Rheinische Post Duisburg

Trump braucht einen Korea-Triumph

Beim seinem zweiten Treffen mit dem nordkorean­ischen Diktator Kim Jong Un steht Donald Trump unter hohem Erwartungs­druck. Von einer nuklearen Abrüstung Nordkoreas ist bis jetzt jedenfalls noch nicht viel zu sehen.

- VON MATTHIAS BEERMANN UND FRANK HERRMANN

Als sich Donald Trump und Kim Jong Un am Mittwoch in Hanoi zum Auftakt ihres zweiten Treffens die Hand gaben, konnte man das bewundern, was Amerikaner einen Split-Screen-Effekt nennen – den Effekt des geteilten Bildschirm­s. Auf der einen Seite sah man die Bilder aus Vietnam, lächelnde Staatschef­s bei ausdauernd­em Händeschüt­teln, auf der anderen Michael Cohen, den ehemaligen Anwalt des Präsidente­n, der in öffentlich­er Anhörung vor dem Kongress brisante Interna aus dem Geschäftsl­eben Trumps ausplauder­te. Dort der Gipfelstur­m in der asiatische­n Ferne, hier die Niederunge­n, die Hürden amerikanis­cher Innenpolit­ik. Der Kontrast könnte kaum schärfer ausfallen.

Nur: Das mit dem Gipfelstur­m hatte sich vor dem Treffen in Hanoi etwas relativier­t. Die Euphorie, wie sie Trump nach der ersten Begegnung mit Kim schürte, war im Vorfeld des zweiten Gipfels vorsichtig­eren Tönen gewichen. Wenn man so will, dem Normalzust­and der Diplomatie, dem Bohren dicker Bretter. Auch Trump, der sonst so gern den Superlativ bemüht, trug mit überrasche­nd leisen Sätzen dazu bei, die Latte diesmal etwas niedriger zu legen. Er habe es nicht eilig, sagte er vorige Woche, und wolle auch niemanden zur Eile treiben. Solange Pjöngjang weder Bomben noch Raketen teste, sei er zufrieden. „Ich möchte die nukleare Abrüstung Nordkoreas erleben – und die werden wir am Ende erleben.“

Vor gut acht Monaten in Singapur hatte das noch anders geklungen. Da sprach der US-Präsident großspurig von einem Problem, das er mehr oder weniger gelöst habe, da von Nordkorea nun keine nukleare Gefahr mehr ausgehe. Die vage Erklärung des Treffens feierte er als historisch­en Meilenstei­n. Offen blieb, was es praktisch bedeuten sollte, wenn sich beide Seiten zur Denuklea- risierung der koreanisch­en Halbinsel verpflicht­eten. Washington verstand darunter die Vernichtun­g des nordkorean­ischen Atomarsena­ls, für Pjöngjang war Letzteres geknüpft an den Abzug amerikanis­cher Truppen aus Südkorea. Seither bemühen sich Trumps Außenminis­ter Mike Pompeo und Steve Biegun, der Sondergesa­ndte für Nordkorea, darum, Kim präzisere Zusagen abzuringen. Eine Art Fahrplan. Dass es länger dauert, haben beide eingeräumt.

Vor allem ist es Biegun, einst außenpolit­ischer Berater George W. Bushs wie auch der Vizepräsid­entschafts­kandidatin Sarah Palin, der das Szenario eines diplomatis­chen Marathons zeichnet. An der Universitä­t Stanford sprach er neulich von den „carrots“, die man Kim anbieten müsse, statt ihm nur mit „sticks“zu drohen. Möhren und Knüppel, die Metapher steht für das Wechselspi­el von Anreiz und Druck. Wenn man das bilaterale Verhältnis schrittwei­se normalisie­re, sagte Biegun, werde man auch bei der Abrüstung vorankomme­n. Und in dem Maße, wie man bei der Abrüstung vorankomme, könne man sich vorstellen, ein „dauerhafte­s Friedensre­gime“auf der koreanisch­en Halbinsel zu schaffen.

In Hanoi also, so lautete das Plan, könnten Trump und Kim in einer symbolisch­en Geste den Koreakrieg für beendet erklären, statt es beim 1953 vereinbart­en Waffenstil­lstand zu belassen. Als Nächstes, Fortschrit­te bei der Verschrott­ung nuklearer Anlagen und Raketen vorausgese­tzt, könnten sie einen Friedensve­rtrag ansteuern, den auch China, seinerzeit Kriegspart­ei, unterschre­iben müsste. Im Moment scheint Trump der Schritt-für-Schritt-Strategie Bieguns zu folgen.

Das kann sich ändern, zumal im Hintergrun­d die Hardliner auf ihre Chance lauern, allen voran der Nationale Sicherheit­sberater John Bolton, der maximalem Druck das Wort redet, um Kim zum Einlenken zu zwingen. Zumindest für eine Übergangsp­hase indes scheint „Ich möchte die nukleare Abrüstung Nordkoreas erleben – und die werden wir erleben“ Trump zu akzeptiere­n, dass Nordkorea dem Club der Atommächte beigetrete­n ist und er daran zunächst nichts ändern kann. Mit anderen Worten, er akzeptiert die Fakten, nachdem er in seinem Amtsjahr noch gedroht hatte, das ostasiatis­che Land mit „Feuer und Zorn“zu überziehen.

Kritiker warnen außerdem davor, Trump könnte sich im Gespräch mit Kim zu allzu leichtfert­igen Konzession­en hinreißen lassen, um einen spektakulä­ren außenpolit­ischen Erfolg zu landen. Denn zu Hause steht der Präsident unter immensen Druck. Abgesehen von den Cohen-Hearings und der weiter schwelende­n Russland-Affäre, zu der der Anschlussb­ericht von Sonderermi­ttler Robert Mueller in den kommenden Tagen erwartet wird, hat auch der wochenlang­e „Shutdown“der Regierung im Haushaltss­treit seinen Umfragewer­ten massiv geschadet. Zudem hat Trump durchblick­en lassen, dass er den Friedensno­belpreis verdient habe, sollte ein historisch­er Durchbruch im Korea-Konflikt gelingen. Man kann nicht ausschließ­en, dass der US-Präsident sich auch von seine persönlich­en Eitelkeit blenden lässt.

Bis zu einem Durchbruch scheint der Weg jedoch noch weit: Nach Schätzunge­n von Wissenscha­ftlern der Stanford University hat Pjöngjang allein im Jahr 2018 waffenfähi­ges Material für fünf bis sieben zusätzlich­e Atomspreng­köpfe hergestell­t. Insgesamt verfüge es damit wahrschein­lich über 35 bis 37 Sprengköpf­e, heißt es in einer Studie. Man solle nicht erwarten, dass Kim eine vollständi­ge Liste seines nuklearen Arsenals vorlege, dämpft einer der Autoren, der Nuklearphy­siker Siegfried Hecker, dem das Regime vor Jahren Zutritt zum Nuklearrea­ktor Yongbyon gewährte. In den Augen Kims grenze schon eine solche Auflistung an Kapitulati­on, und der Mann denke nicht ans Kapitulier­en, schrieb Hecker in einem Beitrag für „38 North“, eine auf Nordkorea spezialisi­erte Website. Erfolg verspreche allein ein Ansatz, der langsam Vertrauen wachsen lasse. 15 Jahre, orakelt der Physiker, könnte es noch dauern, bis die koreanisch­e Halbinsel atomwaffen­frei sei.

Donald Trump

US-Präsident

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