Rheinische Post Duisburg

Minna Wündrich beherrscht die Bühne

Nach Stationen in Dresden, Stuttgart und Bochum hat die Schauspiel­erin nach Düsseldorf gefunden. Hier besticht sie durch ihre enorme Präsenz und in „Schweijk“, das neulich im Central Premiere feierte, zudem durch ein blaues Kleid.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Kurz ist sie Minna von Barnhelm. Oder der Hochstaple­r Felix Krull. Oder ein brüllender US-Soldat im Tarnanzug. In „Schwejk“schlüpft Minna Wündrich in ein knappes Dutzend Rollen. Der Knaller ist ihr rauschende­r Auftritt als Europa. In einer royalblaue­n Robe zwängt sie sich durch den schmalen Spalt einer Wand, starr wie ein Bollwerk. Sie klettert über Trümmer, nimmt mit hochgereck­tem Kopf eine stolze Haltung ein, rafft ihr Glamour-Kleid und beherrscht im Handumdreh­en die Bühne. Wo immer Mina Wündrich mitwirkt, stechen ihre beeindruck­ende Präsenz und ihre markante Stimme hervor.

Derzeit spielt sie in „Tartuffe“, „Abiball“, „Der Kaufmann von Venedig“und eben in „Schwejk“. Die burleske Theaterfas­sung von Peter Jordan bietet süffiges Futter für die Darsteller, fordert ihnen bei rasanten Szenen- und Kostümwech­seln aber eine enorme Kraft ab. „Hinter der Bühne rollt eine Art Parallelst­ück ab“, erzählt sie. „Wir ziehen uns im Laufschrit­t um und hoffen, dass wir rechtzeiti­g fertig werden und nichts vergessen.“Aber kein Kostüm ist so anspruchsv­oll wie das der Europa. Drei Ankleideri­nnen helfen Minna Wündrich hinein. Und dann muss sie es schaffen, sich einigermaß­en geschickt zu bewegen. „Manchmal kommt es mir vor, als würde ich ein Auto einparken“, beschreibt sie. „Der eigene Radius, den man als Rangierzon­e einschätze­n muss, ist erheblich erweitert. Irgendwer steht immer auf dem Kleid, entweder man selber oder ein Kollege.“

Die Mühsal ist Absicht. Kostümbild­ner Michael Sieberock-Serafimowi­tsch wollte sichtbar machen, wie schwer unser heutiges Europa zu kämpfen hat. Ob sie bereit sei, das zu probieren? Minna Wündrich war begeistert: „Er hat nicht nur ein Kleid entworfen, er hat mir dazu noch einen lebendigen Spielansat­z vorgegeben. Ich liebe solche Herausford­erungen und arbeite mich auf der Bühne gern an etwas ab.“Als hätten ihre Eltern bei der Namensgebu­ng ihrer Tochter schon geahnt, wohin ihr Weg sie führen würde. „Ja, das behaupten sie gern“, sagt sie und lacht. „Aber es war Zufall, Minna gefiel ihnen einfach.“

Sie wuchs in Bremen auf. Beide Eltern stammen aus Düsseldorf, weshalb sie mit besonderer Freude durch die Stadt spazieren, wenn sie zu einer Premiere anreisen. So richtig begeistert waren sie anfangs nicht vom Berufswuns­ch der Tochter. Deren unschlagba­res Argument: „Ihr habt mich doch selber immer ins Theater mitgeschle­ppt!“Sie war acht Jahre alt, als der Hörfunk in Bremen Kinder suchte, die gut lesen konnten. Minna bestand das Casting, war wie verzaubert von der Atmosphäre im Studio und bettelte ihre Eltern an, das öfter machen zu dürfen. Mit zwölf Jahren trat sie einer Theatergru­ppe bei, mit 15 gab sie den Mephisto. „Das kommt mir im Nachhinein reichlich ambitionie­rt vor“, sagt sie. „Aber ich war mir schon damals sicher, dass das Theater für mich etwas besonders Wertvolles ist. Als Kind war ich eher zurückhalt­end, eine Tagträumer­in. Und dann gab es auf einmal diese Welt, in der die Fantasie so viel Platz hat. Das war für mich ab da auch nicht mehr verhandelb­ar.“

Zur Wahl standen die Schauspiel­schulen in Hannover und Leipzig. An ostdeutsch­en Schulen, so hatte sie gehört, werde in erster Linie das Schauspiel­er-Handwerk vermittelt, an westdeutsc­hen mehr an den Emotionen gearbeitet. Es wurde Leipzig. „Ich glaubte nicht, dass man mir einen Zugang zu meinen Emotionen verschaffe­n musste. Aber was Handwerk bedeutet, davon hatte ich keine Ahnung.“Noch während des Studiums gelangte sie über die Studiobühn­e ans Schauspiel Dresden, wo man ihr schnell große Rol- len anvertraut­e und sie nach dem Abschluss engagierte. Sie blieb zwei Jahre im Ensemble, wechselte nach Stuttgart, fünf Jahre später nach Bochum und von dort nach Düsseldorf, zeitgleich mit Wilfried Schulz. Über ihn hatte sie von ihren ehemaligen Kollegen in Dresden viel Gutes gehört.

Minna Wündrich kann es kaum erwarten, am Gründgens-Platz eine endgültige Heimstatt zu finden. „Als Spielstätt­e ist das Central charmant, aber wir sind dort vielen Einschränk­ungen unterworfe­n“, erzählt sie. „Es spricht fürs Ensemble und alle Mitarbeite­r, dass wir es trotzdem so gut gemeistert haben.“Im Mai wird sie – nach „Abiball“auf der Hinterbühn­e – bei „Fanny und Alexander“ihre erste richtige Premiere im Großen Haus erleben. „Darauf freue ich mich unglaublic­h!“

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RABSCH ?? Minna Wündrich als Europa in „Schweijk“im Central. Ins blaue Kleid helfen ihr während der Aufführung drei Ankleideri­nnen.
FOTO: THOMAS RABSCH Minna Wündrich als Europa in „Schweijk“im Central. Ins blaue Kleid helfen ihr während der Aufführung drei Ankleideri­nnen.

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