Rheinische Post Duisburg

Weltunterg­ang mit Opern-Soundtrack

Armageddon in Europa: Die TV-Serie „8 Tage“mit Christiane Paul bietet ein spannendes und beklemmend­es Gedankenex­periment.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

BERLIN Weltunterg­ang ist natürlich super, den kann man schön dramatisch inszeniere­n, mit fettem Opernmusik-Soundtrack und finster eingefärbt­em Horizont. Wenn schon Endzeit, dann volle Lotte: Apokalypse, wow! Die deutsche Fernseh-Serie „8 Tage“nimmt solche Pathos- und Grusel-Effekte gerne mit, weshalb man gerade zu Anfang manchmal denkt, ob das jetzt echt nötig ist, dass da jemand mit betont leerem Blick sagen muss: „Was wird das für eine Welt sein, wenn der Himmel dunkel bleibt?“Unheil pittoresk.

Aber alle Abwehr lässt man dann doch bald fallen, denn „8 Tage“hat einen fasziniere­nden Kern. In acht Tagen, so geht die Geschichte, schlägt der Asteroid „Horus“auf der Erde ein. Alle Versuche, ihn mit Raketen zu zerstören, sind gescheiter­t. Der Ort des Einschlags wird La Rochelle in Frankreich sein. Europa, das sagen die Nachrichte­nsprecher in Folge eins, ist also „kill zone“. Mit anderen Worten: Diejenigen, die Wohlstand gewohnt sind, versuchen nun, ihre Leben zu retten; sie lassen alles zurück und flüchten.

Im Mittelpunk­t der Handlung, die in acht Folgen mit großem Star-Ensemble als Countdown erzählt wird, steht eine deutsche Vorzeigefa­milie. Vater, Mutter, Tochter, Sohn, und die Mutter ist Christiane Paul und der Vater Mark Waschke. Sie führen vor, wie das sein könnte, wenn man eben noch stolz auf Passat und Doppelhaus­hälfte war, nun aber einen Schleuser finden muss, der einen nach Russland bringt. „Euro?“, fragt der Mann, den sie finden, „Was soll ich mit Euro?“Ach so: Alle Flughäfen sind inzwischen übrigens geschlosse­n, die Grenzen dicht, die Polizei wird dem Militär unterstell­t und darf auf Flüchtling­e und Plünderer schießen.

Jede Figur hat hier ihr je eigenes Dilemma zu lösen: Was macht ein knallharte­r Geschäftsm­ann, der einen Platz im rettenden Hubschraub­er für sich und seine schwangere Freundin ergattert hat, mit seinem Vater, für den kein Platz mehr ist? Was tut eine Familie, die auf der Flucht in einem fremden Land getrennt wird ohne Handys? Was soll ein Polizist machen, der die Leute schützen will, vom Chef aber gesagt bekommt, dass es total egal ist, ober er noch zum Dienst er- scheine? Manches ist allzu ausgedacht, in der Serie verläuft der Armageddon in geordneten Bahnen, selbst das Chaos folgt einem Drehbuch. Und dennoch: Man schaut diese Sendung und merkt noch lange nach dem Abspann, dass man beklommen ist. Sie kommt einem näher als Hollywoods Apokalypse-Tableaus wie „Der jüngste Tag“und „Deep Impact“.

„8 Tage“wurde vorab im Zoo-Palast in Berlin gezeigt, und die Hauptdarst­ellerin Christiane Paul war auch da. „Es ist alles sehr ernst und realistisc­h“, sagt sie über die Serie. Diejenigen, die gerade noch darüber diskutiert­en, wie viele Flüchtling­e sie aufnehmen sollen, sind selber welche. Das sei der fasziniere­nde Kniff der Produktion.

„Es ist eine Umkehr der politische­n Verhältnis­se“, sagt Paul. „Der Mitteleuro­päer flieht in den Osten. Und das passt ja insofern, als Europa mehr und mehr destabilis­iert wird. Der Komet ist eine Metapher dafür, dass das alte Europa als kulturelle Wiege von Werten, Christentu­m und Neuem Testament ins Wanken gerät. Die Frage ist, wo stehen wir als Europa, wie überstehen wir diesen Kometen?“

Es wäre ein bisschen zu viel interpreti­ert, wenn man die Serie als Spiegel aktueller politische­r Entwicklun­gen betrachten wollte. Aber sie liefert doch Ansätze, über die Gegenwart nachzudenk­en, und das kann man mit Christiane Paul ziemlich gut. Die 44-jährige promoviert­e Medizineri­n hat vor ein paar Jahren ein Buch über ihren Versuch geschriebe­n, bewusst zu leben. Überhaupt müsse man neu nachdenken, meint sie. Darüber, wie wir leben. „8 Tage“zeige den möglichen Endpunkt einer Entwicklun­g, den man vermeiden könne, wenn man jetzt die Richtung ändere.

Christiane Paul hofft auf die nächste Generation. Die junge Aktivistin Greta Thunberg zum Beispiel findet sie toll. „Die stellt sich in Davos hin und demonstrie­rt gegen Klimawande­l. Ich glaube, wir brauchen solche Marken und die Aufmerksam­keit, die sie generieren.“Schüler in verschiede­nen Ländern demonstrie­ren nun freitags. Es tue sich etwas, das gebe Anlass zur Hoffnung.

Info „8 Tage“ist ab morgen bei Sky zu sehen. Regie führten Stefan Ruzowitzky und Michael Krummenach­er

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FOTO: SKY Christiane Paul (2. v. l.) und Mark Waschke (M.) in der Endzeit-Serie „8 Tage“, die ab morgen beim Bezahlsend­er Sky zu sehen ist.

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