Medaillenflut und Dopingschatten
Sechsmal Gold, dreimal Silber: Deutschlands Nordische Skisportler freuen sich über ihre WM-Bilanz. Springer und Kombinierer sorgen für Medaillen. Der erfolgreichste deutsche Sportler ärgert sich aber auch.
SEEFELD (dpa) Die deutschen Sportler waren nach der Medaillenflut in zwei sonnigen Seefeld-Wochen rundum zufrieden. Die Bilanz von sechsmal Gold und dreimal Silber ließen sie sich auch vom Doping-Skandal bei der Nordischen Ski-WM nicht verderben.
„Es war sensationell für mich“, sagte Skispringer Markus Eisenbichler – mit dreimal Gold der erfolgreichste Athlet des Deutschen Skiverbandes. Sportdirektorin Karin Orgeldinger bilanzierte: „Wir sind alle sehr glücklich.“Bundestrainer Werner Schuster sprach von einer „grandiosen WM“für seine Springer. Im Medaillenspiegel belegte Deutschland wie schon zwei Jahre zuvor hinter den dominanten Norwegern Rang zwei. Damals hatte der DSV zweimal Bronze mehr auf dem Konto.
In einer Saison, in der dies nicht unbedingt zu erwarten war, präsentierten sich vor allem die Flugkünstler und Kombinierer auf den Punkt topfit. Ohne einen einzigen Weltcupsieg war der 27 Jahre alte Eisenbichler nach Seefeld gereist und wurde dort zu einem der Gesichter der WM. Der emotionale Bayer, der seine Siege in Tracht und mit „ein, zwei, drei Bierchen“feierte, kommt bei den Fans mit seiner Art an. Wenn es läuft, jubelt „Eisei“ausgelassen und brüllt seine Freude heraus, wenn er unzufrieden ist, gibt‘s auch mal einen Schlag auf die Kamera oder einen deftigen Fluch in feinstem Dialekt.
Auch Karl Geiger zählt du den absoluten Gewinnern dieser WM. Der Oberstdorfer ist zwar eher der Typ stiller Arbeiter, mit seiner Art aber kaum weniger erfolgreich. Jahrelang war der 26-Jährige das personifizierte Mittelmaß der DSV-Springer. In Tirol gewann er Silber im Einzel sowie Gold mit der Mannschaft und im Mixed.
Das Team mit Geiger, Eisenbichler, Katharina Althaus und Juliane Seyfarth lieferte sich zum Abschluss der Schanzen-Wettbewerbe ein packendes Duell mit Österreich und jubelte am Ende ausgelassen. Zu Beginn der zweiten Seefeld-Woche hatten sich die Springerinnen bereits zu Weltmeisterinnen bei der WM-Pre- miere des Frauen Team-Wettkampfes gekrönt. Im Einzel gewann Althaus Silber.
Mitten hinein in die deutschen Erfolge erschütterte die „Operation Aderlass“die WM. Bei einer Doping-Razzia waren am Mittwoch insgesamt sieben Verdächtige im WM-Ort Seefeld festgenommen worden. Darunter waren zwei österreichische, zwei estnische und ein kasachischer Langläufer. Zudem wurden parallel in Erfurt Sportmediziner Mark S. und ein mutmaßlicher Komplize festgenommen.
„Ich habe das gar nicht fassen können. Ich habe das erst realisiert, als ich es wirklich gesehen habe“, sagte Eisenbichler im „Sportstudio“des ZDF. Die Vorfälle machten ihn „sehr traurig und extrem wütend“. Einer der österreichischen Läufer war während der Bluttransfusion mit der Nadel im Arm erwischt worden, wie ein öffentlich gewordenes Video dokumentierte.
Die erfolgreichste Athletin der WM hat schon eine Doping-Sperre hinter sich. Die Norwegerin Therese Johaug gewann in Seefeld dreimal Gold und einmal Silber. Johaug war zuvor wegen einer Lippencreme, die ein Steroid enthielt, gesperrt worden und verpasste die WM 2017 in Lahti und Olympia 2018 in Pyeongchang.
Von den zahlreichen norwegischen Fans, die in Seefeld eine große Party zelebrierten, wurde Johaug ausgelassen gefeiert. Bei den deutschen Fans war Kombinierer Eric Frenzel einer der meistbejubelten Sportler. „Was Eric wieder geschafft hat, ist unglaublich“, sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch. „Er war am weitesten weg, jetzt hat er drei Medaillen.“Frenzel hatte über die gesamte Saison Probleme gehabt, ließ sogar einen Weltcup aus, nur um an seinem Sprung zu arbeiten. „Es war hart, was vorher ablief“, beschrieb er die Zeit vor der Weltmeisterschaft, in der er auch mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte.
In Innsbruck sprang Frenzel plötzlich stark, in der Seefelder Loipe trat er explosiv auf. Im Einzel- und im Teamsprint mit Fabian Rießle gewann er Gold, im Team verhalf der 30 Jahre alte Sachse dem deutschen Quartett mit einer Energieleistung zur schon verloren geglaubten Silbermedaille. Weil Frenzel in TopForm war, fielen die schwächeren Leistungen von Johannes Rydzek, der vor zwei Jahren noch Vierfach-Weltmeister geworden war, nicht so ins Gewicht.
Obwohl es keine Medaillen gab, bezeichnete Peter Schlickenrieder die Bilanz der Loipen-Spezialisten als „sehr gut“. Vor allem Platz vier in der Frauen-Staffel und die Leistungen von Victoria Carl stellten den Langlauf-Bundestrainer zufrieden. Carl überzeugte als Fünfte im Sprint und als Neunte im 30-Kilometer-Rennen. 2021 sollen bei der Heim-WM in Oberstdorf dann Medaillen her.