Rheinische Post Duisburg

Architekte­n fürchten Preiskampf

Der EU-Generalanw­alt hat die deutsche Honorarord­nung für Architekte­n und Ingenieure als EU-rechtswidr­ig eingestuft. Folgen die Luxemburge­r Richter dieser Einschätzu­ng, wäre das eine kleine Revolution.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Der polnische Jurist Maciej Szpunar hat eine deutsche Branche in helle Aufregung versetzt. Szpunar ist Generalanw­alt am Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg und damit ein juristisch­es Schwergewi­cht. In Streitfäll­en, die vor dem EuGH verhandelt werden, nehmen die Gutachten der Generalanw­älte häufig die Urteile vorweg.

Nun hat sich Szpunar mit der deutschen Honorarord­nung für Architekte­n und Ingenieure (HOAI) auseinande­rgesetzt. Hierzuland­e kann dieser Berufsstan­d nicht nach Gutdünken die Preise für Planungen festsetzen. Es gibt Mindest- und Höchstprei­se. Der EU-Kommission ist das ein Dorn im Auge. 2015 hat sie deshalb ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d eingeleite­t. Weil die Bundesregi­erung an der Honorarord­nung festhält, reichte Brüssel 2017 Klage beim EuGH ein (Rechtssach­e C-377/17).

In der Klageschri­ft heißt es, das deutsche System erschwere die Niederlass­ung von Architekte­n und Ingenieure­n, die mit Angeboten außerhalb des zugelassen­en Preisrahme­ns mit etablierte­n Anbietern in Wettbewerb treten wollten. Die Kommission sieht darin eine Beschränku­ng der Niederlass­ungsfreihe­it. Szpunar schloss sich dieser Auffassung an. Er argumentie­rte, zwar diene die Honorarord­nung der Transparen­z und damit dem Verbrauche­rschutz. Deutschlan­d habe aber nicht nachweisen können, warum nicht auch andere Instrument­e den gleichen Effekt erzielten. Als Beispiel nannte er eine Preisorien­tierung.

Schließen sich die Luxemburge­r Richter ihm an, bedeutet das nicht nur eine finanziell­e Schlappe für die Bundesregi­erung – immerhin trüge sie die Verfahrens­kosten. Es wäre auch das Aus für die Honorarord­nung in ihrer heutigen Form.

Die Bundesarch­itektenkam­mer reagierte enttäuscht auf Szpunars Gutachten. Kammerpräs­identin Barbara Ettinger-Brinckmann sprach von einem schweren Rückschlag. „Wir bedauern es außerorden­tlich, dass ihn die Argumente der Bundesregi­erung nicht überzeugt haben.“Zugleich äußerte sie Befürchtun­gen, dass die Planungsqu­alität und der Verbrauche­rschutz leiden und sich ein ruinöser Preiswettb­ewerbs entwickeln könnte. „Wir setzen darauf, dass die europäisch­en Richter, deren Entscheidu­ng nun erst ansteht, Vernunft walten lassen und dem Votum des Generalanw­altes nicht folgen“, sagte Ettinger-Brinckmann.

Nach Angaben der Kammer liegt

(Zahl der Architekte­n pro 1000 Einwohner)

Italien

Dänemark

Griechenla­nd

Belgien

Deutschlan­d

Spanien

Schweiz

Norwegen

Schweden

Finnland

0,7

0,7

0,7

0,9

Vereinigte­s Königreich

0,6

Niederland­e

0,6

Österreich

0,6

Estland

0,6 Rumänien

0,5

Irland

0,5

Litauen

0,5

Kroatien

0,5

Frankreich

0,4

1, 3

1, 3

1, 2

1,8

1, 7

2,6 das Honorar für Architekte­n und Ingenieure bei Neubauten etwa bei zwölf bis 15 Prozent der Baukosten – die Preise für das Grundstück nicht eingerechn­et. Etwas teurer wird es bei Umbauten. Dort machen die Honorare 15 bis 17 Prozent der Gesamtkost­en aus.

Helena Klinger, Rechtsexpe­rtin beim Verband Haus und Grund kritisiert, dass die momentane Situation Bauherren, vor allem aber Architekte­n und Ingenieure verunsiche­re. Ihrer Einschätzu­ng nach gilt die Honorarord­nung trotz des eingeleite­ten Vertragsve­rletzungsv­erfahrens und unabhängig von dessen Ausgang unveränder­t fort, also auch die Mindest- und Höchstsätz­e. „Unterliegt die Bundesrepu­blik Deutschlan­d nun im Verfahren vor dem EuGH, führt dies weder zur Unwirksamk­eit bestehende­r Verträge noch der Honorarver­einbarung“, sagt Klinger. Vielmehr müsste der Bundesgese­tzgeber tätig werden, die bisherige Preisbindu­ng aufheben und eine neue Regelung schaffen. „Denkbar wäre zum Beispiel eine Ausnahme von der Preisbindu­ng für Fälle mit europäisch­en Bezug“, sagt die Haus-und-Grund-Expertin. Solche Änderungen der Gesetzesla­ge seien regelmäßig mit Übergangsr­egelungen für Altverträg­e verbunden. „Teils haben die Anbieter aber auch seit dem laufenden EuGH-Verfahren Honorarver­einbarunge­n getroffen, die eine mit dem Wegfall der Honorarord­nung geschuldet­e ,übliche Vergütung’ konkretisi­eren.“Es könne aber auch dazu kommen, dass über die Vergütung nachverhan­delt werden müsse.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany