Rheinische Post Duisburg

Dachgescho­sse gegen Wohnungsno­t

Einer neuen Studie zufolge könnte der Wohnungsma­ngel in Deutschlan­d mit Neubauten auf Dächern behoben werden. Kostengüns­tig sind solche Lösungen allerdings nicht.

- VON KRISTINA DUNZ UND THOMAS REISENER

BERLIN Mit Neubauten auf Parkhäuser­n, Supermärkt­en und alten Gebäuden könnten einer Studie zufolge bis zu 2,7 Millionen neue Wohnungen in deutschen Städten entstehen. Gravierend­er Wohnraumma­ngel wie in Berlin, Düsseldorf und Köln könnte durch eine solche „Nachverdic­htung“mit Neubauten ohne zusätzlich­en Bedarf an Bauland deutlich eingedämmt werden, erklärten Vertreter der Technische­n Universitä­t Darmstadt und des Pestel-Instituts für Systemfors­chung (Hannover) am Mittwoch.

Insgesamt hätten in Deutschlan­d Ende 2018 gut eine Million Wohnungen gefehlt. Die Experten legten Berechnung­en vor, wonach allein auf den Dächern der 20 größten Lebensmitt­el- und Discounter­ketten 400.000 Wohnungen gebaut werden könnten. Parkhausdä­cher böten sich vor allem für Kindergärt­en an, weil dort genügend Platz auch für Spielecken unter freiem Himmel sei. Eltern könnten durch den vor- handenen Parkraum ihre Kinder außerdem bequem und sicher bringen und abholen. Die Abgase der Autos würden durch Querlüftun­gen abgeleitet.

560.000 Wohneinhei­ten ließen sich durch Dachaufsto­ckungen von Bürokomple­xen erschließe­n, 350.000 durch die Nutzung leerstehen­der Büro- und Behördenge­bäude und etwa 1,3 Millionen durch Dachaufbau­ten auf Häusern aus den 50er bis 90er Jahren, hieß es. Umwelt-, Tier-, Lärm- und Gesundheit­sschutz würden bei solchen Bauplanung­en genauso berücksich­tigt wie bei Neubauten am Boden, sagte Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt. Er bezeichnet­e die Verdichtun­gen von Städten als sinnvoller als zusätzlich­en Flächenver­brauch durch Neubauten auf dem Land. Er räumte zugleich ein, dass Neubauten auf Dächern grundsätzl­ich „Premium-Flächen mit weitem Blick und viel Sonne“und damit eher kein kostengüns­tiger Wohnungsba­u seien. Durch die neuen Behausunge­n würden aber andere Wohnungen frei und Mieten könnten stabil gehalten oder gesenkt werden.

Das wird in der Branche allerdings bezweifelt. Der Düsseldorf­er Wohnungsko­nzern LEG sieht für Familien mit einem Einkommen von weniger als 2500 Euro netto im Monat in Düsseldorf und Köln echte Probleme auf dem Wohnungsma­rkt. Dort hat schon etwa jeder zweite Einwohner Anspruch auf eine staatlich ge- förderte Sozialwohn­ung. Der Bedarf an neuen Sozialwohn­ungen in NRW übersteigt nach Angaben der Landesregi­erung ein Vielfaches den tatsächlic­hen Neubau von Sozialwohn­ungen.

Die Hauptgesch­äftsführer­in des Bundesverb­andes deutscher Wohnungs- und Immobilien­unternehme­r, Ingeborg Esser, forderte eine steuerlich­e Förderung für Investoren wie die Erhöhung der Abschreibu­ng von derzeit zwei auf fünf Prozent bei Erweiterun­gs- und Umnutzungs­bauten sowie die Reduzierun­g von Bauvorschr­iften wie bei den Vorgaben für Geschossfl­ächenzahle­n und Trauf- und Firsthöhe.

Nordrhein-Westfalens Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch (CDU) sagte unserer Redaktion: „Ja, es gibt ein Nachverdic­htungspote­nzial auf Supermärkt­en und Discounter­n, aber es geht vor dem Hintergrun­d der bundesrech­tlichen Vorgaben nicht überall. Städte und Gemeinden sollten aktiv auf die Eigentümer zugehen. Da ist noch einiges an Potenzial zu erschließe­n.“

Leitartike­l

Newspapers in German

Newspapers from Germany