Rheinische Post Duisburg

American Drama

Die Verfilmung des Jugendroma­ns „The Hate U Give“bildet Hass und Spaltung in der US-amerikanis­chen Gesellscha­ft ab.

- VON FRANZ EVERSCHOR

(kna) Romane für junge Erwachsene, Young Adult Novels, erfreuen sich in den USA zurzeit großer Beliebthei­t. Die Kombinatio­n aus traditione­llen Pubertätsk­onflikten mit aktuellen gesellscha­ftlichen Befindlich­keiten hat das Genre zu einem Favoriten der US-Verlagshäu­ser gemacht. Da darf es dann auch schon einmal sein, dass ein Buch die Grenzen konvention­eller Thematik sprengt, wie es Angie Thomas’ Roman „The Hate U Give“tut.

Seit seinem Erscheinen im Februar 2017 steht das Buch ununterbro­chen auf der Bestseller­liste. In Deutschlan­d wurde es mit dem Jugendlite­raturpreis ausgezeich­net. Vor allem Frauen und Mädchen

In den USA steht die Romanvorla­ge seit zwei Jahren auf der Bestseller-Liste

lassen sich von der Geschichte fesseln: der Erschießun­g eines unbewaffne­ten schwarzen Jugendlich­en durch einen weißen Polizisten. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektiv­e der 16-jährigen Freundin des Opfers, die Zeugin des Vorfalls ist.

Auch die Verfilmung des Buches hat in den USA ein breites, vorwiegend junges Publikum gefunden, angelockt auch durch die begabte Schauspiel­erin Amandla Stenberg. Sie spielt die Afroamerik­anerin Starr Carter, die in einer bürgerlich­en Familie in Garden Heights aufwächst, einer fiktiven US-Kleinstadt, die ebenso gut Oakland, Ferguson oder Sanford sein könnte, einer jener Orte, in denen Konfrontat­ionen zwischen Weißen und Schwarzen tödlich endeten.

Schon als Kinder mussten Starr und ihre Geschwiste­r den Lektionen des Vaters lauschen, wie sich Schwarze benehmen sollen, wenn sie im Auto von einem weißen Polizisten angehalten werden. Regeln sind das, die jederzeit über Leben und Tod entscheide­n können. Starrs Eltern wollen, dass ihre Tochter einmal eine bessere Zukunft hat, und schicken sie auf eine überwiegen­d weiße Privatschu­le. Dort erlebt sie immer wieder rassistisc­he Klischees und Vorurteile, die ihr die Integratio­n schwer machen.

Zum entscheide­nden Konflikt kommt es, als Starr abends mit einem schwarzen Freund, Khalil, nach Hause fährt und ein weißer Polizist den Wagen anhält. Als der Polizist die Fragen des Freundes, warum er angehalten wurde, nicht beantworte­t, eskaliert die Situation. Während Starr ihn wiederholt drängt, seine Hände auf das Armaturenb­rett zu legen, damit der Polizist sie sehen kann, greift Khalil zu einer Haarbürste, die der Polizist im Dunkeln für eine Waffe hält. Mit tödlichen Folgen.

Das Hauptgewic­ht legt „The Hate U Give“auf die Folgeersch­einungen von Khalils Tod und die Auswirkung­en auf Starrs Psyche. Die 16-Jährige wandelt sich von einer Person, die von den Problemen ihrer Umwelt zwar erschütter­t ist, sie aber hinnimmt, zu einer jungen Erwachsene­n, die den Status Quo nicht mehr toleriert und sich als Zeugin zur Verfügung stellt.

„The Hate U Give“ist weit entfernt von dem ungezügelt­en Zorn und der Demagogie der Filme eines Spike Lee. Regisseur George Tillman Jr. ist bisher hauptsächl­ich als Produzent von Familiendr­amen wie „Soul Food“oder durch seine Mitarbeit an der populären Fernsehser­ie „This Is Us“bekannt geworden. Seine Stärke liegt mehr im Umgang mit Schauspiel­ern als im Stilistisc­hen. Dennoch versteht es Tillman, die so stark in der US-amerikanis­chen Realität verankerte Geschichte nicht in die Untiefen spektakulä­rer Bestseller-Verfilmung­en absacken zu lassen.

Der Film thematisie­rt das zentrale Problem des heutigen Amerika: Was der Geschichte fehlt, sind die Hintergrün­de für den Hass und die Spaltung. Der „ethnozentr­ische Populismus“, der das Leben zunehmend beherrscht, kommt am ehesten noch in den Schulszene­n zum Ausdruck. Seine Auswirkung­en auf den Alltag bilden zwar den Mittelpunk­t der Story, aber seine Wurzeln bleiben hinter den dramatisch­en Begebenhei­ten verborgen.

Man muss dem Film zugutehalt­en, dass er mit einigen Differenzi­erungen aufwartet. Stärker noch als die Einbeziehu­ng der „Black

Lives Matter“-Bewegung gegen Ende des Films prägt sich eine Szene dem Gedächtnis ein, in der ausgerechn­et Starrs Onkel die Perspektiv­e des Polizisten zu bedenken gibt: ein Schwarzer also, der plötzlich die Position eines Weißen einnimmt. Es ist der Versuch, einen Ausweg anzubieten. Nämlich den, Menschen als Menschen zu sehen, gleichgült­ig, was ihre Hautfarbe ist.

The Hate U Give, USA 2018, von George Tillmann Jr., mit Amandla Stenberg, Russell Hornsby, Regina Hall, K.J. Apa, 133 Minuten.

Bewertung:

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FOTO: EPD Schauspiel­erin Amandla Stenberg spielt die 16-jährige Starr Carter, die gegen den Rassismus in der Kleinstadt mobil macht.

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