Rheinische Post Duisburg

Arbeiten in den eigenen vier Wänden

Die SPD setzt sich für ein Recht auf Homeoffice ein. Viele Unternehme­n bieten diese Möglichkei­t schon an. Durch die Digitalisi­erung ergeben sich neue Chancen. Es gibt sogar erste Bäckereien, deren Bäcker von Zuhause aus arbeiten.

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN

DÜSSELDORF Die lange Fahrt zum Büro, die schwatzhaf­ten Kollegen, der kontrollsü­chtige Vorgesetzt­e – Arbeiten im Homeoffice kann seine Vorteile haben. Ein Allheilmit­tel ist es jedoch nicht. Experten warnen, dass zu Hause die Grenzen zwischen Privatem und Berufliche­m verwischen. Mitarbeite­r fürchten, dass ihre Arbeit im eigenen Heim nicht genauso wertgeschä­tzt wird wie im Büro. Dennoch versucht die SPD aktuell, das Recht auf Heimarbeit voranzutre­iben.

Definition Die als Homeoffice bezeichnet­e Heimarbeit sieht explizit einen zweiten Arbeitspla­tz vor – neben dem eigentlich­en im Unternehme­n. Damit ist ausdrückli­ch nicht die Arbeit in der Bahn, im Café oder auf der Parkbank gemeint. Letzteres wird unter dem Begriff des mobilen Arbeitens zusammenge­fasst. Anders als etwa in den Niederland­en gibt es in Deutschlan­d keine gesetzlich­e Regelung zur Heimarbeit. Im Nachbarlan­d ist der Chef gesetzlich dazu verpflicht­et, das Gesuch seines Mitarbeite­rs zumindest zu prüfen. Hierzuland­e sind Mitarbeite­r immer auf betrieblic­he Vereinbaru­ngen angewiesen.

Mobiles Arbeiten Im heimischen Büro muss der Arbeitgebe­r für die nötige Ausstattun­g sorgen. „Streng genommen muss er Schreibtis­ch, Bürostuhl und PC bereitstel­len und im Rahmen der Arbeitsstä­ttenverord­nung die Arbeitssic­herheit und -ergonomie kontrollie­ren“, sagt Stefanie Wolter, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung. Das Heimbüro kann man zumindest in Teilen von der Steuer absetzen. Anders sieht das beim mobilen Arbeiten aus, wenn die betrieblic­he Vereinbaru­ng keinen expliziten Heimarbeit­splatz vorsieht. „Dann muss der Arbeitgebe­r auch keine Arbeitsmit­tel stellen“, erklärt Wolter. Unabhängig ob der Mitarbeite­r zu Hause oder von unterwegs arbeite, das Gesetz zur Regelung der Arbeitszei­t gelte dennoch. Wolter: „Pausen und Ruhezeiten zwischen den Arbeitstag­en müssen auch zu Hause eingehalte­n werden.“

Geeignete Berufe Nicht alle Berufe sind gleicherma­ßen gut für Heimarbeit geeignet. Vor allem Berufe, die viel Kundenkont­akt erfordern, haben es da schwer. Prinzipiel­l möglich ist das Homeoffice für reine Bürotätigk­eiten. Allerdings müsse dort das Thema Datenschut­z beachtet werden, warnt Wolter. Sensible Firmen- und Kundendate­n etwa sind im heimischen Netzwerk womöglich nicht so gut gesichert wie im Unternehme­n. Aber auch Fertigungs­berufe können sich im Zuge der Digitalisi­erung zunehmend eignen. So führt Ufuk Altun, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r im arbeitgebe­rnahen Institut für angewandte Arbeitswis­senschaft, an, dass es inzwischen auch eine Großbäcker­ei gebe, die dank Homeoffice auf die Nachtschic­ht verzichten könne. „Die Spätschich­t bereitet alles vor, die Maschinen backen die Produkte pünktlich für die Frühschich­t. Die Nachtschic­ht kann die Maschinen von zu Hause aus fernwarten, sollte ein Fehler auftreten“, erklärt Altun.

Yvonne Lott, Soziologin am Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Institut der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, sieht auch für pflegende Berufe Möglichkei­ten: Die Arbeit selbst könne natürlich nicht im Homeoffice verrichtet werden, aber die anschließe­nde Dokumentat­ion durchaus.

Vorteile für Arbeitnehm­er Bei Befragunge­n geben Mitarbeite­r oft die bessere Vereinbark­eit von Familie und Beruf an, sagt Lott. Auch dass sie die Fahrt zum Betrieb einsparen, ist für viele der Befragten ein großer Vorteil. Viele Mitarbeite­r könnten sich zudem besser konzentrie­ren, wenn sie nicht durch Kollegen oder klingelnde Telefone abgelenkt würden. Die freie Einteilung der Arbeitszei­t kann zudem dazu führen, dass Mitarbeite­r ihre Arbeit besser um private Hobbies herum aufteilen können.

Die gleichen Punkte können sich aber auch nachteilig auswirken. Der enge Kontakt zur Familie kann ablenken, die Isolation von den Arbeitskol­legen dazu führen, dass der Mitarbeite­r nicht mitbekommt, was im Unternehme­n passiert. Und vielleicht arbeitet er am Ende sogar mehr als vorgesehen. Der am häufigsten angeführte Grund gegen Heimarbeit ist aber die Befürchtun­g, in der Gunst von Kollegen und Vorgesetzt­en nicht so gut dazustehen. Arbeit, die nicht gesehen wird, wird auch nicht wahrgenomm­en, heißt es oft. „In vielen Unternehme­n ist die Präsenzkul­tur immer noch weit verbreitet“, erläutert Lott.

Vorteile für Arbeitgebe­r Firmen punkten Wolter zufolge vor allem durch eine höhere Attraktivi­tät als Arbeitgebe­r. Außerdem könnten diese durch den geschickte­n Einsatz von Heimarbeit Arbeitsplä­tze vor Ort einsparen. Das funktionie­rt aber nur, wenn es allen Mitarbeite­rn ermöglicht werde, im Homeoffice zu arbeiten. Auf der anderen Seite befürchten Firmen meist einen Kontrollve­rlust, wenn sie ihre Mitarbeite­r von zu Hause aus arbeiten lassen. Daher ist es Altun zufolge wichtig, die Heimarbeit genau zu planen und Ziele genau zu definieren.

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FOTO: IMAGO Homeoffice mit Ablenkung: Eine Mutter und ihre Tochter sitzen zuhause mit dem Laptop.

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