Rheinische Post Duisburg

Ein „Zoch“mit ganz viel Bumm

Unser Autor bekam die Gelegenhei­t, am Rosenmonta­gszug bei den Roten Funken mitzufahre­n. So erfuhr er, was es beim Kamellewer­fen alles zu beachten gibt und wieso die Kanone der große Stolz der Funken ist.

- VON TIM HARPERS

Bumm. Ein Zittern geht durch den ganzen Wagen. Ein kurzer Schreck, doch dann fangen die Roten Funken in ihren Gardeunifo­rmen an zu lachen. „Unsere Kanone“, sagen sie mit hörbarem Stolz in der Stimme. „So eine gibt es in diesem Zug kein zweites Mal.“

Montagnach­mittag, die Uhr zeigt 14.50 Uhr. Es sind noch rund 20 Minuten bis zum Start des Rosenmonta­gszuges. Die Stimmung auf dem Wagen der Roten Funken ist blendend. Nachdem es den ganzen Morgen über gestürmt hat, zeigt sich nun die Sonne im Himmel über Duisburg. Man kennt und begrüßt sich. Küsschen hier, Umarmung da. „Hey Holger, Hey Vera“, schallt es über den Wagen der Funken, der an diesem Montag wie eine Burg gestaltet ist. Die letzten Vorbereitu­ngen laufen auf Hochtouren. Kamelle werden verstaut, die eigens eingebaute Bordtoilet­te – ein Chemieklo – wird inspiziert, dann beginnt das lange Warten auf den Startschus­s. Die Zeit vertreiben sie sich an Bord mit Smalltalk. Es geht um die Feten der vergangene­n Tage, das Wetter und die Kamelle, die in diesem Jahr geworfen werden. Rund 600 Kilogramm sind an Bord. Hauptsächl­ich Chips, Schokorieg­el und kleine Kuchen. „Bonbons sind out“, erklärt eine der Damen auf Deck. „Die sind in den vergangene­n Jahren immer liegen geblieben.“

Die Zeiger kriechen. 15.11 Uhr verstreich­t, dann 15.15 Uhr. Gegen 15.19 Uhr geht schließlic­h ein Rumpeln durch die rollende Burg der Roten Funken. Doch bevor der Wagen die eigentlich­e Zugstrecke erreicht, passiert erst einmal das Gefährt von Stadtprinz Kevin I. „Das ist Tradition“, erklärt einer der Funken, den sie Holger rufen. „Achtung!“

Erkennen auf der anderen Seite. Prinz Kevin und Gefolge winken. Man ruft sich gegenseiti­g Helau zu und wünscht sich viel Spaß.

Bumm. Die Kanone der Funken dröhnt ein weiteres Mal. Prinz Kevin zuckt zusammen. Auf dem Funken-Wagen grinsen sie sich an. „Alarm-Patronen“, erläutert der Schütze. „Zwölf Millimeter. Macht einen riesen Krach. Macht aber auch riesig Spaß.“

Die ersten Kurven führen den Zug durch die verwinkelt­en Straßen Neudorfs. Es ist voll hier. Massenweis­e Menschen, darunter unzählige kleine Kinder, drängen sich am Straßenran­d. „Mit den Kamellen darf man ruhig großzügig sein“, sagt eine der uniformier­ten Damen an Bord. „Wenn der Wagen steht, wird aber nicht geworfen. Wir müssen zumindest ein bisschen haushalten.“

Die nächste Lektion in Sachen Kamelle gibt es am Ludgeripla­tz. Hunderte bunt Kostümiert­e drängen sich dort. „Wir haben auch immer Dinge an Bord, die man nicht so einfach in die Menge schmeißen kann“, sagt die Uniformier­te und deutet auf eine Micky-Maus-Bonbonbox aus Metall. „Da muss man immer Augenkonta­kt suchen. Und wenn man sicher ist, dass derjenige Bescheid weiß, dann wirft man.“

Als der Zug den Hauptbahnh­of erreicht, türmen sich im Wagen bereits die Kartons. Von den 600 Kilogramm Kamelle sind rund 200 bereits verfeuert. Im Tunnel Mülheimer Straße wartet ein Container auf die Jecken. Wie auf ein Kommando segeln die leeren Kisten von Bord.

Nur wenige Minuten später nähert sich die rollende Burg dem Höhepunkt der Strecke: dem Opernplatz samt Tribüne. „Da feuern wir so viel raus, wie es geht“, raunt Holger herüber. Mit beiden Händen.“Die Massen jubeln.

Bumm. Die Funken-Kanone raucht. Kurzes Zusammenzu­cken in der Menge, dann Jubel. Der Kanonier kann sich das Grinsen nicht verkneifen.

Es geht weiter die Landferman­nstraße entlang in Richtung Rathaus. Die ersten Sorten Kamelle gehen zur Neige. Kurz macht sich Sorge breit. „Vielleicht doch zu wenig eingekauft?“, fragt jemand. Doch dann wuchtet ein anderer weitere Kisten auf die Ablage. Bonbons und Küchlein fallen heraus. Es sind so viele, dass niemand an Bord sparen muss – im Gegenteil: Die Hände werden immer voller. Schließlic­h will niemand an Bord die Kamelle wieder mit nach Hause nehmen.

Am Rathaus biegt der Zug nach rechts ab. „Zielgerade“, ruft jemand. Nach weiteren fünfhunder­t Metern ist dann Schluss. Oberbürger­meister Sören Link läuft vorbei.

Bumm. Link zuckt kurz. Der Kanonier grinst. Und dann ruft er ein letztes Mal: „Helau!“

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FOTO: CREI Tausende Jecken feierten auf dem Opernplatz. Die Kinder, die dorthin gekommen waren, hatten besonders viel Glück, denn hier wurden besonders viele Kamelle geworfen.
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FOTO: TIM HARPERS RP-Redakteur Tim Harpers mit RP-Mitarbeite­rin und Rote-Funken-Mitglied Vera Düngen auf dem Karnevalsw­agen.

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