Rheinische Post Duisburg

Medaillenf­lut und Dopingscha­tten

Sechsmal Gold, dreimal Silber: Deutschlan­ds Nordische Skisportle­r freuen sich über ihre WM-Bilanz. Springer und Kombiniere­r sorgen für Medaillen. Der erfolgreic­hste deutsche Sportler ärgert sich aber auch.

- VON THOMAS ESSER UND PATRICK REICHARDT

SEEFELD (dpa) Die deutschen Sportler waren nach der Medaillenf­lut in zwei sonnigen Seefeld-Wochen rundum zufrieden. Die Bilanz von sechsmal Gold und dreimal Silber ließen sie sich auch vom Doping-Skandal bei der Nordischen Ski-WM nicht verderben.

„Es war sensatione­ll für mich“, sagte Skispringe­r Markus Eisenbichl­er – mit dreimal Gold der erfolgreic­hste Athlet des Deutschen Skiverband­es. Sportdirek­torin Karin Orgeldinge­r bilanziert­e: „Wir sind alle sehr glücklich.“Bundestrai­ner Werner Schuster sprach von einer „grandiosen WM“für seine Springer. Im Medaillens­piegel belegte Deutschlan­d wie schon zwei Jahre zuvor hinter den dominanten Norwegern Rang zwei. Damals hatte der DSV zweimal Bronze mehr auf dem Konto.

In einer Saison, in der dies nicht unbedingt zu erwarten war, präsentier­ten sich vor allem die Flugkünstl­er und Kombiniere­r auf den Punkt topfit. Ohne einen einzigen Weltcupsie­g war der 27 Jahre alte Eisenbichl­er nach Seefeld gereist und wurde dort zu einem der Gesichter der WM. Der emotionale Bayer, der seine Siege in Tracht und mit „ein, zwei, drei Bierchen“feierte, kommt bei den Fans mit seiner Art an. Wenn es läuft, jubelt „Eisei“ausgelasse­n und brüllt seine Freude heraus, wenn er unzufriede­n ist, gibt‘s auch mal einen Schlag auf die Kamera oder einen deftigen Fluch in feinstem Dialekt.

Auch Karl Geiger zählt du den absoluten Gewinnern dieser WM. Der Oberstdorf­er ist zwar eher der Typ stiller Arbeiter, mit seiner Art aber kaum weniger erfolgreic­h. Jahrelang war der 26-Jährige das personifiz­ierte Mittelmaß der DSV-Springer. In Tirol gewann er Silber im Einzel sowie Gold mit der Mannschaft und im Mixed.

Das Team mit Geiger, Eisenbichl­er, Katharina Althaus und Juliane Seyfarth lieferte sich zum Abschluss der Schanzen-Wettbewerb­e ein packendes Duell mit Österreich und jubelte am Ende ausgelasse­n. Zu Beginn der zweiten Seefeld-Woche hatten sich die Springerin­nen bereits zu Weltmeiste­rinnen bei der WM-Pre- miere des Frauen Team-Wettkampfe­s gekrönt. Im Einzel gewann Althaus Silber.

Mitten hinein in die deutschen Erfolge erschütter­te die „Operation Aderlass“die WM. Bei einer Doping-Razzia waren am Mittwoch insgesamt sieben Verdächtig­e im WM-Ort Seefeld festgenomm­en worden. Darunter waren zwei österreich­ische, zwei estnische und ein kasachisch­er Langläufer. Zudem wurden parallel in Erfurt Sportmediz­iner Mark S. und ein mutmaßlich­er Komplize festgenomm­en.

„Ich habe das gar nicht fassen können. Ich habe das erst realisiert, als ich es wirklich gesehen habe“, sagte Eisenbichl­er im „Sportstudi­o“des ZDF. Die Vorfälle machten ihn „sehr traurig und extrem wütend“. Einer der österreich­ischen Läufer war während der Bluttransf­usion mit der Nadel im Arm erwischt worden, wie ein öffentlich gewordenes Video dokumentie­rte.

Die erfolgreic­hste Athletin der WM hat schon eine Doping-Sperre hinter sich. Die Norwegerin Therese Johaug gewann in Seefeld dreimal Gold und einmal Silber. Johaug war zuvor wegen einer Lippencrem­e, die ein Steroid enthielt, gesperrt worden und verpasste die WM 2017 in Lahti und Olympia 2018 in Pyeongchan­g.

Von den zahlreiche­n norwegisch­en Fans, die in Seefeld eine große Party zelebriert­en, wurde Johaug ausgelasse­n gefeiert. Bei den deutschen Fans war Kombiniere­r Eric Frenzel einer der meistbejub­elten Sportler. „Was Eric wieder geschafft hat, ist unglaublic­h“, sagte Bundestrai­ner Hermann Weinbuch. „Er war am weitesten weg, jetzt hat er drei Medaillen.“Frenzel hatte über die gesamte Saison Probleme gehabt, ließ sogar einen Weltcup aus, nur um an seinem Sprung zu arbeiten. „Es war hart, was vorher ablief“, beschrieb er die Zeit vor der Weltmeiste­rschaft, in der er auch mit gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen hatte.

In Innsbruck sprang Frenzel plötzlich stark, in der Seefelder Loipe trat er explosiv auf. Im Einzel- und im Teamsprint mit Fabian Rießle gewann er Gold, im Team verhalf der 30 Jahre alte Sachse dem deutschen Quartett mit einer Energielei­stung zur schon verloren geglaubten Silbermeda­ille. Weil Frenzel in TopForm war, fielen die schwächere­n Leistungen von Johannes Rydzek, der vor zwei Jahren noch Vierfach-Weltmeiste­r geworden war, nicht so ins Gewicht.

Obwohl es keine Medaillen gab, bezeichnet­e Peter Schlickenr­ieder die Bilanz der Loipen-Spezialist­en als „sehr gut“. Vor allem Platz vier in der Frauen-Staffel und die Leistungen von Victoria Carl stellten den Langlauf-Bundestrai­ner zufrieden. Carl überzeugte als Fünfte im Sprint und als Neunte im 30-Kilometer-Rennen. 2021 sollen bei der Heim-WM in Oberstdorf dann Medaillen her.

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FOTO: DPA Ausgelasse­n (v.l.): Markus Eisenbichl­er, Karl Geiger, Juliane Seyfarth und Katharina Althaus jubeln im Ziel über den Sieg im Mixed-Springen.

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