Wien: Delikates aus dem Neujahrskonzert
Klassik Auch wenn sie noch so strampeln, wenn sie ihre Säle herausputzen, sich Silvester- und Neujahrskonzerte gönnen oder Bälle ausrichten: Die großen Kulturstädte der Welt sind nichts gegen Wien. Das Neujahrskonzert ist unerreicht, und auch dem Wiener Opernball wohnt man maximal gern bei, weil dort die besten Schneider die schönsten Kleider kreieren und weil sich dort ein Bauunternehmer, der auf den Spitznamen „Mörtel“hört, stets ein junges oder reifes Sternchen an den Tisch holt – und damit etwas Glanz in sein Dasein.
Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker aus dem Musikvereinssaal ist eine Institution, und die Schallplattenindustrie ist jetzt so weit, dass sie ihre Mitschnitte vom Jahresbeginn schon wenige Wochen später vorlegen kann. Wartete man früher so lange auf die Platten, dass schon fast das nächste Neujahrskonzert vor der Tür stand, so befindet man sich jetzt regelmäßig noch im selben Winter, wenn man sich die opulente Wiener Musizierstunde ins eigene Wohnzimmer holen kann. Diese Akquisition sei im Fall des re Kostbarkeiten auftischt. Manche erklangen tatsächlich erstmals in diesem Neujahrskonzert, etwa Carl Michael Ziehrers rassiger „Schönfeld-Marsch“oder Josef Hellmesbergers „Entr’ac te-Valse“. Thielemann erbittet sich Schneid und Respekt, er kann die Wiener Philharmoniker aber auch an der langen Leine laufen lassen. Das Ergebnis ist grandios und dürfte ganzjährig besten Effekt auf unsere Seele und unsere Tanzbeine ausüben. Wolfram Goertz