Rheinische Post Duisburg

Schneelott­o von Seefeld sorgt für Unmut

Bei schwierige­n Bedingunge­n hat Skispringe­r Dawid Kubacki die besten Karten. Die Deutschen gehen leer aus.

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PATRICK REICHARDT UND THOMAS ESSER

SEEFELD (dpa) Die Wut im deutschen Skisprungl­ager war riesig. Nachdem sich im dichten Schneetrei­ben von Seefeld alle WM-Medaillent­räume von Karl Geiger und Co. aufgelöst hatten, attackiert­e der Sportliche Leiter Horst Hüttel die Jury heftig. „Der zweite Durchgang war komplett irregulär. Wenn das nicht irregulär ist, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. Dafür gibt es ein Wettkampf-Management. Die haben kläglich versagt“, sagte der erzürnte Funktionär. Auch Geiger, der in der komplett lahmen Spur von Rang zwei auf Platz 18 zurückfiel, war spürbar enttäuscht: „Ich mag kaum was dazu sagen. Gerecht war da nichts mehr.“

Bei immer heftigerem Schneefall und wechselnde­n Winden war das Einzel bei der WM in Seefeld immer mehr zu einer Art Lotterie geworden. Der neue Weltmeiste­r Dawid Kubacki sprang von Rang 27 noch zu Gold, auch sein Landsmann Kamil Stoch und der Österreich­er Stefan Kraft schafften es nach riesigen Rückstände­n noch auf das Podest und holten Medaillen. „Das ist dann schon unfair“, befand auch Geiger zu den Verhältnis­sen, nachdem er wie der nach dem ersten Durchgang führende Japaner Ryoyu Kobayashi durchgerei­cht wurde.

Das gute Teamergebn­is mit Richard Freitag als Fünftem, Stephan Leyhe als Sechstem und Doppel-Weltmeiste­r Markus Eisenbichl­er auf Rang sieben interessie­rte in der turbulente­n Gefühlsach­terbahn von Tirol kaum mehr. „Jetzt ist ein Ergebnis da“, sagte der nach Saisonende aufhörende Schuster, um später anzufügen: „Die Art und Weise ist sehr unangenehm und sehr bescheiden, es war auch nicht prickelnd zum Zusehen. Es ist kein Glanztag für unseren Sport.“Beim sensiblen Schanzensp­ort ist in einem WM-Wettkampf immer alles möglich, doch das Normalscha­nzen-Einzel im Schneegest­öber von Seefeld litt unter ganz extremen Verhältnis­sen.

„Die Sportler Geiger und Kobayashi, die sind heute veräppelt worden“, sagte Schuster. Stattdesse­n standen die Plätze 14 und 18 auf einem Ergebnisze­ttel, der sich nach erstem und zweitem Durchgang komplett durchgemis­cht hatte. Geiger, der auf der Großschanz­e am Bergisel schon Silber im Einzel und Gold im Team geholt hatte, war bedient. „Es ist einfach ärgerlich. Der Sprung war jetzt auch nicht hun- dertprozen­tig, aber man kriegt halt nicht mal eine faire Chance, mitzufight­en, und das ist schon zäh“, sagte der Oberstdorf­er.

Für die Polen war der Doppelerfo­lg unter Trainer Stefan Horngacher, der beim DSV als Top-Anwärter für die Schuster-Nachfolge gilt, nach bisher enttäusche­nden und medaillenl­osen Titelkämpf­en extrem wichtig, weil sie bei der letzten Entscheidu­ng am Samstag (16 Uhr/ ZDF und Eurosport) im Mixed keine Chance mehr auf den Titel haben.

Für das DSV-Team waren auch die drei Medaillen vom Bergisel kein Trost, nach einem Wettkampf unter höchst sonderbare­n Bedingunge­n herrschte einfach Enttäuschu­ng. „Das Wettkampfm­anagement hat nicht gehandelt, das ist enttäusche­nd. Dann frage ich mich: Wofür sind die Leute überhaupt da?“, sagte der Sportliche Leiter Hüttel.

Freitag meinte: „Es ist ärgerlich für den Karl. Er ist die Tage durchgängi­g stark gesprungen.“Der Sachse nahm es aber mit etwas mehr Gelassenhe­it und sprach von der Freiluftsp­ortart, die „immer für eine Überraschu­ng gut“sei. „Ich habe schon zum Karl gesagt: Er hätte es auf jeden Fall verdient. Ich hätte es ihm auch geschnitzt, aber das bringt ihm auch nichts“, befand Freitag. Beim Mixed am Samstag kann das DSV-Team den Wetterärge­r mit einer vierten Skisprung-Goldmedail­le in sechs WM-Entscheidu­ngen dann hinter sich lassen.

Schon am Freitagmit­tag mussten die Langläufer unter dem Eindruck des Dopingskan­dals ihr nächstes Rennen bestreiten. Die norwegisch­en Langläufer um Schlussman­n Johannes Kläbo gewannen dabei die WM-Staffel. Über 4 x 10 Kilometer setzte sich der Titelverte­idiger am Freitag in einer Zeit von 1:42:32 durch und holte damit Gold vor Russland und Frankreich. Die deutschen Langläufer hatten bei immer stärkerem Regen nichts mit der Medaillenv­ergabe zu tun und landeten in der Besetzung Sebastian Eisenlauer, Andreas Katz, Florian Notz und Jonas Dobler auf Rang sechs.

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FOTO: AP Polens Dawid Kubacki wird von seinen Teamkolleg­en nach dem Gewinn des WM-Titels von der Normalscha­nze in Seefeld auf den Schultern getragen.

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