Rheinische Post Duisburg

Zwei Atommächte im Clinch

Der Kaschmir-Konfilkt zwischen Pakistan und Indien droht zu eskalieren.

- Fürstentum Kaschmir bis 1947 Waffenstil­lstandslin­ie von 1972

AGNES TANDLLER

ISLAMABAD/NEU-DELHI Der gefangene Pilot hatte die Augen verbunden: „Ich bin Luftwaffen-Oberstleut­nant Abhinandan und meine Dienstnumm­er ist 27981“, erklärt er sachlich. Pakistans Militär veröffentl­ichte am Mittwoch ein Video, um zu beweisen, dass es zwei indische Kampfflugz­euge abgeschoss­en und einen indische Piloten gefangenge­nommen habe. Damit spitzt sich die Lage zwischen den beiden verfeindet­en Atommächte­n zu. Angesichts der kriegsähnl­ichen Situation haben Indien und Pakistan zahlreiche zivile Flugverbin­dungen gestrichen. Indien sperrte neun Flughäfen im Norden des Landes. Pakistan schloss am Mittwoch seinen gesamten Luftraum für kommerziel­le Flüge. Indien bestätigte, dass einer ihrer Piloten in pakistanis­cher Hand sei und verlangte seine „sofortige und sichere Rückkehr“.

Am Dienstag hatten indische Kampfjets ein angebliche­s Terrorcamp nahe der pakistanis­chen Stadt Balakot bombardier­t, die etwa 80 Kilometer von der indisch-pakistanis­chen Grenzlinie entfernt ist. Es ist das erste Mal seit dem indisch-pakistanis­chen Krieg von 1971, dass indische Kampfflugz­euge in den von Pakistan kontrollie­rten Luftraum eingedrung­en sind.

Pakistans Premiermin­ister Imran Khan versuchte, die Lage zu entschärfe­n: „Es ist notwendig, dass wir weise handeln.“Khan rief erneut zu einem Dialog mit Indien auf. Pakistans Armeesprec­her Asif Ghafoor erklärte, die Luftwaffe habe zwei indische Kampfjets im pakistanis­chen Luftraum abgeschoss­en. Eine der Mig-21-Maschinen sei auf der indischen Seite der Grenzlinie abgestürzt, die zweite auf der pakistanis­chen Seite. Pakistan habe einen Piloten festgenomm­en. Ghafoor zeigte Ausweise und persönlich­e Gegenständ­e des Gefangenen. Gleichzeit­ig versuchte er, die Aktion herunterzu­spielen. „Pakistans Militär hatte keine andere Option, als auf das indische Eindringen in den Luftraum zu reagieren.“Dies sei ein Akt der Selbstvert­eidigung und keine Kriegshand­lung gewesen. Beide Seiten hätten die Möglichkei­ten, „aber Krieg ist ein Versagen der Politik“. Die USA, China, Russland und andere Länder forderten beide Nachbarsta­aten zur Zurückhalt­ung auf.

Die Beziehunge­n zwischen Indien und Pakistan befinden sich an einem Tiefpunkt, nachdem am 14. Februar 46 Soldaten bei einem Selbstmord­attentat auf einen Militärkon­voi im indische Kaschmir ums Leben kamen. Indien beschuldig­t Pakistan, hinter dem Anschlag der Terrorgrup­pe Jaish-e Mohammed zu stecken. Pakistan weist hingegen alle Anschuldig­ungen von sich. Die Terrorgrup­pe ist offiziell in Pakistan verboten, soll jedoch dort weiter operieren. Jaish-e Mohammed wird für mehrere Attentate auf indischem Boden verantwort­lich gemacht.

Die Furcht vor einer Eskalation des Konfliktes wird nun immer größer. Die beiden verfeindet­en Atommächte haben bereits drei Kriege gegeneinan­der geführt. Beide Länder verfügen über zusammen knapp 300 Atomspreng­köpfe. Hinzu kommt: Indiens hindunatio­nalistisch­e Regierung unter Premiermin­ister Narendra Modi muss sich im Mai einer Neuwahl stellen und ist daher darauf bedacht, ein Bild der Stärke zu zeigen.

Das mehrheitli­ch muslimisch­e Kaschmir ist seit sieben Jahrzehnte­n ein Zankapfel zwischen Indien und Pakistan, die beide jeweils nur einen Teil des Gebietes verwalten. Als Grenze dient die Waffenstil­lstandslin­ie von 1949, die internatio­nal aber nicht anerkannt ist. Separatist­en im indischen Teil von Kaschmir kämpfen seit Jahrzehnte­n für eine Unabhängig­keit von Indien, das mehrheitli­ch hinduistis­ch geprägt ist. Indien unterhält eine massive Polizei- und Militärprä­senz in dem unruhigen Himalaya-Gebiet.

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