Hustenbonbons packt man besser nur beim Crescendo aus
Warum sind viele Besucher in einigen Opernaufführungen so laut? Ein Betrachtung über das Phänomen der Nebengeräusche.
Oper – bei diesem Wort denkt man an bordeauxrote Sitze, vergoldete Balustraden, edel gewandete Damen und Herren, kurz: an eine äußert steife Veranstaltung. Doch dieses Bild trügt. In der Oper wird gelacht, geweint, geschmust und geküsst. Und das nicht nur auf der Bühne: Auch im Publikum finden sich die Emotionen wieder, die vorn in bunten Kostümen gezeigt werden. Und das ist schön! Denn der Musik- und Schauspielgenuss soll nichts Klinisches sein, sondern darf die Gemüter des Publikums erregen. Doch neben dezentem Gekuschel und Gestreichel macht sich im Parkett und auf den Rängen auch stö- rendes Betragen breit.
So auch neulich im Düsseldorfer Opernhaus bei „Ariadne auf Naxos“. Da wurde gehustet, geknistert, geklickert und geplappert, was das Zeug hält. Klar: Wer erkältet ist, muss husten und soll mit einem Bonbon Abhilfe schaffen. Und natürlich zeugt es von ökologischem Bewusstsein, wenn die Hustendrops nicht aus einer Plastikverpackung gepfriemelt werden müssen, sondern sich in einem Metallkästchen befinden. Problematisch wird es nur, wenn das Geklicker während eines Pianissimo ertönt und wie die nahende Apokalypse klingt. Ein Ausweg: Vielleicht lässt sich das Dragee ja auch während eines Crescendo aus der Verpackung befreien. Natürlich nur, wenn der Hustenreiz es zulässt; schließlich soll niemand im Konzertsaal umkommen.
Sind diese allzumenschlichen Huster mit ein wenig Goodwill zu verschmerzen, gibt es jedoch auch Verhaltensweisen, die selbst den gutmütigsten Opernbesucher auf die Palme bringen, etwa der ungewollte Audiokommentar. Immer wieder lassen sich Besucher zu Gesprächen während der Aufführung hinreißen. Und oftmals werden dabei Informationen à la „Da liegt ein großes Wollknäul auf der Bühne“ausgetauscht. Das ist korrekt, denn wie es sich für die kretische Königstochter gehört, hielt sie den nach ihr benannten Faden in Händen. Doch der Kommentar vermindert den akustischen Genuss der Umsitzenden. Mitunter sind diese Opernbesucher aber gewieft und verfallen auf eine List: Ähnlich wie ihre rücksichtsvollen, hustenden Compagnons warten sie, bis sich das Orchester ins Fortissimo schraubt, um den störenden Einfluss ihrer Rede möglichst gering zu halten. Doch damit haben sie die Rechnung ohne die Physik gemacht. Denn steigt die Lautstärke, muss logischerweise auch lauter gesprochen werden, damit der Sitznachbar auch versteht.
Es ist also egal, ob piano oder forte – der Dialog mit dem Nachbarn ist stets hörbar. Das ist ein Qualitätsmerkmal des Abends: Regt die Aufführung zu Gesprächen an, hat die Oper ein Ziel erreicht. Doch müssen die Gedanken stante pede kundgetan werden? Bequemer ist es, sich nicht in gepresstem Flüsterton, sondern entspannt in der Pause über die Einfälle des Regisseurs auszulassen. Gleichzeitig kann man dabei mit einem Glas Bier, Wein oder Wasser die Kehle anfeuchten, um auch die verbleibenden Akte ruhigen Halses genießen zu können.