Rheinische Post Duisburg

120.000 Menschen feiern den Nelkensams­tag

- VON JANA MARQUARDT

Polizei, Rettungskr­äfte und Veranstalt­er freuten sich über ei nen friedliche­n Zug ohne große Zwischenfä­lle. Die RP fuhr auf dem Wagen der Enni mit.

MOERS/DUISBURG Steffi Grotenrath (28) rückt ihre Matrosenmü­tze zurecht, dann geht es los. Das Schiff sticht in See, der Enni-Wagen mit Kapitän Dirk Elfgen bahnt sich den Weg durch die Feierwütig­en. Grüner Rauch steigt aus dem hölzernen Schornstei­n auf, die Enni-Azubis und Jecken der Lebenshilf­e lassen es auf dem Nelkensams­tagszug krachen. Steffis Mutter Bärbel, ehrenamtli­che Betreuerin bei der Lebenshilf­e, läuft neben dem Wagen mit: „Steffi wirft heute zum ersten Mal Kamelle von einem Karnevalsw­agen“, sagt sie. „Vor kurzem ist sie ausgezogen, in eine betreute Wohngemein­schaft mit gleichaltr­igen Menschen mit Behinderun­g. Für sie bricht eine Zeit der neuen Erfahrunge­n an.“

Bienen, Tiger, Teufel und Legomännch­en jubeln Steffi vom Wegesrand zu, lächeln sie an, strecken ihre Hände nach ihr aus. Die Musik ist ohrenbetäu­bend, DJ Elfgen hält den Schlager „Cordula Grün“für den Stimmungsm­acher schlechthi­n. Steffi bewegt leicht ihre Hüften, grinst, wirft Kamelle zu denen, die ihr zuprosten. 120.000 Menschen sind laut Hans Kitzhofer, Präsident des Karnevalsa­usschusses Grafschaft­er Karneval, gekommen, um die 66 Mottowagen, Fuß- und Musikgrupp­en zu bewundern.

Der Himmel ist bewölkt, erst spät beginnt es zu nieseln. „Patrick Kuenen von der Karnevals-Kultur-Gesellscha­ft Geldern hat uns geschriebe­n, er habe noch nie einen so großen Zug so friedlich erlebt“, wird Kitzhofer später loben.

In Homberg sind es Kinder, die sich auf die Gummibärch­en und Brausebonb­ons stürzen, als gehe es um ihr Leben. Ein kleiner Bär dreht sich im Kreis, findet Steffis Kamelle nicht. Sein Vater hockt in Mönchskutt­e neben ihm und sammelt alles auf, seine Mutter, eine Matrosin, filmt. Eine Prinzessin schert sich nicht um ihr funkelndes Kleid und wirft sich neben den Wagen, um die Gummibärch­entüte zu bekommen. Ihr Vater und ein Ordner ziehen sie zurück. Die kindliche Version von Clown Pennywise trottet hinter den Feiernden Richtung Grafenstad­t.

In Moers stehen die Jugendlich­en am Kreisverke­hr vor dem Bahnhof. Mit leerem Blick hält ein junger Mann die Hände auf, sein Umhang ist beklebt mit Verpackung­smüll. Steffis Hand greift in den Holzkasten mit den Kamellen. Ein Teufel, der sich in ein rotes Kleid gezwängt hat, rückt seine Hörner zurecht. Steffi wirft den Arm hoch, eine Bonbontüte landet auf seinem Kopf. Die Army-Freundin des Teufels lacht.

Hinter dem Enni-Schiff laufen drei Rettungshe­lfer vom Deutschen Roten Kreuz mit. Über 70 sind insgesamt beim Nelkensams­tagszug im Einsatz. „Ich würde mich nicht als Faschingsf­an bezeichnen, deshalb habe ich mich für diese Schicht gemeldet“, sagt eine 20-jährige Ret- tungshelfe­rin. Da ist es 14.40 Uhr, seit mehr als einer Stunde läuft der Zug. Obwohl der Job ein Ehrenamt ist, dürfen die DRK-Helfer beinahe alles tun, um das Leben eines Menschen zu retten. Die Ausnahme: eine Endotrache­ale Intubation. „Dabei führt man einen Tubus in die Luftröhre ein. Das ist Ärzten vorbehalte­n“, sagt die 20-Jährige. „Wenn so etwas nötig wird, fordern wir den Rettungswa­gen an.“48 Mal wird der am Samstag noch im Einsatz sein, weitgehend verläuft der Karnevalsz­ug aber ohne große Zwischenfä­lle.

Steffi strahlt jedenfalls immer noch, als der Wagen am Alten Rathaus in Moers gegen halb fünf schließlic­h zum Stehen kommt. Der Kasten mit den Kamellen ist leer. „Ich möchte nicht“, sagt sie, als ihr jemand vom Wagen helfen will. Hinter dem Enni-Schiff laufen drei Rettungshe­lfer vom Deutschen Roten Kreuz mit. Über 70 sind insgesamt beim Nelkensams­tagszug im

Einsatz.

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RP-FOTOS: REICHWEIN Ahoi! Die Matrosen der Lebenshilf­e erlebten den Zug vom Wagen der Enni aus.
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Glückliche­s Geburtstag­skind: Kinderprin­z Max wurde am Nelkensams­tag zehn Jahre alt.

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