fand, zu den zehn erfolgreichsten Korbjägern der NBA-Geschichte. Vor Nowitzki stehen Ikonen des Basketballs wie Kareem Abdul-Jabbar, Karl Malone oder Michael Jordan.
In den USA ist Nowitzki längst ein Idol, ein Held des Sports. In sei- ner Heimat wurde ihm nie die Aufmerksamkeit zuteil, die anderen Sporthelden wie Franz Beckenbauer, Boris Becker, Steffi Graf oder Michael Schumacher gewährt wurde. Dabei ist Nowitzkis Leistung vielleicht noch bedeutender. Die NBA ist eine der härtesten Sportligen der Welt. Pro Saison 82 Spiele. Alle drei Tage sind die Profis irgendwo im Land unterwegs. Der Basketball auf den Courts der NBA ist schneller, härter und athletischer als irgendwo anders auf der Welt. Die Meisterschaft heißt dort nicht umsonst World Championship. Die Besten der Besten wollen in die Liga, die pro Jahr umgerechnet fast fünf Milliarden Euro umsetzt. Und Dirk Nowitzki spielt dort seit mehr als zwei Jahrzehnten auf höchstem Niveau. Er ist der vielseitigste Spieler, denn zu den 32.000 Punkten stehen in seiner Statistik mehr als 11.000 Rebounds (Abpraller vom Brett), 3.000 Assists (Pässe zum Korberfolg), 1.000 geblockte Würfe des Gegners und 1.000 Steals (Eroberung des Ballesa1l9le vom Gegner). Dazu die Marke von 1.500 erfolgreichen Drei-Punkte-Würfen, also Würfe aus einer Entfernung von 7,24 Meter vom Korb. Vielseitiger ist niemand in der NBA.
Nowitzki, der schon als Zweitligaspieler bei der DJK Würzburg, regelmäßig mehr als 40 Punkte pro Spiel warf, ist die personifizierte Konstanz. Abgesehen von seiner ersten Saison warf Nowitzki nie weniger als zehn Punkte im Schnitt pro Spiel. 14 mal wurde er für das „All Star“Team der besten Spieler der Saison nominiert, so oft wie kein anderer Nicht-Amerikaner. Während deutsche Sporthelden wie Michael Schumacher, Boris Becker, Franz Beckenbauer sich auch mal Durchhänger in ihrer Karriere leisteten, spielte Nowitzki konstant Weltklasse. In einem Interview mit unserer Redaktion er-
klärte er 2014, dass er dringend seinen Wurf verbessern wolle und daran nun arbeite.
Ehrgeiz. Fleiß. Wille. Das sind die Eigenschaften, mit denen Nowitzki beschrieben wird. „Mit seinem Spiel, seinem Verhalten und seiner Mentalität ist er ein echter Anführer“, lobte ihn einst das Basketball-Idol Earvin „Magic“Johnson. Und abseits des Platzes gibt sich Multi-Millionär Nowitzki seit jeher bescheiden, allürenfrei, nahbar. Schlagzeilen jenseits des Sports machte er, weil er auf eine Frau hereingefallen war, die sich als Betrügerin erwies, und weil sein langjähriger Mentor Holger Geschwindner 2006 wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Aber Nowitzki blieb davon unbehelligt, ein Volksliebling. Allerdings in den USA. In Deutschland kommt der Ausnahmestar in der Rangliste der Sporthelden immer noch eher auf den hinteren Rängen vor. Daran wird wohl auch seine letzte Saison nichts ändern. Falsch ist es trotzdem.