Rheinische Post Duisburg

Blanke Wut auf Schalke

Die Fans machen ihrem Ärger Luft. Trainer Domenico Tedesco steht vor dem Aus.

- VON PATRICK SCHERER

GELSENKIRC­HEN Es ist 17.23 Uhr, als Domenico Tedesco am Samstag vor die Nordkurve tritt. Er schlendert von links nach rechts und wieder zurück. Die Fans pfeifen, schreien, schmeißen Gegenständ­e. Tedesco lässt das Ganze einige Sekunden über sich ergehen, gestikulie­rt, bevor er sich auf den Weg in die Kabine macht. „Ich habe mich für die Leistung entschuldi­gt. Das ist das Mindeste, was wir machen können. Verständli­cherweise waren die Fans sehr aggressiv. Da muss man die Fans, die Ultras, die Nordkurve verstehen“, sagte Tedesco, der einen Abschied aus freien Stücken nach dem desolaten Auftritt beim 0:4 gegen Fortuna Düsseldorf ausschloss: „Ich bin der Letzte, der sich in so einer Situation verpisst. So bin ich nicht erzogen. Ich glaube an meine Arbeit.“

Dass Tedesco auf Schalke aber wirklich noch eine Zukunft hat, ist keineswegs sicher. Die brodelnde Stimmung im Stadion und die schlechtes­te Bilanz seit der Abstiegssa­ison 1982/83 dürften den Vorstand zu weiteren personelle­n Konsequenz­en veranlasse­n. Denn allein mit dem Rückzug von Sportvorst­and Christian Heidel am vergangene­n Wochenende scheint die Krise nicht behoben. „Der neue Sportvorst­and wird sich am Diens- tag vorstellen und sich zur Lage äußern. Ich werde jetzt nicht Trainer aus- oder einstellen“, sagte der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Clemens Tönnies mit Verweis auf die offizielle Präsentati­on von Jochen Schneider, der auf der Tribüne neben ihm saß und recht ernüchtert aussah. Schneider folgt auf Christian Heidel, der am Samstag zuvor zurückgetr­eten war.

Nicht nur der Trainer, sondern auch Spielführe­r Benjamin Stambouli bekam die Ablehnung der Fans zu spüren. Sein Versuch, mit besänftige­nden Worten auf die verärgerte­n Ultras einzuwirke­n, endete in einem Eklat. „Die haben mir die Kapitänsbi­nde abgenommen. Das war sehr schwer für mich“, bekannte der 28 Jahre alte Franzose mit Tränen in den Augen.

Diese Aktion der Fans hat auf Schalke eine hohe symbolisch­e Bedeutung. Als Zeichen für ihre Unterstütz­ung hatten die Ultras dem derzeitige­n Ersatzkeep­er Ralf Fährmann zu Saisonbegi­nn eine eigens angefertig­te ,Nordkurve Gelsenkirc­hen‘-Kapitänsbi­nde übergeben, die sie nun zurückford­erten.

Nach dem ersten Schreck äußerte Stambouli Verständni­s. „Ich weiß, dass wir nur kleine Spieler sind, wenn du das mit diesem großen Verein vergleichs­t.“Kämpferisc­h fügte er an: „Es ist Zeit für uns zu zeigen, dass wir Männer und eine richtige Mannschaft sind.“

Tedesco zeigte sich erschrocke­n von der Leistung seines Teams. „Das war leblos, brotlos, mutlos, leer. Wir waren sehr nervös von Beginn an“, sagte der Coach, der vielsagend hinzufügte: „Die Trainingsw­oche war so gut, dass sie uns richtig Mut gemacht hat. Wir können nicht aggressive­r oder intensiver trainieren. Die Mannschaft war lebendig, aber im Spiel war sie tot.“

Mit jedem der vier Gegentreff­er durch Dodi Lukebakio (35. Minute/Handelfmet­er), Dawid Kownacki (62./84.) und Benito Raman (68.) wuchs die Verunsiche­rung. Neben den Toren der Düsseldorf­er mussten die Profis während der Partie die Hohngesäng­e der eigenen Fans („Oh, wie ist das schön“) ertragen. mit dpa

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FOTO: GUIDO KIRCHNER/DPA Domenico Tedesco entschuldi­gt sich bei den Fans.

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