Blanke Wut auf Schalke
Die Fans machen ihrem Ärger Luft. Trainer Domenico Tedesco steht vor dem Aus.
GELSENKIRCHEN Es ist 17.23 Uhr, als Domenico Tedesco am Samstag vor die Nordkurve tritt. Er schlendert von links nach rechts und wieder zurück. Die Fans pfeifen, schreien, schmeißen Gegenstände. Tedesco lässt das Ganze einige Sekunden über sich ergehen, gestikuliert, bevor er sich auf den Weg in die Kabine macht. „Ich habe mich für die Leistung entschuldigt. Das ist das Mindeste, was wir machen können. Verständlicherweise waren die Fans sehr aggressiv. Da muss man die Fans, die Ultras, die Nordkurve verstehen“, sagte Tedesco, der einen Abschied aus freien Stücken nach dem desolaten Auftritt beim 0:4 gegen Fortuna Düsseldorf ausschloss: „Ich bin der Letzte, der sich in so einer Situation verpisst. So bin ich nicht erzogen. Ich glaube an meine Arbeit.“
Dass Tedesco auf Schalke aber wirklich noch eine Zukunft hat, ist keineswegs sicher. Die brodelnde Stimmung im Stadion und die schlechteste Bilanz seit der Abstiegssaison 1982/83 dürften den Vorstand zu weiteren personellen Konsequenzen veranlassen. Denn allein mit dem Rückzug von Sportvorstand Christian Heidel am vergangenen Wochenende scheint die Krise nicht behoben. „Der neue Sportvorstand wird sich am Diens- tag vorstellen und sich zur Lage äußern. Ich werde jetzt nicht Trainer aus- oder einstellen“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies mit Verweis auf die offizielle Präsentation von Jochen Schneider, der auf der Tribüne neben ihm saß und recht ernüchtert aussah. Schneider folgt auf Christian Heidel, der am Samstag zuvor zurückgetreten war.
Nicht nur der Trainer, sondern auch Spielführer Benjamin Stambouli bekam die Ablehnung der Fans zu spüren. Sein Versuch, mit besänftigenden Worten auf die verärgerten Ultras einzuwirken, endete in einem Eklat. „Die haben mir die Kapitänsbinde abgenommen. Das war sehr schwer für mich“, bekannte der 28 Jahre alte Franzose mit Tränen in den Augen.
Diese Aktion der Fans hat auf Schalke eine hohe symbolische Bedeutung. Als Zeichen für ihre Unterstützung hatten die Ultras dem derzeitigen Ersatzkeeper Ralf Fährmann zu Saisonbeginn eine eigens angefertigte ,Nordkurve Gelsenkirchen‘-Kapitänsbinde übergeben, die sie nun zurückforderten.
Nach dem ersten Schreck äußerte Stambouli Verständnis. „Ich weiß, dass wir nur kleine Spieler sind, wenn du das mit diesem großen Verein vergleichst.“Kämpferisch fügte er an: „Es ist Zeit für uns zu zeigen, dass wir Männer und eine richtige Mannschaft sind.“
Tedesco zeigte sich erschrocken von der Leistung seines Teams. „Das war leblos, brotlos, mutlos, leer. Wir waren sehr nervös von Beginn an“, sagte der Coach, der vielsagend hinzufügte: „Die Trainingswoche war so gut, dass sie uns richtig Mut gemacht hat. Wir können nicht aggressiver oder intensiver trainieren. Die Mannschaft war lebendig, aber im Spiel war sie tot.“
Mit jedem der vier Gegentreffer durch Dodi Lukebakio (35. Minute/Handelfmeter), Dawid Kownacki (62./84.) und Benito Raman (68.) wuchs die Verunsicherung. Neben den Toren der Düsseldorfer mussten die Profis während der Partie die Hohngesänge der eigenen Fans („Oh, wie ist das schön“) ertragen. mit dpa