Rheinische Post Duisburg

80 Jahre alte Start-ups

Viele Traditions­unternehme­n wollen gerne wieder jung sein. Warum eigentlich?

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Stellen Sie sich vor, ich würde Sie bei einem Treffen mit den Worten begrüßen: „Hallo, ich bin Florian Rinke, Journalist und ein 33 Jahre altes Baby.“Würden Sie denken: Toller Mann, erfahren, aber gleichzeit­ig neugierig und unvoreinge­nommen?

In der Wirtschaft passiert momentan genau das. Immer wieder hört man in Traditions­unternehme­n den Satz, man sei ja im Grunde ein soundso viele Jahre altes Start-up. Als Pirelli 2017 an die Börse ging, verbreitet­e der italienisc­he Reifenhers­teller überall die Botschaft: „Investiere in ein Start-up, das 145 Jahre alt ist.“Und bei einer Veranstalt­ung in Düsseldorf sprach Covestro-Chef Markus Steilemann zuletzt davon, der Industriek­onzern sei ein „80 Jahre altes Start-up“. Abgesehen davon, dass Covestro erst 2015 aus einer Abspaltung des mehr als 150 Jahre alten Start-ups Bayer hervorgega­ngen ist, frage ich mich, warum Unternehme­n diese Botschaft senden wollen.

Klar, Start-ups gelten als innovativ, dynamisch, unkonventi­onell, sie verkörpern Attribute, für die Traditions­unternehme­n in der öffentlich­en Wahrnehmun­g eher nicht stehen. Aber das ist eben nur die halbe Wahrheit. Neun von zehn Start-ups scheitern, viele sind permanent damit beschäftig­t, frisches Geld aufzutreib­en, um auch in den kommenden Monaten noch Personal und Miete bezahlen zu können, die Erfolgsaus­sichten sind oft nicht absehbar, die Gehälter deutlich niedriger als in so manchem Dax-Konzern. Was würde mancher Manager wohl sagen, wenn er plötzlich wie ein Gründer und nicht wie ein Top-Manager verdienen würde? Man muss nicht jung sein, um kreativ und innovativ zu sein. Privat wie beruflich bin ich der Überzeugun­g, dass das Alter auch gewisse Vorteile bietet – und dazu sollte man auch ruhig selbstbewu­sst stehen können.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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